Einzelhandel Der Abschied von der Plastiktüte fällt nicht schwer

Plastiktüten wird es in Zukunft deutlich seltener als kostenlose Zugabe zum Einkauf geben. Dazu will sich der Handel aus Umweltschutzgründen verpflichten. Die meisten Verbraucher haben kein Problem damit.

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Der Abschied von der Plastiktüte fällt nicht schwer. Quelle: dpa

Die kostenlose Plastiktüte wird in Deutschland zum Auslaufmodell. Der deutsche Einzelhandel wird sich am (heutigen) Dienstag verpflichten, die umweltschädlichen Tragetaschen in Zukunft immer häufiger nur noch gegen eine Gebühr abzugeben, um so den Verbrauch zu drosseln. Doch den meisten Bundesbürgern fällt der Abschied nicht schwer. Das zeigen die Erfahrungen von Textil-, Buch- und Elektronikhändlern, die bereits auf Plastiktüten als kostenlose Zugabe zum Einkauf verzichten.

Beispiel C&A: Bei der Textilhandelskette kosten Plastiktüten seit dem 1. April pro Stück 20 Cent - egal ob klein oder groß. „Wir treffen auf eine erstaunlich hohe Akzeptanz“, meint Unternehmenssprecher Thorsten Rolfes. Und die Neuerung erreiche ihr Ziel. Bereits in den ersten Wochen sei die Nachfrage nach Plastiktüten um über 50 Prozent gesunken. „Das heißt die freiwillige Selbstverpflichtung des Handels erreicht ihr Ziel“, meint Rolfes.

Auch bei den Elektronikketten Media Markt und Saturn müssen die Kunden seit Jahresanfang für Plastiktüten bezahlen. Je nach Größe variieren die Preise zwischen fünf und 50 Cent. Bevor Deutschlands größte Elektronikmärkte den Schritt wagten, gab es allerdings Testläufe in einigen ausgewählten Märkten. „Das Ergebnis war mehr als beeindruckend. Der Tüten-Verbrauch hat sich um mehr als 80 Prozent reduziert. Auch seitens unserer Kunden haben wir sehr positives Feedback erhalten“, sagt eine Unternehmenssprecherin.

Der Kampf gegen die Plastiktüten

Auch die Mayersche Buchhandlung wagte zum 1. April den Schritt und erntete dafür auf ihrer Facebook-Seite durchweg Lob. „Ich glaube, ich warte schon seit über 15 Jahren darauf, dass sich auch der Buchhandel traut, für Tüten Geld zu nehmen... Endlich!“, schrieb eine Kommentatorin.

Der Textildiscounter KiK hat seit Oktober 2015 keine klassischen Plastiktüten mehr im Angebot. Bringt der Kunde keinen eigenen Beutel zum Einkaufen mit, hat er lediglich die Wahl zwischen Baumwollbeuteln zu Preisen ab 75 Cent und sogenannten Permanenttaschen aus PET zum Preis von einem Euro, um seine Einkäufe nach Hause zu tragen. „Die Umstellung war ein voller Erfolg und wurde von den meisten Kunden sehr positiv aufgenommen“, zieht KiK-Chef Patrick Zahn nach sechs Monaten Bilanz. Insgesamt seien durch den Verzicht auf Plastiktüten allein bei KiK im vergangenen halben Jahr rund 315 Tonnen Plastik eingespart worden.

Mindestens ein Drittel der Textilhändler setzte schon seit längerem auf Papiertüten, statt auf Plastik, berichtet Axel Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels (BTE). Gerade für den Textilhandel sei der Umgang mit Bezahl-Tüten eine schwierige Gratwanderung, meint er. Einerseits reagierten einige Kunden verärgert, wenn sie nach Bekleidungskäufen im Wert von einigen hundert Euro auch noch für eine Tüte zahlen sollten. Andere Kunden nähmen dagegen Anstoß, wenn ihr Einkauf ungefragt in eine kostenlose Plastiktüte verpackt werde.

270.000 Tonnen Plastikmüll treiben auf den Weltmeeren
Fast 270.000 Tonnen Plastikmüll treiben einer neuen Studie zufolge auf den Ozeanen der Erde. Das sei so viel Abfall, wie nicht einmal in 38 500 Müllwagen passen würde, schätzt eine am Mittwoch in dem Fachjournal „Plos One“ veröffentlichte Studie. Es handele sich dabei um mehr als fünf Billionen Einzelteile, heißt es in der Untersuchung. Um zu den Zahlen zu kommen, hatten Forscher zu See mit einem Maschennetz kleine Abfallteilchen gesammelt. Beobachter auf Booten zählten größere Gegenstände auf dem Wasser. Mit Computermodellen wurde für nicht untersuchte Gebiete hochgerechnet, wie viel Müll auch dort schwimmt. Die Studie bezieht sich lediglich auf Plastikabfall an der Wasseroberfläche. Wieviel Material auf dem Meeresboden liegt, erforschten die Wissenschaftler nicht.Foto: NOAA/PIFSC Quelle: Presse
Im Meer vor Griechenland treiben Plastiksäcke. Das Bild stammt aus dem Jahr 2008.Foto: Gavin Parson/Marine Photobank Quelle: Presse
Plastikmüll als Habitat für Meeresbewohner im Pazifik.Foto: Lindsey Hoshaw Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Tromsø in Norwegen.Foto: Bo Eide Quelle: Presse
Angeschwemmter Plastikmüll vor der Küste von Kanapou in den USA.Foto: NOAA/Marine Debris Program Quelle: Presse
Vor der Küste von Hawaii sind etliche Netze angeschwemmt worden.Foto: Chris Pincetich/Marine Photobank Quelle: Presse
Kein seltener Bild: Eine Robbe hat sich in einem Treibnetz verfangen, USA, 2009.Foto: Kanna Jones/Marine Photobank Quelle: Presse

Die inzwischen vorhandene Vielfalt möglicher Alternativen zur kostenlosen Plastiktüte zeigt nicht zuletzt Deutschlands größte Drogeriemarktkette dm. Sie bietet ihren Kunden die Wahl zwischen Bio-Taschen aus 100 Prozent Baumwolle, Papiertaschen überwiegend aus Altpapier, Plastiktüten aus 90 Prozent Recycling-Kunststoff oder Permanenttaschen, die zu 80 Prozent aus ausgedienten PET-Flaschen hergestellt sind. Doch alle müssen bezahlt werden. So wie es im Lebensmittelhandel schon lange üblich ist.

Bei den meisten Bundesbürgern rennen die Vorreiter der Plastiktütengebühr ohnehin offene Türen ein. Bei einer kürzlich veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov erklärten 80 Prozent der Befragten, sie fänden es „sehr gut“ oder „eher gut“, dass immer mehr Geschäfte Geld für Kunststofftaschen nehmen. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) plädierte sogar dafür, dass die Ausgabe von Plastiktüten in Geschäften komplett verboten werden sollte. Die Zahl der Gegner der Plastiktüten-Gebühr war dagegen mit 15 Prozent eher gering.

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