Edeka darf Kaiser´s Tengelmann übernehmen Diese Fusion löst Edekas Problem nicht

Die Übernahmeschlacht um Kaiser’s Tengelmann ist entschieden. Wirtschaftsminister Gabriel düpiert mit seiner Erlaubnis Fachleute, Wettbewerber und Gewerkschaften. Und Edeka kann sich freuen – aber nicht zu sehr. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Edeka darf Kaiser´s Tengelmann übernehmen Quelle: dpa

Seit mehr als einem Jahr tobt die Schlacht um die Übernahme der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann durch Edeka. Jetzt erlaubt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel unter bestimmten Bedingungen - und dürfte damit auch im eigenen Haus eine Debatte um die Wirksamkeit des Kartellrechts entfachen.

Denn mit seiner Zustimmung für die Übernahme setzt sich der Wirtschaftsminister über die Kritik von Wettbewerbern, die Empfehlungen der Gewerkschaften und den Rat seiner eigenen Fachleute hinweg. Sie hatten davor gewarnt, denn Einfluss der unangefochtenen Nummer 1 im Lebensmitthandel noch weiter wachsen zu lassen und vor bösen Folgen für die Lieferanten gewarnt.

Den Minister störte das offenkundig wenig. Zwar verhängte Gabriel einzelne Bedingungen, die Edeka vor der Übernahme erfüllen muss – etwa den Abschluss von Tarifverträgen mit der Gewerkschaft Verdi. Aber diese dienen vor allem dazu, die Jobs der 16000 Mitarbeiter zu schützen. Die Folgen für den Wettbewerb blendet Gabriel dagegen komplett aus. So darf Edeka alle 450 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen übernehmen.

Die Übernahmeschlacht hat Edeka damit für sich entschieden. Doch ein Grundproblem bleibt: Deutschlands größtem Lebensmittelhändler gehen die Wachstumsmöglichkeiten aus. Beim Blick auf die Zahlen mag das gewagt klingen, der Konzern konnte seinen Umsatz in den vergangenen Jahren schließlich kräftig steigern.

Doch diese Momentaufnahme, die vor allem der robusten deutschen Konjunktur zu verdanken ist, überdeckt, wie limitiert die Expansionsmöglichkeiten des Konzerns in Zukunft sind.  Zusätzliche Märkte lassen sich in Deutschland kaum noch eröffnen, ohne bereits bestehenden Filialen Kunden abzujagen. Auch die Neuerwerbung Tengelmann wird daran auf Dauer nichts ändern.

Im Gegenteil: Tengelmann ist ein Sanierungsfall, seit 15 Jahren schreibt das Unternehmen Verluste – genau deshalb wurde es ja verkauft.  Für Edeka heißt das: die Integration der Filialen wird noch über Jahre Kräfte binden. Ressourcen, die dem  Edeka-Management an weit wichtigerer Stelle fehlen.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

So sind die Hamburger als einziger der großen Händler ausschließlich auf dem deutschen Markt aktiv. Edekas Wettbewerber haben die sich abzeichnende Filialsättigung auf dem Heimatmarkt früh erkannt und ihre Expansion ins Ausland forciert. So ist die Kölner Rewe-Gruppe mittlerweile in 16 Ländern aktiv. Der Düsseldorfer Metro-Konzern erzielt rund 60 Prozent des Umsatzes jenseits der deutschen Grenzen. Lidl plant gar den Start in den USA, weil dem Discountschwergewicht selbst Europa zu klein wird. Auch Aldi ist seit Jahrzehnten international aktiv.  

Nur bei Edeka beschränkten sich die Auslandsambitionen bisher auf die Regale in den Läden - mit Eigenmarken der Sorten La France und Italia.

Eine internationale Aufholjagd ist für den Konzern nach Jahren des Nichtstuns ungleich aufwendiger, als  kurzfristig mithilfe von Tengelmann zu wachsen. Doch am Ende ist der Schritt wohl dennoch unumgänglich. Die Beschäftigung mit Tengelmann verschiebt den Kurswechsel nur nach hinten. Zeit, die Edekas Wettbewerber nutzen werden, um im Ausland noch stärker zu wachsen. Gut möglich, dass Gabriels Entscheidung Edeka damit letztlich eher schadet als nützt.

Vielleicht sollte Edeka-Anführer Mosa seinen Antrag auf Ministererlaubnis nochmal genau studieren. Auf Seite 85 könnte der Edeka-Chef eine bemerkenswerte Passage entdecken, mit der eigentlich Bedenken des Bundeskartellamtes vor einer übermäßigen Belastung von Lieferanten durch die Übernahme ausräumen wollte.

„Wenn sich die Hersteller von Lebensmitteln allein auf den deutschen Markt konzentriert haben“, schreibt Mosa darin, sei das „Zeichen eines enormen Bedarfs an struktureller Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen.“ Schließlich sei der deutsche Markt allein viel zu klein. „Eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung“, so Mosa weiter, „darf also keinen wettbewerblichen Schutzzaun um Unternehmen bauen, die ihnen eine Entwicklung, die andere engagiert und mit viel Risiko angegangen sind, erspart und eine Anpassung an veränderte Umstände verhindert.“ Genau das hat Wirtschaftsminister Gabriel mit seiner Entscheidung getan.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%