Einkaufstricks Wie uns Geschäfte reinlegen

Den ganzen Tag über treffen wir Kaufentscheidungen. Doch wir sind nicht so frei wie wir denken. Immer wieder wollen uns die Geschäfte austricksen. Wappnen Sie sich gegen diese Einkaufsfallen.

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Quelle: Fotolia

1. Die goldene Mitte

Von den richtigen Frühstücksflocken über das passende Outfit fürs Büro bis hin zum Großeinkauf am Abend: Den ganzen Tag über treffen wir Kaufentscheidungen. Doch dabei sind wir nicht so frei wie wir denken. Englische Forscher um Paul Rodway von der Universität Chester fanden etwa heraus, dass wir uns bei fast jeder Kaufentscheidung austricksen lassen, ohne es zu merken. Demnach tendieren wir zum Beispiel zu Produkten, die in der Mitte einer Reihe stehen, egal, ob horizontal oder vertikal.

Im ersten Experiment ließen die Forscher 100 Teilnehmer 17 Bilderreihen betrachten und jene Bilder auswählen, die ihnen am besten und am wenigsten gefielen – die Favoriten befanden sich überwiegend in der Mitte der Reihen.

Jene, die den Teilnehmern am wenigsten gefielen, befanden sich am Rand. Clevere Verkäufer stellen ihre Produkte daher gerne in die Mitte.

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2. Genau hinsehen

Auch bei Preisen lauert so manche Falle. Oder haben Sie schon einmal hinterfragt, warum viele Preise mit zwei Neunen enden? Niemand würde behaupten, 2,99 Euro seien deutlich weniger Geld als 3,00 Euro – trotzdem kaufen Menschen schneller und mit weniger schlechtem Gewissen Produkte, die 2,99 Euro kosten.

Das Problem ist, wie unser Gehirn Zahlen verarbeitet. Es kodiert Zahlen so schnell und unbewusst, dass wir die Größe einer Zahl schon feststellen, noch bevor wir sie zu Ende gelesen haben. Dadurch erscheinen 2,99 Euro günstiger als 3,00 Euro. Außerdem versuchen Verkäufer, ihre Kunden mit wenigen Silben zu ködern. Das Ergebnis: Menschen empfinden Preise als kleiner, wenn sie weniger Silben haben.

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Zwar liest sich kaum jemand die Preisschilder im Supermarkt laut vor. Doch einer Untersuchung von Keith Coulter von der Universität Worcester zufolge ist das egal, da unser Gehirn automatisch die Silben zählt. Auch wenn zwei Preise die gleiche geschriebene Länge haben, empfindet der Mensch den phonetisch längeren Preis als höher. Kostet T-Shirt A 27,82 Euro (neun Silben) und T-Shirt B 28,11 Euro (fünf Silben), greift der Kunde eher zum zweiten Shirt.

3. Raus aus der Preisfalle

Große Zahlen schrecken Käufer zunächst ab. Viele Verkäufer versuchen ihre Kunden damit zu ködern, dass sie Waren zunächst zu einem zu hohen Preis anbieten, um sie dann reduzieren und somit attraktiver machen zu können. In einem Experiment zeigte der renommierte Verhaltensökonom Dan Ariely Teilnehmern verschiedene Produkte und fragte sie, ob sie sie für den Preis kaufen würden, der den letzten beiden Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer entspricht.

Von „Mogelmilch“ bis Schummel-Schinken
Die Mogelpackung des Jahres ist nach Ansicht von Verbrauchern die Bebe Zartcreme. In einer Online-Abstimmung der Verbraucherzentrale Hamburg votierte knapp ein Drittel von insgesamt mehr als 26.000 Verbrauchern für das Kosmetikprodukt aus dem Hause Johnson & Johnson, wie die Verbraucherschützer am Montag mitteilten. Die Bebe Creme ist ihren Angaben zufolge durch neue Füllmengen um bis zu 84 Prozent teurer geworden. Quelle: Screenshot: bebe
Die Verbraucherzentrale Hamburg verleiht den Negativpreis Mogelpackung des Jahres seit 2013. An der Wahl 2016 nahmen insgesamt 26.132 Verbraucher teil, sechs Mal so viele wie im vergangenen Jahr. 2014 erhielt die Windelmarke Pampers von Procter & Gamble den Negativpreis. Diese Produkte waren in diesem Jahr nominiert... Quelle: dapd
Der Konsumgüterriese hat im vergangenen Jahr die Füllmenge seiner Dentagard-Zahnpasta von 100 Milliliter auf 75 Milliliter reduziert. Doch die Tube sei weiterhin in den meisten Drogerien und Supermärkten zum gleichen Preis verkauft worden, sagen die Verbraucherschützer. Der geschrumpfte Inhalt entspreche einer versteckten Preiserhöhung von 33,3 Prozent. Quelle: Screenshot: Dentagard
Auf den ersten Blick wurden die Schinkenspezialitäten von Herta sogar billiger. Statt 2,19 Euro oder 2,29 Euro kosteten sie laut Verbraucherzentrale nur noch 1,89 Euro oder 1,99 Euro. Gleichzeitig sei die Füllmenge der neuen Packungen aber drastisch reduziert worden – von 150 auf 100 Gramm. Dadurch ergebe sich eine Preiserhöhung von rund 30 Prozent. Quelle: Screenshot: Nestlé
Bei der sogenannten Kopfsteher-Flasche seines Curry Ketchups hat das Unternehmen die Füllmenge von 500 auf 400 Milliliter reduziert. Da gleichzeitig auch der Preis etwas gestiegen sei, entspreche das einer versteckten Preiserhöhung von bis zu 28 Prozent, beklagen die Verbraucherschützer. Zudem sei die ganze Palette der verschiedenen Heinz-Kopfsteherflaschen kleiner geworden. Quelle: Screenshot: Heinz
Der Kaffeekonzern hat die Füllmenge der Kapselpackung um fast die Hälfte reduziert. Sie sank von 475,2 auf 264 Gramm. Außerdem hat das Unternehmen laut den Verbraucherschützern statt echter Milch in Form von Vollmilchkonzentrat nun „Mogelmilch“ verwendet. Diese werde aus Sahneerzeugnis, Milchproteinen, Milchmineralien und Wasser zusammengefügt und von Verdickungsmittel zusammengehalten. Quelle: Screenshot: Jacobs

Kurios: Obwohl die beiden Zahlen nichts miteinander zu tun hatten, beeinflusste die Nummer die Zahlungsbereitschaft. Teilnehmer mit einer kleinen Endziffer wollten im Schnitt 8,64 Dollar für den Wein zahlen, jene mit einer großen Zahl 27,91 Dollar. Ariely nennt das Ankereffekt. Demnach sucht unser Gehirn nach Vergleichswerten, um den Wert einer Sache zu bemessen – und lässt sich dadurch manipulieren.

4. Die Qual der Wahl

Die Psychologin Sheena Iyengar von der Columbia-Universität in New York bot vor einigen Jahren in einem Lebensmittelgeschäft exotische Fruchtaufstriche zum Probieren an. Mal standen dabei nur 6, mal 24 Sorten zur Wahl. Erwartungsgemäß traten mehr Kunden an den Stand heran, wenn das Sortiment umfangreicher war – es machte optisch deutlich mehr her. Doch nur drei Prozent der Probekoster kauften tatsächlich ein Glas. Von dem kleineren Angebot nahm dagegen rund jeder dritte Interessent eine Marmelade mit nach Hause.

Die Wahrheit über den König Kunde

Eine große Palette an Angeboten kann also überfordernd wirken – wer unzählige Kaufoptionen hat, fühlt sich am Ende wie gelähmt und kauft im Zweifel gar nichts. Der amerikanische Psychologe Barry Schwartz nennt es das Paradox der Wahlmöglichkeiten. Bei kleinen Kaufentscheidungen ist es nicht so wichtig. Irgendwann wissen wir, dass wir am liebsten Nuss-Nugat-Creme essen anstatt Pfirsich-Marmelade. Geht es um Kleidung, Autos oder Immobilien, macht ein Mehr an Auswahl dagegen unglücklich.

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5. Der Kunde ist kein König

Die Kanadier Darren Dahl und Morgan Ward von der Sauder School of Business und der Cox School of Business legten 359 Probanden hypothetische Einkaufsszenarien vor. Darin wurden sie von Verkäufern verschiedener Bekleidungsfirmen entweder neutral-freundlich oder herablassend behandelt. Anschließend sollten die Freiwilligen die Produkte bewerten und angeben, wie viel Geld sie dafür bezahlen würden.

Das überraschende Ergebnis: Werden Kunden schlecht behandelt, sind sie bereit mehr zu zahlen und finden die angebotenen Produkte begehrenswerter. Die alte Maxime vom König Kunden ist damit zwar nicht ganz hinfällig, schließlich wollen Kunden auch in Luxusgeschäften auf Augenhöhe angesprochen werden. Trotzdem kann eine Prise Arroganz den Käufer einlullen. Also Augen und Ohren auf beim Erwerb von Luxusgütern.

6. Warm anziehen

Wer einfach entspannt durch die Stadt bummeln und dabei nicht unbedingt Geld ausgeben möchte, sollte sich warm anziehen. Denn kalte Räume verleiten zu einem emotionaleren und impulsiveren Kauf, während Wärme dazu verleitet, mögliche Kaufentscheidungen noch einmal rational zu überdenken und zu analysieren. Und wer ist nicht schon mal nur für Brot und Käse in den Supermarkt gelaufen und mit einem Einkaufswagen voller Dinge nach Hause gekommen, von denen er nicht einmal wusste, dass er sie braucht?

Den Zusammenhang zur Raumtemperatur entdeckte ein Forschertrio um Rhonda Hadi von der Saïd Business School in einer Studie. Vor allem in Geschäften mit teuren Produkten ist die Klimaanlage daher im Sommer stark aufgedreht, während die Heizung im Winter dagegen nur auf Normalbetrieb läuft.

7. Die Macht der Musik

Auch durch schöne Klänge lassen wir uns zum Kaufen verleiten. Luca Petruzzellis von der Universität Bari ist überzeugt: Musik ist einer der einflussreichsten Faktoren beim Einkaufen, weil sie die Emotionen anregt. In seiner Studie untersuchte er den Einfluss verschiedener Musikrichtungen auf den Käufer. Das Ergebnis: Bekannte und moderne Musik weckt positive Gefühle.

Und siehe da: Wenn wir einen Lieblingssong hören und pfeifend gut gelaunt durch den Laden schlendern, kaufen wir im Glücksrausch deutlich hemmungsloser und gedankenloser ein. Weniger bekannte Hintergrundmusik lenkt Käufer dagegen weniger ab. Somit haben sie Zeit, um Preise zu vergleichen – und den Nutzen eines möglichen Kaufs zu überdenken.

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