Erfolgsmarkt China Nestlé der Kaffeekapselkönig

Der Schweizer Nahrungsmittelriese hat Umsatz und Gewinn 2012 gesteigert – dank des Wachstums in Schwellenländern und der ungebrochenen Beliebtheit von Nespresso. In China ist das Potenzial für Kaffee riesig.

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Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern konnte dank des Wachstums in Schwellenländern der anhaltenden Beliebtheit der Marke Nespresso, im vergangenen Jahr erneut Gewinn und Umsatz steigern. Quelle: REUTERS

Für die Präsentation seiner Bilanzzahlen der ersten neun Monate des vergangenen Jahres hatte der Schweizer Lebensmittelgigant Mitte Oktober 100 Analysten und Profi-Investoren nach Schanghai einfliegen lassen.  Eine Stadt, die  wie kaum eine andere auf der Welt für Wachstum steht. Der Ausflug in die chinesische Mega-City am Mündungsgebiet des Jangtsekiang mit ihren fast 25 Millionen Einwohnern unterstreicht die Bedeutung des chinesischen Marktes für den Lebensmittelriesen, mit bekannten Marken wie Vittel, Mövenpick, Nespresso, Smarties oder Alete. Nicht nur China, sondern die aufstrebenden Länder allgemein bescherten Nestlé gute Zahlen, in entwickelten Märkten wie Europa oder den USA fiel das Ergebnis bescheidener aus.

Die erfolgreichsten Konsumgüter-Produzenten der Welt
Platz 10: Tyson FoodsDer amerikanische Konzern Tyson Foods hat sich um 15 Plätze verbessert und es somit auf den zehnten Platz geschafft. Dafür mussten andere Platzhirsche, wie das deutsche Unternehmen Beiersdorf, Newcomern aus den Schwellenländern Platz machen. "Um den Anschluss nicht zu verpassen, müssen die etablierten Spieler ihr Wachstum in den BRIC-Staaten und Afrika noch aggressiver als bislang vorantreiben“, erklärt Ludwig Voll, Partner bei OC&C. Quelle: Screenshot
Platz 9: Archer Daniels MidlandEbenfalls aus den USA stammt der Konzern Archer Daniels Midland, der es mit einem Umsatz von 32,7 Milliarden Dollar auf den neunten Platz geschafft hat. Laut der Prognose von OC&C werden es aber auch die Top Ten nicht schaffen, 2012 mehr Umsatz zu erziielen als im Vorjahr. Die Top 30 der Weltrangliste wuchsen in den ersten Monaten in 2012 um 5,4 Prozent, deutlich weniger als die Top 50 in 2011 (plus 8,7 Prozent). OC&C rät daher Unternehmen, ihren Blick nicht nur auf etablierte Länder zu richten, sondern verstärkt Afrika in Betracht zu ziehen. Quelle: Screenshot
Platz 8: JBS BrasilienUnternehmen wie JBS Brasilien machen den Großen aus den USA und Europa schon seit längerer Zeit das Leben schwer. JBS Brasilien ist bereits im Jahr 2010 in das Rankin g eingestiegen und konnte sich nun noch einem nach vorne kämpfen. Mit einem im Jahr 2011 erzielten Umsatz in Höhe von 35,2 Milliarden Dollar schaffte es der Konsumgüterhersteller auf Platz acht. Quelle: Screenshot
Platz 7: Anheuser-Busch InBevAnheuser Busch ist die größte Brauerei der Welt und hat sich erst Ende Juni den mexikanischen Corona-Produzenten Grupo Modelo einverleibt. Der Belgische Konzern erreicht mit 39 Milliarden Dollar Umsatz (Jahr 2011) den siebten Platz. Ob Anheuser-Busch im nächsten Jahr seine Position verteidigen kann, ist allerdings fraglich. Chehab Wahby, International Managing Partner bei OC&C, fasst die Lage der Europäer und Amerikaner so zusammen: "Es wird insgesamt ein harter Kampf und es bleibt abzuwarten, wer sich in 2012 unter den Größten der Branche halten kann. Die Konkurrenz aus den Schwellenländern wird auf jeden Fall zunehmen. Es ist gut möglich, dass erstmals ein chinesisches Unternehmen den Sprung in die Top 50 schafft" Quelle: REUTERS
Platz 6: Coca-ColaAuf den sechsten Platz kommt der amerikanische Coca-Cola-Konzern mit einem Umsatz in Höhe von 46,5 Milliarden Dollar. Das Unternehmen schaffte auf dem überwiegend gesättigten europäischen Markt überdurchschnittliche Wachstumsraten - und zwar dank dem Nischenanbieter und Smoothie-Hersteller Innocent, an dem Coca Cola seit 2010 einen Anteil von 50 Prozent hält. Quelle: dpa
Platz 5: Kraft Foods54,4 Milliarden Dollar Umsatz im vergangenen Jahr bescherten dem US-Konzern Kraft Foods den fünften Platz im Ranking. Nachdem die Top 50-Konzerne 2010 ein erstaunliches Wachstum von 7,9 Prozent verzeichneten, konnten sie sich 2011 nochmals verbessern und erzielten ein Umsatzplus von 8,1 Prozent. Die Gewinne sind ebenfalls gestiegen, auch wenn die Profitmarge wegen hoher Rohstoffpreise nicht zu halten war und um 0,2 Prozent auf 15,8 Prozent gesunken ist. Quelle: REUTERS
Platz 4: Unilever Der britisch-niederländische Konzern Unilever erwirtschaftete vergangenes Jahr einen Umsatz in Höhe von 64,7 Milliarden Dollar. Das reicht für Platz vier. Zu den in Deutschland bekanntesten Produkten des Konsumgüterherstellers gehören unter anderem die Hygiene- und Kosmetikmarken Axe, Dove und Rexona, die Reinigungsmarken Domestos und Viss sowie die Lebensmittelmarken Becel, du darfst, Lätta, Pfanni, Mondamin und Rama. Quelle: dpa

China ist der wichtigste Wachstumsmarkt der Schweizer aus der beschaulichen Kleinstadt Vevey am Nordostufer des Genfer Sees. Mehr als 30 Fabriken betreibt Nestlé in China. Pro Tag werden 35 Millionen Produkte verkauft, mehr als 90 Prozent dieser Artikel produziert Nestlé vor Ort. Die Produktionskraft der  Fabriken ist beeindruckend: Totole in Schanghai, wo Suppe, Bouillon und andere Würzmittel hergestellt werden, verarbeitet pro Tag 300.000 Hühner, 150.000 Zwiebeln und vieles mehr. Für Milchprodukte kauft Nestlé pro Jahr 700.000 Tonnen Milch und 10.000 Tonnen Kaffee ein. 17.000 Bauern wurden deshalb von Nestlé-Agronomen speziell ausgebildet.

Erfolgsgeschichte China

Nestlé hat sich in aufstrebenden Ländern geschickt positioniert. Vor allem China ist eine Erfolgsgeschichte für die Schweizer. Die Übernahme von traditionellen chinesischen Unternehmen wie den führenden chinesischen Süßwarenhersteller Hsu Fu Chi oder die in Milchprodukten dominante Yinlu macht Sinn. Dadurch wird Nestlé bei vielen Produkten sogar als lokaler Anbieter wahrgenommen und gewinnt eine engere Bindung zu den Verbrauchern. Zudem können die Schweizer chinesisches Know-how anzapfen und so weiter expandieren. China bietet trotz des gewaltigen Wachstums der vergangenen Jahre noch viele Entwicklungsmöglichkeiten. Heute kaufen erst 300 Millionen der mehr als 1,3 Milliarden Chinesen  Nestlé-Produkte. Nestlé-Chef Paul Bulcke will die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in China verdoppeln und neue Zentren in den Städten Xiamen und Dongguan eröffnen.

An der Ausnahmestellung Chinas im Zahlenwerk der Schweizer hat sich auch drei Monate später nichts verändert. Während die Erlöse in Europa nur um 2,4 Prozent zunahmen, kletterten sie in Asien, Afrika und Ozeanien um mehr als 10 Prozent. Insgesamt erlöste der Konzern im vergangenen Jahr 92,2 Milliarden Franken, das sind umgerechnet rund 75 Millionen Euro und damit gut zehn Prozent mehr als noch vor einem Jahr.

Das organische Wachstum, das Wechselkurseinflüsse und Firmenzukäufe ausklammert, erreichte 5,9 Prozent. Den Gewinn verbesserte Nestlé um 1,1 Milliarden auf 10,6 Milliarden Franken. Damit traf Nestlé exakt die Erwartungen der Analysten.

Hoffnungen liegen im Kaffeegeschäft

Kaffee in der Kapsel
Der Siegeszug der Kaffeekapselsysteme ist ungebrochen. Vor allem der Marktführer Nespresso konnte mit der Palette an bunten Kapseln die Verbraucher überzeugen. Wurden 2005 in Deutschland etwa 400 Tonnen Kaffee in Kapseln verkauft, waren es 2010 bereits 5100. Alle führenden Produzenten bieten inzwischen Systeme an, zuletzt kam in Deutschland die italienische Marke Illy mit ihrem Iperespresso hinzu. Quelle: dapd
Der Vorzug der Kapselmaschinen gegenüber klassischen Siebträgern ist die spielend leichte Bedienung, der geringere Stromverbrauch und die geringere Größe der Maschinen; zudem kann das Kaffeemehl nicht oxidieren. Die Nachteile: ein deutlich höherer Kilopreis des Kaffees von mindestens 37 Euro, die geringere Vielfalt an Bohnen und die nicht kompatiblen Systeme. Die Kunden müssen sich für eine Marke entscheiden, die Kapseln der Anbieter passen nicht in die Maschinen anderer Anbieter. 4 Kaffeesysteme im Vergleich: Quelle: dpa
IllyPreis der Maschinen: 155 bis 500 Euro je nach AusstattungPreis pro Kapsel: 42 bis 45 CentVielfalt der Sorten: Vier Espressoröstungen, davon eine entkoffeinierteBesonderheiten: Die Kunststoffkapseln werden über die gelbe Tonne entsorgt Quelle: Presse
CafissimoPreis der Maschinen: 49 bis 89 Euro je nach AusstattungPreis pro Kapsel: 25 bis 40 CentVielfalt der Sorten: Neun Röstungen für Espresso bis Caffè Crema für große TassenBesonderheiten: Neben den Standartröstungen regelmäßig Editionen für kurze Zeit Quelle: Presse
TassimoPreis der Maschinen: 110 bis 200 EuroPreis pro Kapsel: 30 bis 33 Cent (für die Kaffeevarianten)Vielfalt der Sorten: 26 Kaffees von Jacobs Krönung bis Café Hag. Dazu Tees, Schokoladen und MilchkaffeeBesonderheiten: Sehr große Auswahl an Heißgetränken bis hin zum Milchschaum Quelle: Presse
NespressoPreis der Maschinen: 100 bis 500 Euro je nach AusstattungPreis pro Kapsel: 35 bis 42 CentVielfalt der Sorten: 16 Röstungen, zusätzlich regelmäßig SondereditionenBesonderheiten: Große Geräteauswahl verschiedener Hersteller Quelle: Presse

Und im laufenden Jahr peilt der Konzern unbeirrt von der Weltkonjunktur erneut ein organisches Wachstum von fünf bis sechs Prozent an, sowie eine steigende Marge.

Auch operativ schaffen es die Schweizer, immer noch ein Stück effizienter zu arbeiten. Die operative Marge ist im vergangenen Jahr um 0,2 Prozent auf 15,2 Prozent gestiegen. Insgesamt betrug das operative Ergebnis mit 14,0 Milliarden Franken 11,8 Prozent mehr als 2011.

Nestlé ist auf verschiedenste Bereiche ausgerichtet und hat es verstanden, Erfolgsrezepte aus Schwellenländern frühzeitig auf krisengeschüttelte Länder in Europa zu übertragen. So werden Nahrungsmittel in für jedermann erschwinglichen Kleinstgrößen, wie sie ursprünglich für Länder wie Indien auf den Markt kamen, mittlerweile in wirtschaftlich gebeutelten Staaten wie Griechenland und Spanien angeboten. Diese sogenannten Popularly Positioned Products, Einsteigerprodukte wie portionierter Nescafé, laufen nach Unternehmensangaben  zweieinhalbmal besser als der Durchschnitt.

Dennoch macht das Wachstum in Europa und den USA den Schweizern zu schaffen. Auf dem europäischen Kontinent konnte Nestlé lediglich ein organisches Wachstum von 1,8 Prozent realisieren, bei Erlösen in Höhe von 15,4 Milliarden Franken. Etwas besser fiel das Wachstum in den USA aus. Dort konnten die Schweizer bei Umsätzen in Höhe von 29 Milliarden Franken das organische Wachstum um etwas mehr als fünf Prozent steigern.

Erneut mit zweistelligen Wachstumsraten konnte die Kaffeemarke Nespresso glänzen. Verantwortlich dafür waren die Expansion der Marke in der Asien-Pazifik-Region und den USA sowie fünf neue Grand Cru-Kaffeesorten und zwei neue Maschinentypen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 52 neue Nespresso-Läden eröffnet. Damit hat die Kult-Kaffee-Marke rund um den Werbeträger George Clooney nun mehr als 300 Filialen in 48 Ländern.

Von den 4.000 Marken der verschiedenen Produktkategorien des Konzerns erzielen 29 einen Umsatz von je mehr als 1 Milliarde Franken. Viel verspricht sich Nestlé vom Kaffeegeschäft: In China werden pro Person jährlich nur drei Tassen Kaffee getrunken, zwei davon sind Nescafé. Das Potenzial ist riesig. In Taiwan werden schon 100 Tassen im Jahr getrunken, in Hongkong 170. Ein großer Erfolg ist das auf den chinesischen Geschmack ausgerichtete Smoovlatte. Das Kaffeemilchgetränk kaufen auch Konsumenten, die bisher kaum Kaffee getrunken haben.

Nestlé Health Science

Aufstrebende Länder gewinnen für Nestlé rasch an Bedeutung. Zurzeit erwirtschaftet der Konzern rund 40 Prozent des Umsatzes in Schwellenländern, bis 2020 sollen es 50 Prozent sein. Aus guten Grund: Schließlich leben vier Fünftel der Weltbevölkerung in Schwellenländern, 90 Prozent der Kinder werden dort geboren. Besonders China sorgt für Wachstumsfantasie. In den letzten drei Jahren ist Nestlé dort organisch um 16 Prozentpunkte gewachsen.

Etabliert hat sich mittlerweile auch die Nestlé Health Science-Sparte. Erst seit 2011 hat Nestlé Health Science seine operative Tätigkeit aufgenommen, beschäftigt weltweit 3.000 Mitarbeiter und erlöst einen Umsatz von zwei Milliarden Franken. Health Science bietet Nahrungsmittel an, die chronische Krankheiten wie Diabetes, Fettleibigkeit oder Alzheimer verhindern oder in ihren Folgen mildern sollen.

Zwar macht das Geschäft mit Medical Food bisher nur einen Bruchteil des 90 Milliarden Franken schweren Konzerns aus. Doch die Aussichten sind vielversprechend. Das langfristige Marktpotenzial der medizinischen Ernährung wird von Marktforschern auf 100 bis 150 Milliarden Franken geschätzt. Davon möchte sich Nestlé ein dickes Stück abschneiden. Zudem sind die Margen in diesem Graubereich von Nahrungsmitteln und Pharmaerzeugnissen weit höher als bei konventionellen Lebensmitteln.

Die Produkte von Nestlé Health Science sind nicht im Supermarkt zu finden. Sie werden in der Regel vom Arzt empfohlen und sind in Apotheken oder speziellen Drogerien erhältlich. Nestlé richtet sich mit seinen Produkten an Gesundheitsexperten und nicht an Endverbraucher.

Nestlé ist hinter dem amerikanischen Konzern Abbott weltweit die Nummer zwei in der Gesundheitsernährung und besonders stark in den USA, Europa, Asien und Südamerika vertreten. In den USA wird Nestlé Health Science dank der Wiederwahl Obamas, der seine Gesundheitsreform weiter vorantreiben will, wohl noch stärker werden.

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