Escada Die letzte Chance des Luxusschneiders

Escada Quelle: dpa

Umsatzrückgang, Entlassungen, Millionenverluste: Die Luxus-Modemarke Escada steckt in der Krise, heute übernimmt die neue Chefin ihren Posten – und tritt zum vielleicht allerletzten Rettungsversuch an.

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Ein Bollywood-Schnulzen-Schreiber hätte sich die Geschichte nicht besser ausdenken können. Im Jahr 2009 übernahm die ebenso schöne wie reiche Inderin Megha Mittal die insolvente deutsche Luxus-Damen-Modemarke Escada, um sie wieder profitabel zu machen und – wie in jedem Filmknüller aus der indischen Filmmetropole – für ein Happy End zu sorgen. Doch leider lässt das bis jetzt auf sich warten.

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Bechstein-Flügel Quelle: C. Bechstein
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Escada hat in den vergangenen Jahren bereits drei Vorstandchefs verschlissen. Ab heute soll es Nummer vier richten: Iris Epple-Righi, eine frühere Calvin-Klein-Managerin, erklimmt den Chefposten des kränkelnden Modeherstellers aus Aschheim bei München. Brancheninsider nennen den Konzern einen „Hardcore-Sanierungsfall“, dem „ein Gegenwind Stärke zehn entgegen bläst“. Epple-Righi übernimmt den wohl schwierigsten Job, den Deutschlands Mode-Industrie gerade zu bieten hat – und sie wagt den vielleicht letzten Versuch, Escada vor dem endgültigen Aus zu retten. Auch wenn Escada selbst das Gegenteil beschwört, glauben viele in der Mode-Zunft: Scheitert die 51-Jährige mit dem Kurzhaarschnitt, könnte Eigentümerin Mittal aus aussteigen – Escada wäre am Ende, falls sich nicht abermals ein Käufer findet.

Der Umsatz sinkt, Escada macht Verlust

Escada, „das war einmal die deutsche Luxus-Damen-Modemarke“, sagt Franz Schmid-Preissler, selbstständiger Strategieberater aus Gmund am Tegernsee und Kenner der Branche. Als 1978 das Ehepaar Margaretha und Wolfgang Ley das Unternehmen gründet , brachte er ein wenig Glanz, gar Glamour in die miefige, spießige Bonner Bundesrepublik der Vor-Wendejahre. Das Ex-Model aus Schweden und der Rheinländer sind ein kongeniales Duo: Sie kümmert sich um das Kreative, er um das Geschäftliche. Sie etablieren Escada als Marke mit farbenprächtigen, ausgefallenen Kollektionen, die Hollywood-Stars wie Kim Basinger und Demi Moore auf dem roten Teppich tragen. Die Firma feiert bis Anfang der 1990er Jahre große Erfolge, expandiert in die ganze Welt, stemmt Übernahmen – und übernimmt sich dabei. „Das Unternehmen hat sich davon nie erholt, es war letztendlich der Grundstein für die Insolvenz 2009“, sagt Schmid-Preissler.

Als Megha Mittal den Konzern 2009 kauft, sind die Hoffnungen riesig: Auf der ersten Mitarbeiterversammlung nach der Übernahme fließen Freudentränen angesichts der Rettung, der damalige Vorstandschef frohlockt, das Unternehmen habe jetzt eine neue Chance zur Blüte – doch Mittals Bilanz ist ernüchternd.

Der Umsatz der Dachgesellschaft Escada SE sackt von 147 Millionen Euro in 2013 auf 137 Millionen Euro in 2014, zeigt der zuletzt veröffentlichte Geschäftsbericht im Bundesanzeiger. 2012 bis 2014 erwirtschaftete das Unternehmen jeweils Verluste, bis zu sieben Millionen Euro in einem Jahr, zeigen die im Bundesanzeiger hinterlegten Bilanzen. Ein Sanierungsprogramm mit dem Titel „Journey to Excellence“ (Reise zur Spitzenleistung) walzt durch den Konzern – und spült rund 200 Mitarbeiter auf die Straße. Bei Escada kullern heute keine Freudentränen mehr.

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Escada fehlt ein klares Profil

Der Konzern kriselt nicht nur, weil die Märkte in China und Russland schwächeln, wo alle Luxushersteller lange gutes Geld verdient haben. Escada unter Neu-Chefin Iris Epple-Righi muss eine Aufgabe meistern, vor der keine andere deutsche Modechefin steht: „Epple-Righi muss die Marke neu und vor allem klar positionieren. Escada ist der Sinn dafür abhandengekommen, wofür das Label steht“, sagt Philipp Prechtl, Mode-Experte der Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner. „Ohne klares Image fehlt Kunden der Grund, sich gerade für Escada zu entscheiden. Sie wissen nicht, was die Marke ausmachen soll und was der Träger dieses Labels verkörpert.“

Ein Drahtseilakt

Escadas Positionierungs-Problem zeigt sich beispielhaft in Düsseldorf in der Nähe der Einkaufsmeile Königsallee, der „Kö“. Das Mode-Unternehmen hat hier vor kurzem eine neue Boutique eröffnet: Im Erdgeschoss gibt es einen eher kleinen Verkaufsraum, ein Aufzug bringt die Kunden in den ersten Stock zu drei Salons. Das Geschäft soll Wohnzimmer-Atmosphäre ausstrahlen, Bescheidenheit. Nur will das Luxuslabel das Konzept gar nicht in all seinen Läden einführen. Das Problem dieser Vorgehensweise ist: „Wie soll der Kunde erkennen, wofür die Marke steht, wenn sich Escada mal familiär gibt wie in Düsseldorf und anderswo immer noch sehr edle Läden unterhält?“, sagt Wieselhuber-Berater Prechtl.

Das sind Europas größte Modekonzerne
Platz 10: CalzedoniaDie Fachzeitschrift „TextilWirtschaft“ untersucht jedes Jahr die Umsätze der größten europäischen Bekleidungshersteller. Die Analyse zeigt: Der Markt steht vor großen Herausforderungen. Zwar konnten die meisten Konzerne wie zum Beispiel Calzedonia wachsen, doch die Krise in Russland und der Ukraine dürfte sich früher oder später in den Bilanzen niederschlagen.Umsatz 2013: 1,60 Milliarden EuroUmsatz 2014: 1,85 Milliarden EuroVeränderung: + 15,4 Prozent Quelle: imago images
Platz 9: Georgio Armani1975 gründete Georgio Armani das Modelabel Armani. Mittlerweile gehört der Konzern zu den Größten der Modebranche. Für Armani arbeiten rund 6500 Menschen. Neben Kleidungsstücken vertreibt Armani außerdem Home-Artikel und Parfüms. Seit 2002 verkauft der Konzern auch Konfiserie-Artikel sowie verschiedene Honig- und Marmeladensorten. Acht Jahre später entstand im Burj Khalifa in Dubai das erste Hotel im Armani-Stil.Umsatz 2013: 1,75 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,00 Milliarden EuroVeränderung: + 14,2 Prozent Quelle: REUTERS
Platz 8: EspritEhemals etablierte Marken sind zu teuren Restrukturierungen gezwungen. So muss sich Esprit auf die Ansprüche der Kunden im digitalen Zeitalter einstellen, heißt es in der Studie von „TextilWirtschaft“. Auch Gerry Weber ist davon betroffen. Darüber hinaus leiden die Modekonzerne auch unter dem starken Dollar, der die Beschaffung verteuert. Esprit trifft es besonders hart. Bei keinem anderen Modekonzern in den Top-20 ist der Umsatz derart stark geschmolzen.Umsatz 2013: 2,35 Milliarden Euro *Umsatz 2014: 2,10 Milliarden Euro**Veränderung: - 10,7 Prozent*Geschäftsjahr 2013/14**Geschäftsjahr 2014/2015 Quelle: REUTERS
Platz 7: KeringDas französisch-italienische Modeunternehmen Kering dürften nur den Wenigsten bekannt sein. Doch mit Labels wie Puma oder Gucci erreicht der Konzern ansehnlich Umsätze. 2014 konnte Kering seinen Umsatz um knapp zwölf Prozent erhöhen.Umsatz 2013: 2,13 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,38 Milliarden EuroVeränderung: + 11,6 Prozent Quelle: REUTERS
Platz 6: Hugo BossDie Edelmarke Hugo Boss ist das zweitgrößte Modeunternehmen Deutschlands. Gegründet wurde es 1924 in Metzingen durch Hugo Ferdinand Boss. Ursprünglich stellte Hugo Boss Berufskleidung her. Unrühmlich ist die Vergangenheit des Konzerns. Im Zweiten Weltkrieg stellte der Konzern die Uniformen für SA, SS und die Wehrmacht her. Dafür wurden unter anderem Zwangsarbeiter aus West- und Osteuropa eingesetzt. Erst nach dem Krieg und dem Tod des Gründers 1948 wurde Hugo Boss zum Modekonzern. Unter der Leitung von Hugo Ferdinand Boss' Schwiegersohn Eugen Holy begann das Unternehmen damit, Herrenanzüge herzustellen.Umsatz 2013: 2,43 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,57 Milliarden EuroVeränderung: + 5,8 Prozent Quelle: dpa
Platz 5: Tommy HilfigerModedesigner Tommy Hilfiger rief 1984 in New York sein eigenes Modelabel ins Leben. Dass der Konzern im Ranking europäischer Modekonzerne gelistet ist, hat er seinem Firmensitz zu verdanken. Tommy Hilfiger sitzt seit 1997 in Amsterdam. 13 Jahre später wurde das Unternehmen durch den US-Konzern Phillips-Van Heusen übernommen.Umsatz 2013: 2,56 Milliarden Euro*Umsatz 2014: 2,70 Milliarden Euro*Veränderung: + 5,3 Prozent*Geschäftsjahr 2013/14**Geschäftsjahr 2014/15 Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 4: Christian DiorDirekt nach dem Krieg gegründet, trug Christian Dior maßgeblich dazu bei, dass sich Paris als Modehauptstadt der Welt etablieren konnte. Insgesamt beschäftigt das Unternehmenskonglomerat über 100.000 Mitarbeiter. Für die Modesparte von Dior arbeiten knapp 3600 Menschen.Umsatz 2013: 2,26 Milliarden EuroUmsatz 2014: 2,70 Milliarden EuroVeränderung: + 19,6 Prozent Quelle: dpa

Escada irritiert seine Kunden

Die fehlende Positionierung wird zum anderen an der neuen Kollektion deutlich. Der Konzern offeriert da etwa ein knallrotes Oberteil mit angeschnittenen Ärmeln, das 280 Euro kostet, einen schwarzen Mantel aus Schurwolle für 1.200 Euro, einen hellbraunen Stehkragenpullover, der mit 340 Euro zu Buche schlägt, und ein Shirt mit aufgedrucktem Blütenmuster, Kosten: 380 Euro. Das Problem bei all diesen Kleidungsstücken ist: Es ist überhaupt nicht erkennbar, dass sie von Escada stammen. Mantel und Oberteil, Shirt und Pullover, sie könnten auch Teil einer Kollektion eines anderen Labels sein. „Escada darf aber nicht nur ohnehin schon bestehende Trends nachzeichnen“, sagt Wieselhuber-Mann Prechtl.

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Auswechselbar zu sein, das ist der Kapitalfehler für Unternehmen wie Escada, das den Anspruch hat, Luxusmarke zu sein und dementsprechend hohe Preise aufruft – die die Kunden nur zahlen, wenn sie das Gefühl haben, einen besonderen Stil kaufen zu können, wenn sie dadurch zur modischen Avantgarde avancieren.

Andere Luxusmarken sind in puncto Positionierung weiter als Escada, etwa Burberry. Die Briten sind durch ihr charakteristisches beige-rot-schwarzes Karomuster bekannt geworden. Das nutzen sie in Schals, Taschen, Oberteile – und grenzen sich so direkt auf den ersten Blick von anderen Labels ab. „Escada dagegen irritiert die noch bestehende Käuferschaft immer wieder und überzeugt kaum neue Kundinnen“, sagt Strategieexperte Franz Schmid-Preissler.

Dazu zieht das Unternehmen kaum neue junge Modebegeisterte an. Viele der Stammkäuferinnen sind älter – und Escada droht gemeinsam mit seinen Kunden allmählich auszusterben, wenn sich nicht bald etwas ändert. Neu-Chefin Iris Epple-Righi muss die Marke also gezielt auf Jüngere ausrichten – und dabei gut achtgeben: Modernisiert sie Escada zu sehr, gehen ihr die Älteren von der Stange, weil die sich nicht mehr ernst genommen fühlen. Dann fehlen in Escadas Kasse die Einnahmen, die das Unternehmen dringend für die Sanierung braucht. Modernisiert Epple-Righi das Label zu wenig, bleiben die Jüngeren weiterhin weg. Es ist ein Drahtseilakt.

Wäre die Geschichte von Escada tatsächlich ein Bollywood-Film, dann begännen gerade die letzten zwanzig, dreißig Minuten dieses Streifens, dann käme jetzt der letzte Cliffhanger, um die Spannung noch einmal in die Höhe zu treiben. Der Held des Films geriete noch einmal in scheinbar unlösbare Schwierigkeiten – und am Ende würde, na klar, doch alles gut gehen. Doch bei Escada gibt es keinen Drehbuchautor, der das Happy End garantiert.

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