Edeka Schicksalswoche für Kaiser’s Tengelmann

Politiker fordern ein Krisentreffen der Handelsfürsten, um die Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann abzuwenden. Doch das ist derzeit nicht in Sicht – und würde wohl auch nur wenig bringen.

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Kaiser's Tengelmann in der Sackgasse? Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Tage der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann sind gezählt. In einem "Brandbrief" an Eigentümer Karl-Erivan Haub, der wohl nicht zufällig den Weg an die Öffentlichkeit fand, beschreibt das Management der Kette eine desaströse Entwicklung. Allein in diesem Jahr würde man mit Verlusten von rund 90 Millionen Euro rechnen. Das Ergebnis würde sich "im kommenden Geschäftsjahr weiter deutlich verschlechtern“, heißt es unter anderem in dem Schreiben.

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Gleichzeitig verlassen angeblich scharenweise Mitarbeiter das Unternehmen. Die Konsequenz: Tengelmann-Chef Haub will am kommenden Freitag dem Gezerre um die Zukunft der Supermärkte ein Ende bereiten. Auf einer Sitzung des Aufsichtsrats will er offenbar eine rigorose Streichliste vorlegen: Zahlreiche Filialen und insgesamt rund 5000 Jobs gelten dabei als akut gefährdet.

Die letzten Hoffnungen das Zerschlagungsszenario doch noch abzuwenden, ruhen nun auf einem Krisengipfel mit allen Beteiligten. Politiker wie Peter Ramsauer, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel unterstützen bereits einen solchen neuen Anlauf zur Rettung von Kaiser’s Tengelmann. Neben den Vertretern Tengelmanns müssten zumindest Edeka, der Konkurrent Rewe, der von Anfang an ebenfalls an Kaiser's Tengelmann interessiert war und die Gewerkschaft Verdi mit am Tisch sitzen. In einer E-Mail - deren Inhalt wohl ebenfalls nicht zufällig bekannt wurde - hatte Rewe-Chef Alain Caparros jüngst seine anhaltende Gesprächsbereitschaft betont. Doch ob es, immerhin zwei Jahre nach Haubs Verkaufserklärung, überhaupt zu dem Treffen kommt und was es eigentlich bringen soll, ist völlig unklar.

Dem Vernehmen nach gibt es derzeit weder einen konkreten Termin, noch einen Ort, noch steht fest, welche weiteren Teilnehmer  - etwa Kartellamt, Wirtschaftsministerium weitere Handelsunternehmen – mit dabei sein müssten. Damit scheint derzeit vor allem Verdi das Gipfeltreffen zu forcieren. Selbst wenn die Runde noch in dieser Woche tagt, sind ihre Handlungsoptionen überschaubar. Allenfalls zwei Varianten sind denkbar.

Die große Lösung:

Knackpunkt der verkorksten Übernahme sind massive rechtliche Bedenken an einer Sondergenehmigung durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Mit der Ministererlaubnis hatte sich Gabriel im Frühjahr über ein Veto des Bundeskartellamtes gegen den Deal zwischen Edeka und Tengelmann hinweg gesetzt. Rewe hatte Klage eingereicht und vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) einen eindeutigen Sieg errungen. Die Richter kassierten Gabriels Ministererlaubnis, monierten Geheimgespräche zwischen ihm und den Beteiligten und rügten, dass es Gabriel in dem Verfahren an der notwendigen Neutralität fehlen ließ. 

Gabriel widerspricht zwar, doch die Entscheidung steht und verhindert den Vollzug der Fusion. Sollte Rewe die Klage zurückziehen, wäre der Weg frei, spekulieren die Beteiligten und mit ihnen Gewerkschafter und Politiker.

Der Preis für Edeka ist schon jetzt hoch

Doch warum sollte sich Caparros darauf einlassen? Auch Rewe hat im hart umkämpften deutschen Markt nichts zu verschenken - schon gar nicht an den Erzrivalen Edeka.

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Geht Rewe im Übernahmekampf leer aus, drohen langfristig Nachteile im Wettbewerb mit den Rivalen, die dereinst womöglich ebenfalls Auswirkung haben, auf die Möglichkeit der Kölner neue Jobs zu schaffen. Klar scheint, dass der Rewe-Boss wohl nur gegen weitreichende Zugeständnisse eine Rücknahme der Klage erwägen würde. Filialpakete in München, Berlin und Nordrhein-Westfalen kämen dafür in Betracht. Das Problem: der Preis für Edeka ist schon jetzt hoch.

Die Auflagen für die Ministererlaubnis sind happig. Fallen jetzt noch lukrative Standorte aus dem Filialnetz heraus, könnte schnell die Schmerzgrenze erreicht sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum wahrscheinlich, dass sich die Handelsgranden einigen könnten, zumal wohl wiederum das Kartellamt einen solchen Deal absegnen müsste und offen wäre, wie die Konkurrenz reagieren würde.

Die Folge: Auch eine Neuaufteilung von Kaiser's Tengelmann würde sich über Monate hinziehen. Zeit, in der die Kette wohl weitere Verluste anhäufen würde, die Eigentümer Haub offenbar schon jetzt nicht mehr zu tragen gewillt ist.

Das Moratorium

Leichter umzusetzen wäre indes eine kleine Lösung, die den Beschäftigten zumindest Zeit verschafft. Rewe, Edeka und Tengelmann könnten sich dazu bereit erklären, die absehbaren gerichtlichen Entscheidungen zu akzeptieren und juristisch nicht weiter dagegen vorzugehen. Damit hätte Haub Gewissheit, dass - so oder so - ein Ende in Sicht ist und nicht ewig weiter prozessiert wird. 

Bereits am 15. November wird der Bundesgerichtshof (BGH) eine erste Entscheidung treffen. Vorher bei Kaiser’s Tengelmann den Stecker zu ziehen, wäre auch aus Sicht vieler Beschäftigter „ein Schlag ins Gesicht“, wie es ein Arbeitnehmervertreter formuliert. Tatsächlich dürfte Haub durchaus in der Lage sein, die jetzt diskutierten Verluste zu tragen. Dass die Belastungen auf andere Teile seiner Holding wie Kik oder Obi durschlagen würden, ist bislang jedenfalls nicht bekannt.

Zugleich wird seit längerem auch von Mitarbeitern gerügt, dass es für die Übergangszeit kein echtes Fortführungskonzept gibt, mit dem Probleme wie sie jetzt offenbar in der IT auftreten, vermieden worden wären. Dass sich ein derart umstrittenes Verfahren über mehr als zwei Jahre erstrecken würde, sei zumindest absehbar gewesen, heißt es intern.

Die Optionen sind damit überschaubar und die Zeit läuft ab. Für die rund 15.000 Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann dürfte sich in dieser Woche viel entscheiden.

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