„Total Ausverkauf“ steht da in fetten schwarzen Lettern. „Wir schließen.“ Für Galeria Kaufhof an der Berliner Allee in der Düsseldorf Innenstadt ist im Winter Schluss. Seit Jahren schließt die zur Metro-Gruppe gehörende Warenhauskette peu à peu einzelne Standorte, weil die sich nicht mehr rechnen. Mit einem Gewinn von 136 Millionen Euro im vergangenen Jahr geht es Kaufhof dabei eigentlich richtig gut. Die Hertie-Warenhäuser gibt es schließlich schon seit einem halben Jahrzehnt nicht mehr. Und bei Hauptkonkurrent Karstadt sind die Probleme kaum noch zu bewältigen: die Zahlen sind dunkelrot, der Sanierungsbedarf ist immens und weder Handelsexperten noch Eigentümer Berggruen sind sich sicher, ob sich Investitionen überhaupt noch lohnen.
Die Krise der Warenhäuser ist nicht neu, ihr Anteil am Einzelhandelsumsatz ist seit dem Jahr 2000 von 4,2 aus 2,3 Prozent gefallen. Doch dieser Niedergang ist nur eine Ausprägung eine grundlegenden Entwicklung: das Einkaufsverhalten ändert sich und nicht jedes Ladenkonzept ist überhaupt noch überlebensfähig. Offline geht die Zeit der großflächigen Alles-Verkäufer zu Ende.
Ihr Kernproblem wird dabei bei den Warenhäusern besonders deutlich: „Lange konnten sich die Händler ein hohes Maß an Arroganz leisten“, sagt der Osnabrücker Handels- und Marketingexperte Jakob Ruprecht. „Sie hatten genügend Platz und ein riesiges Angebot.“ Kunden mussten kommen, wollten sie aus verschiedenen Waren auswählen. Nur: Masse allein rettet heute niemanden mehr.
Online-Angreifer
Die Killer-Konkurrenz kommt freilich aus dem Internet, wo die Auswahl gigantisch und der nächste Shop nur einen Klick entfernt ist. “Der Einfluss des Onlinehandels war zunächst schleichend, erfährt aber eine unbändige Beschleunigung - besonders in den Bereichen Consumer Electronics und Textil”, sagt Mirko Warschun, Handelsexperte und Partner bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Europaweit liegt der Online-Umsatzanteil am Einzelhandel derzeit bei rund acht Prozent. Dass der Online-Handel weiter, bezweifelt niemand. Die Frage ist, wie stark.
Warum die Deutschen Online-Shopper sind
„Aus heutiger Sicht wäre das der Weg zurück in die Steinzeit“, lautete eine Antwort auf diese Frage. E-Commerce hat sich fest in den Alltag der meisten Menschen integriert. Die Deutschen sind insgesamt besonders positiv eingestellt. 61 Prozent der Deutschen Online-Shopper möchten auf diese bequeme Art des Einkaufs nicht mehr verzichten.
„Zu den Zeiten einkaufen, die in mein Leben passen“ nennen in Deutschland vier von fünf Konsumenten als wichtigsten Vorteil. Eine echte Zeitersparnis haben 57 Prozent festgestellt. Mehr Zeit zu haben, empfinden dabei die meisten Deutschen als eine Entlastung im Alltag: 63 Prozent geben an, „viel weniger Stress beim Einkaufen als früher in der Stadt“ zu haben. 55 Prozent geben an, sich entspannter zu fühlen.
„Genau das Produkt, das ich suche“ finden in der Regel zwei Drittel der Online-Shopper. Und zwar sehr schnell und zum günstigsten Preis. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) gibt an, im Internet oft besonders individuelle Produkte zu finden, 62 Prozent schätzen es, dass sie Produkte finden, „die man im Geschäft beziehungsweise via Katalog nicht bekommen würde“.
Die Mehrheit der Käufer erlebt sich im Internet als „empowered consumer“. Zwei Drittel der Online-Shopper halten sich für besser informiert über Angebote und Preise als früher, nutzen gerne Bewertungen anderer Kunden und meinen, dass Konsumenten heute durch Kommentarfunktion und Empfehlungen beim Online- Kauf viel mehr Einflussmöglichkeiten haben.
Quelle: Studie im Auftrag der Deutschen Post: Einkaufen 4.0 - der Einfluss von E-Commerce auf Lebensqualität und Einkaufsverhalten
Eine Zukunftsprognose der Deutschen Post kommt im Extremfall auf einen Anteil von bis zu 40 Prozent am gesamten Handelsumsatz im Jahr 2025. Eine wesentlich gemäßigtere Einschätzung des Instituts für Handelsforschung geht davon aus, dass Online-Anteil am Einzelhandel bis 2020 zwischen zehn und 22 Prozent liegen wird. Ob 40 oder 20 – Jeder zusätzliche Prozentpunkt kostet den stationären Handel Millionen Euro. Laut Handelsverband Deutschland kämpften zuletzt drei Viertel aller Geschäfte mit zurückgehenden Kundenzahlen.
300.000 Arbeitsplätz weg
Tausende Arbeitsplätze sind deshalb in Gefahr, die Leerstände in den Innenstädten könnten drastisch zunehmen. Wie groß der Schaden wirklich wird, ist unklar. Eine aktuelle Analyse des britischen Centre for Retail Research hat ergeben, dass bis 2018 im Vereinigten Königreich 22 Prozent aller Geschäfte schließen müssen. 300.000 Arbeitsplätze gingen deshalb verloren.
Allein der neuen Konkurrenz die Schuld zu geben, greift zu kurz. manche Ladenkonzepte sind einfach antiquiert.
Zu schwerfällig
Besonders schwerfällig haben die Warenhäuser auf die neue Konkurrenz aus dem Netz reagiert, sich zu lange auf ihr dickes Warenangebot verlassen, später versucht über niedrigere Preise Kunden zu locken. Eine Schlacht die gegen die Online-Anbieter nicht zu gewinnen war. Zudem ist ihr Angebot standardisiert, austauschbar und nahezu überall anders auch zu bekommen.
Was den Deutschen beim Online-Shopping wichtig ist
„Die von mir bevorzugte Zahlungsmöglichkeit auswählen zu können“ nennt mit 87 Prozent eine überwältigende Mehrheit der Deutschen als wesentliche Anforderung beim Online-Einkauf. Die klassische Rechnung ist dabei nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel. Paypal und Lastschrift/Bankeinzug stehen ebenfalls hoch im Kurs.
Unkomplizierte Rücksendemöglichkeiten fordern 80 Prozent der Befragten von ihren Online-Händlern.
Besonders geduldig sind die Deutschen nicht, wenn es um ihre Online-Einkäufe geht. Eine schnelle Lieferung ist 80 Prozent der Befragten wichtig.
Am besten umsonst: 77 Prozent der Befragten fordern eine kostenlose Lieferung ihrer Ware.
Auf das Gefühl, den besten Preis gefunden zu haben, legen 77 Prozent der deutschen Online-Shopper Wert.
75 Prozent der Befragten in Deutschland ist eine transparente Darstellung der Lieferbedingungen wichtig.
Die Auswahl an Produkten im Online-Handel ist enorm. Über das gesamte Angebotsspektrum wollen sich 74 Prozent der Befragten gut informiert fühlen.
Vor allem wer viel Geld dafür ausgibt möchte sich die Ware vorher ganz genau ansehen – und das nicht nur im Laden sondern auch online. Eine anschauliche Darstellung des Produkts ist 64 Prozent der Befragten wichtig.
Dass das Versandunternehmen ihm bekannt ist bzw. dass er es vertrauenswürdig findet, erwarten 62 Prozent der deutschen Online-Einkäufer. Elf Prozent der Befragten machen den Einkauf sogar vom Versandunternehmen abhängig. Konkret möchten 30 Prozent der Online-Shopper in Deutschland von DHL beliefert werden, 13 Prozent nannten Hermes.
Sie wollen ganz genau wissen wann ihre Ware wo ist, und wann sie sie endlich in den Händen halten können. 61 Prozent der Befragten wollen daher die Möglichkeit haben, ihre Sendung online nachzuverfolgen.
Flexible Lieferung ist für 51 Prozent der Befragten wichtig. Wunsch-Lieferkonzepte stehen dabei hoch im Kurs. Jeder Fünfte möchte wählen können, wo und wann sein Paket zugestellt wird – beispielsweise bei einem Nachbarn, einer Packstation oder an einem bestimmten Wunschtag. Jeder Vierte der befragten Online-Shopper ist als Kunde bei einer DHL-Packstation registriert.
Quelle: Studie im Auftrag der Deutschen Post: Einkaufen 4.0 - der Einfluss von E-Commerce auf Lebensqualität und Einkaufsverhalten
In den Augen von Jakob Ruprecht hat lediglich Kaufhof clever reagiert und mit dem Galerie-Konzept und einer besseren Präsentation einzelner Marken den Kunden zumindest einen Mehrwert geboten. Auch deshalb stehe die Kette jetzt ungleich besser da, als seine Konkurrenten. An eine Zukunft für das Gros der Warenhäuser glaubt Ruprecht trotzdem nicht: „In der Fläche werden sie verschwinden.“ Unternehmensberater Warschun schätzt, dass von den derzeit mehr als 200 Warenhäusern in Deutschland vielleicht knapp die Hälfte übrig bleibt. Aber er ist sich sicher: “Es gibt einen Markt für Warenhäuser - wenn sie ein differenziertes Konzept bieten hinsichtlich Sortiment, Einkaufserlebnis und Service.“