Ernährungsindustrie Deutschland ist kein Discounterland mehr

Deutsche geben wenig für Lebensmittel aus? Stimmt nicht ganz, sagt die Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Stefanie Sabet. Aber sie schmeißen zu viel weg.

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Gut ein Viertel der Deutschen ist bereit, für Lebensmittel mehr auszugeben, wenn die Produkte Bio oder nachhaltig sind. Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Frau Sabet, Deutschland liegt auch 2016 weit unter dem EU-Durchschnitt bei den Ausgaben für Lebensmittel, etwa zehn Prozent seines Einkommens gibt der Deutsche für Essen und Trinken aus. Das ist doch keine gute Nachricht für die Lebensmittelindustrie. Trotz des Umsatzes von 170 Milliarden Euro pro Jahr könnten die Umsätze höher sein.
Stefanie Sabet: Im Verhältnis wird weniger als in anderen Ländern für Lebensmittel ausgegeben, aber man muss auch sehen, dass wir in Deutschland ein sehr hohes Einkommensniveau haben. Wenn man das dann in Betracht zieht, ist es gar nicht so wenig. Die Verbraucher in Deutschland haben in jüngster Zeit eine erhöhte Bereitschaft entwickelt, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Das betrifft nicht alle, aber wir haben das in eigenen Studien an konkreten Zahlen festmachen können. Ein Viertel der Konsumenten zahlt mehr an der Ladentheke. Aspekte wie Bio, Nachhaltigkeit und Tierwohl sind da treibende Faktoren. Diese Gruppe gibt im Durchschnitt 16 Prozent mehr Geld ihres Einkommens für Lebensmittel aus.

Deutschland gilt als der schwierigste Markt für Lebensmittelhändler, dominiert vom Preiskampf.
Deutschland als Discounterland, das sehen wir nicht mehr so ganz. Bei den Vertriebsschienen wird immer mehr nach Service gefragt. Wir haben einen Discountanteil von etwa 43 Prozent, dieser ist relativ konstant. Es gewinnen die qualitätsorientierten Vertriebsschienen.

Ernährungsindustrie 2017

Lebensmittel unterliegen einer geringeren Teuerungsrate als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Auch das sind keine gute Nachricht für die Ernährungsmittelindustrie, oder?
Stabile Lebensmittelpreise sind für das Konsumklima wichtig. Natürlich müssen die Preise auch immer widerspiegeln, was auf der Kostenseite passiert. Es ist unser großes Anliegen, dass da, wo die Produktion teurer wird, weil Aspekte wie Innovationen, Nachhaltigkeit und Tierwohl an Wichtigkeit gewinnen, sich das auch in den Preisen niederschlägt. Mittelfristig muss das zu höheren Verbraucherpreisen führen. Wir sprechen hier von keinen inflationären Sprüngen. Die Frage ist für die Unternehmen, ob genug hängen bleibt, damit sie wettbewerbsfähig sind. Das muss zählen.

Jährlich kommen laut Ihren Angaben 40.000 Produkte dazu, bei insgesamt etwa 170.000 Produkten. Ganz schön viel Austausch. Was sind die Ursachen?
Zunächst einmal verschwinden zwei Drittel der Produkte nach zwei Jahren vom Markt. Nur ein Drittel übersteht diese Frist. Wir haben da eine starke Fluktuation. Als Innovation zählen wir beispielsweise aber auch eine neue Geschmacksrichtung eines Frischkäses. Das wünscht der Verbraucher. Er möchte Abwechslung und Vielfalt. Wir haben viele neue Ernährungstrends in den vergangenen Jahren gesehen, auf die sich die Industrie einstellt.

Sind Innovationen nötig, weil immer weniger Menschen Zeit, Können oder Muße haben, selber zu kochen und Convenience-Produkte verwenden?
Der gesellschaftliche Wandel bringt das mit sich und die Industrie muss sich anpassen.

Das scheint bei dem Umgang mit Lebensmitteln noch nicht so gut zu funktionieren. Von den jährlich elf Millionen Tonnen Lebensmitteln, die weggeworfen werden, stammen rund 60 Prozent aus privaten Haushalten. Nachhaltig klingt anders. Wie ist das zu ändern?
Das ist ein Thema, das alle Beteiligten beschäftigt. Wir sehen die Lösung darin, die Verbraucher aufzuklären. Wir müssen die Abfälle dort bekämpfen, wo sie anfallen. Was bedeutet Haltbarkeit beim Mindesthaltbarkeitsdatum, wie kaufe ich bewusster ein, wie lagere ich richtig, wie habe ich eine richtige Küchenhygiene, was kann ich mit Resten machen, die anfallen? Das sind Fragen, zu denen wir den Verbrauchern Antworten geben müssen, damit sie weniger wegschmeißen.

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