Obwohl Wenig sich offiziell aus dem Wettrennen verabschiedet hat, kopiert er die besten Funktionen von Amazon. Das gilt etwa für Tests und Nutzererfahrungen. Zwölf Millionen Berichte hat Ebay auf den Seiten, viel weniger als Amazon. Deshalb will Ebay mit Qualität punkten: Nicht nur das vom Kunden gewünschte Produkt soll besprochen werden, sondern gleich auch konkurrierende Angebote. Entwickler Patt liefert ein Beispiel: „Wir haben Hunderte von Akku-Ladegeräten. Wie lange ist die Ladezeit, was sind die Vorteile des Markenprodukts?“
Onlinehandel: So kauft der Durchschnittsdeutsche ein
Die Marketing-Plattform intelliAd hat vom 1. Januar bis zum 31. April 2016 rund 1,6 Millionen Onlinekäufe in verschiedenen Branchen untersucht und von den Ergebnissen ausgehend das durchschnittliche Onlinekauf-Verhalten in Deutschland ermittelt.
Quelle: Customer Journey Analyse, intelliAd
Der durchschnittliche Online-Käufer in Deutschland braucht ganze 91 Stunden, um eine Kaufentscheidung zu treffen. Vom ersten Kontakt mit einem gewünschten Artikel bis zum vollen Warenkorb vergehen also knapp vier Tage.
Die Conversion-Rate beschreibt das Verhältnis zwischen Besuchern einer Webseite und getätigten Transaktionen. In deutschen Onlineshops liegt sie bei durchschnittlich 3,2 Prozent.
Wenn Käufer sich dann erst einmal für einen oder mehreren Artikel entschieden haben, geben sie im Schnitt 72 Euro aus.
Bis sich Nutzer für den Kauf einer Ware entscheiden, tätigen sie rund 3,6 Klicks im Online-Shop.
Ein Team von Experten arbeitet zudem daran, Vorlieben der Nutzer mittels künstlicher Intelligenz besser zu ergründen. Dazu werten sie Aktivitäten bei sozialen Medien wie Facebook und Twitter aus. Die maschinelle Intelligenz schlägt dann aktiv Produkte vor: Fürs Familienfest empfiehlt sie den Kauf neuen Geschirrs, für die Unwetterfront einen neuen Regenmantel. Allzu tiefes Eintauchen in die Privatsphäre dürfte die Nutzer jedoch eher verprellen als beglücken.
Auch den Service für Verkäufer will Ebay verbessern. So ermittelt das Unternehmen künftig, welchen Preis ein Produkt erzielen kann und wie die Angebotslage gerade ist. Früher mussten sich die Händler diese Informationen mühsam selbst beschaffen. Zudem will Ebay Käufer verstärkt zu Verkäufern machen. Wer etwa nach einem neuen Kühlschrank sucht, dem wird angeboten, sein altes Modell auf Ebay zu offerieren und den Verkauf bei Bedarf von erfahrenen Händlern organisieren zu lassen.
Wie erfolgreich die neue Strategie ist, entscheidet sich auch in Deutschland, mit aktuell 140 Millionen gelisteten Artikeln der nach Großbritannien zweitwichtigste Auslandsmarkt. „Damit ist Ebay in Deutschland relevant genug, dass es sich lohnt, spezielle lokale Angebote zu entwickeln“, sagt Stefan Wenzel, seit April Chef der hiesigen Landesgesellschaft. Versand auf Rechnung etwa gibt es in dieser Form nur in Deutschland.
Ein weiteres Beispiel ist die Versand-Flatrate Ebay Plus, die Wenzels Vorgänger Stephan Zoll im Oktober 2015 gestartet hat. Für jährlich 19,90 Euro ist der Versand aller Artikel mit dem entsprechenden Label kostenlos. Zudem können Kunden Produkte gebührenfrei an teilnehmende Händler zurückschicken, wenn sie ihnen nicht gefallen oder passen. „Deutschland ist weltweit das Retourenland Nummer eins“, sagt Wenzel. „Das war für uns ein Hauptmotiv, Ebay Plus als gesondertes Angebot zu konzipieren.“ Dass es Ebay Plus in absehbarer Zeit auch in anderen Ländern gibt, ist durchaus denkbar.
Nach gut einem Jahr hat das Unternehmen in Deutschland rund 185.000 Abonnenten gewonnen, bis Jahresende sollen es 200.000 Mitglieder sein, sagt Wenzel. Damit ist Ebay im Plan – und hinkt doch einmal mehr hinterher. Amazon hat sein vergleichbares Angebot Prime in Deutschland bereits 2007 gestartet und kommt in Deutschland mittlerweile geschätzt auf 17 Millionen Nutzer. Der Konkurrent scheint uneinholbar enteilt – wieder einmal.