Edeka und Tengelmann Deals, die zum Fall für den Wirtschaftsminister wurden

Tengelmann will trotz des Verbots des Kartellamts seine Läden an Edeka verkaufen. Wirtschaftsminister Gabriel soll die Supermarkt-Ehe per Ministererlaubnis genehmigen. Wie bei Übernahmekrimis bisher entschieden wurde.

Die erste jemals erteilte Ministererlaubnis nach Einführung der Fusionskontrolle betraf den Energiesektor: Die Veba AG, 1929 als Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG gegründet, wollte den Mineralölbereich der Gelsenberg AG übernehmen. Das Bundeskartellamt untersagte den Zusammenschluss der Konzerne, doch der Wirtschaftsminister gab ihn am 1. Februar 1974 mit einer Ausnahmeerlaubnis frei. Die Ministererlaubnis wurde in der Geschichte der Bundesrepublik bisher erst acht Mal Realität.Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Quelle: AP
Die Erlaubnis kann nur der Bundeswirtschaftsminister erteilen. Voraussetzung dafür ist nach Paragraf 24 des Kartellgesetzes, dass „die gesamtwirtschaftlichen Vorteile“ die Wettbewerbsbeschränkungen aufwiegen oder der Zusammenschluss durch ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“ gerechtfertigt ist. Doch schon bei der dritten Entscheidung schätze der Wirtschaftsminister die Lage offenbar falsch ein: Hans Friederichs gab 1976 dem Babcock-Konzern (später Babcock Borsig) die Erlaubnis zur Übernahme des Maschinenbauers Artos. Friderichs entschied damals entgegen der Warnungen des Bundeskartellamtes und auch der Monopolkommission. Friederich gab den „Erhalt von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Regionen“ als Grund für seine Sondererlaubnis an. Doch kaum ein Jahr später kündigte Babcock-Artos Hunderten von Mitarbeitern. Quelle: AP
Nicht nur der Erhalt von Arbeitsplätzen kann als Begründung für eine Ministererlaubnis herhalten. Auch wenn es um die Sicherung von technologischem Know-how geht, kann Berlin das Kartellamt überstimmen. Das war im Fall von Thyssen/Hüller im Jahr 1977 der Fall. Der Bundeswirtschaftsminister bejahte das Allgemeininteresse an der Erhaltung der konkursgefährdeten Hüller Hille GmbH und erteilte eine Teilerlaubnis. Thyssen durfte das Unternehmen übernehmen. Quelle: REUTERS
Der Eon-Vorgängerkonzern Veba bekam 1974 die erste Ministererlaubnis zur Übernahme von Gelsenberg. Doch nur fünf Jahre später war vom „überragenden Interesse der Allgemeinheit“ an diesem Deal offenbar nicht mehr viel übrig: Die Veba reichte die Gelsenberg-Beteiligung 1979 an BP weiter. Mit Billigung des Wirtschaftsministers, aber unter Auflagen. Quelle: AP
1981 war der Wirtschaftsminister erneut gefragt, als die IBH-Gruppe des windigen Firmenjongleurs Horst-Dieter Esch (im Bild) den Betonpumpen-Hersteller Wibau übernehmen wollte. Die Entscheidung endete in einem Fiasko. Otto Graf Lambsdorf überstimmte die Bedenken des Kartellamtes per Ministererlaubnis. Der FDP-Politiker sah in der internationalen Konkurrenzfähigkeit des Esch-Konzerns einen „gesamtwirtschaftlichen Vorteil“, der „im überragenden Interesse der Allgemeinheit“ liege. Doch siehe da: Keine zwei Jahre später war die IBH-Wibau-Gruppe pleite und Esch wurde wegen Untreue und aktienrechtlicher Verstöße verurteilt. Er saß dreieinhalb Jahre ab. Wibau-Chef Spicka wurde gar wegen Betrugs und Bilanzfälschung zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Quelle: dpa
1989 gelang es Daimler, die Fusion mit dem Luft- und Raumfahrtkonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) durchzusetzen. FDP-Wirtschaftsminister Helmut Haussmann verband die Genehmigung aber mit großen Auflagen. Das sorgte für Unmut bei der Opposition: SPD-Vertreter drohten, gegen die Entscheidung vor Gericht zu ziehen. Quelle: DAPD
Eon pokerte hoch – und gewann: Nach monatelangem Verhandlungen einigte sich der Energiekonzern 2002 außergerichtlich mit allen Gegnern der Fusion mit Ruhrgas. Der Wirtschaftsminister genehmigte mit Auflagen. Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission hatten die Fusion zwar abgelehnt - sie hielten die Gefahr für den freien Wettbewerb für zu hoch -, doch Experten befürworteten den Deal. Eon als auch Ruhrgas würden international gestärkt, hieß es. Zehn Jahre nach der Übernahme war der Name Ruhrgas verschwunden. Quelle: dpa
2008 kaufte das Universitätsklinikum Greifswald 94,9 Prozent der Anteile am Krankenhaus in der Nachbarstadt Wolgast. Die Übernahme glückte endgültig jedoch erst drei Jahre später. Das Bundeskartellamt untersagte den Kauf zunächst. Doch im April 2008 schritt der damalige Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zur Tat – und genehmigte den Kauf. Wieder wurde die Erlaubnis mit dem überragenden Allgemeininteresse begründet. Bemerkenswert war, dass der Käufer ein öffentliches Krankenhaus war. Quelle: dpa
Der Antrag der Vereinigten Aluminium Werke (VAW), Preussag und der US-Firma Kaiser war im Jahr 1975 der zweite Fall für einen Wirtschaftsminister – und die erste Ablehnung. Die drei Unternehmen wollten ihre Aluminium-Produktion fusionieren. Vor dem Wirtschaftsminister hatte auch die Monopolkommission den Deal verneint, obwohl der Verlust von Arbeitsplätzen drohte. Seit Einführung der Fusionskontrolle in Deutschland 1973 gab es insgesamt 21 Anträge auf Ministererlaubnis für Fusionen. Quelle: imago
In sieben Fällen wurden demnach die Anträge noch vor einer Entscheidung wegen mangelnder Erfolgsaussichten wieder zurückgenommen, in sechs weiteren Fällen wurde die Erlaubnis abgelehnt. Die restlichen acht Aufträge wurden letztlich positiv entschieden – zumeist aber mit harten Auflagen. Im Fall der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW), die 1985 die Anteile an der Ruhrkohle AG vom französischen Stahlhersteller Societe Nouvelle Sidechar übernehmen wollte, gab es allerdings eine klare Ansage: Der Bundeswirtschaftsminister lehnte den Antrag noch am Tag der Antragsstellung ab. Quelle: AP
Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist nicht immer die Garantie für eine Genehmigung. So wie im Fall MAN/Sulzer1990. Denn die sechs Fälle, in denen der Wirtschaftsminister die Erlaubnis verweigerte, haben fast immer „den Weg für wettbewerbskonformere Lösungen geöffnet“, heißt es vom Wirtschaftsministerium. Foto: Ein Sulzer-Mitarbeiter vor einem Barrel-Turbo-Kompressor. Quelle: AP
1992 war eine Landwirtschaftsfusion angedacht: Baywa und WLZ wollte „einen Beitrag dazu leisten, dass die in der Landwirtschaft Tätigen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandentwicklung teilnehmen und ihre Kaufkraft auch in ertragsschwachen Regionen erhalten bleibt“. Doch die Monopolkommission folgte dieser Begründung nicht. Der Bundeswirtschaftsminister schloss sich dieser Auffassung an. Quelle: dpa
Es war ein harter Kampf der BASF um die Kali-Fusion der Tochter Kali + Salz und des kanadischen Kali-Produzenten Potash (PCS) im Jahr 1997. Das Kartellamt lehnte ab. BASF legte nicht wie üblich beim Kammergericht Berlin Widerspruch ein, sondern wandte sich direkt an den Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP). Der Zusammenschluss sei durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt. Rexrodt sah das anders. Quelle: REUTERS
2006 wurde der Antrag des Landkreises Rhön-Grabfeld abgelehnt, sein Krankenhaus an die Rhön-Klinikum AG zu verkaufen. Bereits 2005 hatte das Bundeskartellamt die Übernahme untersagt, weil dadurch die marktbeherrschende Stellung der Rhön-Kliniken mit seinen Fachkliniken und Allgemeinkrankenhäusern in der Region verstärkt werde. Quelle: dpa
Insgesamt sieben Mal wurde ein Antrag auf Ministererlaubnis eingereicht, dann aber zurückgezogen. So auch 1990, als der Teilverkauf des spanischen Lastwagenherstellers Enasa an die deutschen Konkurrenten MAN (60 Prozent) und Daimler-Benz (20 Prozent) in der geplanten Form nicht stattfand. Die EG-Kommission wollte, ebenso wie vorher das Bundeskartellamt, dem Deal nicht zustimmen. Es drohe eine Verstärkung marktbeherrschender Positionen in der Bundesrepublik, hieß es damals. Quelle: dpa
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