Essenskultur Der Boom auf dem Grill hält an

Neun von zehn Deutschen grillen gerne – und das darf auch gerne etwas kosten. Die Konsequenz ist logisch: Die Grillbranche wächst weiter sehr stabil.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Steaks auf dem Grill Quelle: Getty Images

Dass es so gut läuft, konnte sich Patrick Schmiedel kaum vorstellen. 2014 hatte er sich mit einem Geschäftspartner selbstständig gemacht und ein eigenes Unternehmen gegründet. Was in einem Industriegebiet am Rande von Düsseldorf mit zwei Personen begann, hat heute 16 Mitarbeiter – und das Geschäft wächst weiter. „Jedes Jahr haben wir ausgebaut und eine neue Halle dazu gemietet“, sagt Schmiedel. Es geht dabei nicht um ein boomendes IT-Start-up oder ein hippes Klamottenlabel, sondern um einen Grill-Laden mit angeschlossener BBQ-Schule.

Auf rund 500 Quadratmetern dreht sich alles um Fleisch, Feuer und Genuss. Grills und Zubehör verschiedenster Hersteller von bekannten Marken wie Weber und Rösle bis hin zu Manufakturen wie Feuerkraft oder Brennwagen stehen in dem Verkaufsraum, einer alten Industriehalle aus Backstein mit dem entsprechend rustikalen Charme. Die große Auswahl sei auch nötig. „Es ist ein hart umkämpfter Markt“, sagt Schmiedel. „Wir müssen uns von den Baumärkten abheben, die bei Grills auch schon ein sehr breites Angebot haben.“

Der Ansatz des eingängig „Grillfachgeschäft“ genannten Ladens: Sie können jeden Geschmack bedienen, egal ob der Kunde sich einen großen Gasgrill mit mächtigem Prestige in den Garten stellen will oder eine kleine und praktische Lösung für den Balkon der Großstadt-Wohnung sucht. „Hier können wir mit der Beratung und der Auswahl das passende für den Kunden finden“, so Schmiedel. Aber: „Grills zu verkaufen ist ein reines Saisongeschäft. Die Grillschule läuft aber das ganze Jahr.“

Vom guten und schlechten Grillen

Das, was der gelernte Koch und Hobbywinzer als „coolere Kochschule“ beschreibt, trifft ganz offensichtlich den Nerv der Kundschaft. Neben der Grillschule, die direkt an den Verkaufsraum angeschlossen ist, haben die beiden Gründer inzwischen eine zweite Schule eröffnet. Im Schnitt zwölf Kurse können sie so pro Woche anbieten. An manchen Samstagen sind es vier, zwei morgens, zwei abends – und voll ausgebucht. Egal ob Geschäftsführer oder Arbeiter, der Spaß am Grillen geht durch alle Schichten der Gesellschaft.

Seit Jahren regelmäßiges Wachstum, mehr neue Produkte, größeres Interesse der Verbraucher und die Saison wird immer länger – wohl keine Branche in Deutschland kann so ein positives Fazit ziehen wie der Grillmarkt. Egal ob Grill, Fleisch oder Zubehör – die Deutschen kaufen neu, mehr, teurer. Ein Trend der seit Jahren anhält. Der Grill ist für viele längst die zweite Küche – oder einfach ein schönes Hobby.

Die Grillbranche gilt bereits seit einigen Jahren als einer der Garanten für Wachstum im deutschen Gartenmarkt. Rund 1,2 Milliarden Euro wurden laut dem Handelsforschungsinstitut IFH im vergangenen Jahr in Deutschland für Grillgeräte, Brennstoffe und Grillzubehör ausgegeben. Nicht mitgerechnet ist dabei eine wachsende Zahl von Kochbüchern rund ums Grillen.

Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) vermeldete, dass 80 bis 90 Prozent der Deutschen gerne Grillen – und das nicht mehr nur in der Hauptsaison von Mai bis September. Längst wird schon im Frühling gegrillt – und bis in den späten Herbst hinein. Hartgesottene grillen sogar das ganze Jahr über. Und das schlägt sich in den Umsätzen der Branche nieder: Laut GfK wuchs der Grillmarkt in den vergangen fünf Jahren durchschnittlich um zwei Prozent pro Jahr.

Verschiedene Cuts beim Rind

„Grillen ist ein fester Bestandteil der deutschen Essens- und Freizeitkultur geworden“, beschreibt es Peter Wüst, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten e.V. (BHB). „Vor allem die Vielfalt an Grills in allen Größen und Preisklassen sowie die Befeuerung durch Kohle, Gas oder Elektro macht es jedem möglich seiner Lebenssituation entsprechend den passenden Grill zu finden.“ Ein Barbecue mit Freunden im Sommer – oder auch jahreszeitenunabhängig – sei heutzutage gängiger Lifestyle vieler Haus-, Garten- und Balkonbesitzer. Viele Baumarktkunden seien zudem mehr und mehr bereit, in den eigenen Garten und insbesondere in den Grillbedarf zu investieren.

„Der Trend geht zum Zweitgrill“

Laut den Marktforschern vom Handelsforschungsinstitut IFH sind sowohl kleine Modelle beliebt, die bereits für wenige Euro zu haben sind, als auch teure Geräte für bis zu 6000 Euro. Die große Auswahl, die mittlerweile ganzjährlich in den Baumärkten geboten würde, mache das ebenfalls deutlich. „Die Grillbranche ist ein großer und beständiger Markt, in den auch immer mehr Anbieter hineindrängen“, sagt Wüst. Neben den großen Playern entdeckten immer mehr neue Unternehmen die finanzstarke Branche für sich – „vor allem beim Grillzubehör tut sich noch sehr viel“, so Wüst.

„Das Zubehörgeschäft wird immer wichtiger“, stellt auch Christian Lerch vom Kölner Handelsforschungsinstitut IFH fest. Seitdem viele Haushalte bereits mit einem Grill ausgestattet sind, sehen Experten nun einen „Trend zum Zweitgrill“.

Die Mär vom guten Fleisch? Wie es nutzt und wo es schadet

Diese Aussagen kann auch Grillverkäufer Schmiedel bestätigen. Denn neben Gas- oder Holzkohlegrills und Smokern setzt das „Grillfachgeschäft“ auch auf spezielle BBQ-Gewürze und Saucen, die es nicht im Supermarkt und schon gar nicht in der Grill-Ecke des Baumarkts gibt. Im Regal stehen auch einige Artikel mit dem eigenen Logo, etwa Räucherplanken. „Wir wollen nach und nach unsere eigene Zubehör-Linie aufbauen“, sagt Schmiedel. „Das Geschäft gibt es aber noch nicht einmal drei Jahre, deshalb liegt der Fokus erst einmal noch auf dem Laden und den Grillschulen.“

Mit einem einfachen Dreibein-Grill oder einem klassischen Weber-Kugelgrill ist es aber nicht mehr getan: Das Angebot umfasst Gasgrills mit drei, vier oder noch mehr Brennern, Smoker, Keramikgrills und eine fast nicht enden wollende Bandbreite an Zubehör: Wokeinsatz, Pizzastein oder ein Grillthermometer mit App fürs Smartphone, um nur einige Beispiele zu nennen.

Zehn Tipps für gesundes Grillen
Keine Marinade übergießenEgal ob im Park oder auf dem Balkon: So eine Rauchwolke sollte möglichst nicht zu sehen sein. Denn das stinkt nicht nur den Nachbarn, es ist auch ungesund. Vermeiden Sie, dass Säfte aus Fleisch und Marinaden in die Glut tropfen, und übergießen Sie das Grillgut erst recht nicht mit Saucen. Denn der blau-graue Rauch, der dabei aufsteigt, ist krebserregend. Quelle: dpa
Elektrogrill bevorzugenManch einer schwört noch immer auf den guten alten Holzkohlegrill - doch aus Gesundheitsgründen sollten Sie lieber einen Elektrogrill verwenden. Das geht nicht nur schneller, als das Brutzeln über offenem Feuer, es vermeidet auch die krebserregenden Giftstoffe im Rauch. Auch hier sollte man darauf achten, dass keine Marinaden auf die Heizstäbe tropfen. Wer auf rauchigen Geschmack nicht verzichten will, sollte lieber auf spezielle Barbecue-Saucen setzen. Quelle: ZB
Aluschalen nutzenDamit die leckere Marinade an Fleisch oder Gemüse bleibt, kann man Aluschalen oder Alufolie nutzen. Das Grillgut bekommt trotzdem genug Hitze ab, bleibt aber saftiger und ungesunder Rauch wird vermieden. Quelle: Fotolia
Vor Hitze schützenGerade wenn gefeiert wird und das ein und andere Bier fließt, vergisst man gerne welche Hitze beim Grillen entsteht. Verwenden Sie stets Grillwerkzeug wie Zangen oder Wender, um Verbrennungen zu vermeiden. Auch eine gute Grillschürze schützt vor unangenehmer Hitze an Beinen und Bauch - dann müssen Sie nicht hektisch vor dem Grill herumtanzen oder eine verrenkte Haltung annehmen wie der Herr im Bild, um der Hitze zu entgehen. Quelle: dpa
Auch Gemüse und Meeresfrüchte ausprobierenNeben Würstchen und Co. lassen sich auch leckere Gemüsespieße, zum Beispiel mit Pilzen, Zucchini oder Paprika, Maiskolben oder Scampi grillen. Experimentieren Sie ein bisschen herum und bringen Sie Farbe auf den Grill. Quelle: Fotolia
Vorsicht beim Grillen mit GasBesonders leicht können hier Verletzungen entstehen, wenn unnötig Gas austritt. Stellen Sie sicher, dass alles dicht ist, der Grill auf einem stabilen Untergrund steht und nutzen Sie ihn nur im Freien. Quelle: Fotolia
Kräuter schützen vor krebserregenden StoffenKräuter wie Rosmarin, Thymian oder Oregano, aber auch Knoblauch, können die Entstehung von krebserregenden Stoffen im Grillgut verhindern. Eine Studie um den US-Forscher J. Scott Smith zeigte, dass Marinaden, die reichlich Antioxidantien enthalten, die Entstehung von krebserregenden Stoffen im Grillfleisch um bis zu 87 Prozent reduzieren können. Quelle: Fotolia

Grundsätzlich ist die Variation rund um den deutschen Grill größer geworden: „Vom Sous-Vide-Garen im Wasserbad, das auch auf dem Grill geht, über Hochtemperaturgrills, die 800 Grad Celsius erreichen können, bis hin zu den Kamados gibt es heute die unterschiedlichsten Varianten“, sagt Dirk Ludwig, Fleischexperte und Chef der traditionsreichen Familienmetzgerei Ludwig, die ihr Fleisch seit einigen Jahren auch online vermarktet. „Dazu gehören auch der Plancha-Grill – eine aus Spanien stammende Grillplatte, die sehr schnell Temperaturen von bis zu 350 Grad Celsius erreicht und auf der das Grillgut gleichmäßig gart oder die Kamados – aus Japan stammende Kugelgrills aus Keramik, mit denen man auch größere Stücke wie Beef Brisket oder Pulled Pork über mehrere Stunden langsam grillen kann.“

Auf dem Grill liegen in Deutschland zwar noch immer Würstchen, aber die sind längst nicht mehr in Gesellschaft von Kotelett und Co.: „Das dick geschnittene und schon fertig marinierte Schweinenackensteak ist lange nicht mehr so gefragt“, sagt Ludwig. Der Metzgermeister sieht den Trend in eine andere Richtung: Die Verbraucher kauften ihr Fleisch immer häufiger roh und frisch, um es zuhause ganz individuell mit selbstgemachten Gewürzmischungen, Marinaden und Saucen zu würzen und zu veredeln. „In den letzten Jahren hat sich bei den Deutschen zum Glück das Bewusstsein für Qualität verändert, und zwar in eine positive Richtung“, so Ludwig. „Es wird nicht nur mehr Geld in gutes Grillequipment investiert, sondern endlich auch darauf geachtet, was schließlich auf dem Grill landet. Und das soll nicht mehr die Bratwurst aus dem Supermarkt für 50 Cent sein.“

„Was das Grillfleisch angeht, ist bei uns in diesem Jahr eindeutig unser Steak des Jahres, das Flat Iron Steak, sehr gefragt“, so Ludwig. „Ansonsten stehen eigene Burgerkreationen hoch im Kurs, weil sie so abwechslungsreich sind.“ Dieser Trend sei ebenfalls weiterhin sehr stark und noch lange nicht vorbei.

„Die Deutschen sind beim Grillen wesentlich experimentierfreudiger geworden und werden durch die zahlreichen Grillbücher oder Foodblogger im Internet angespornt, auch mal etwas Ausgefalleneres zu probieren. Es geht auch ein bisschen darum, den eigenen Horizont zu erweitern“, beschreibt Ludwig die Entwicklung. „Außerdem beschäftigen sich immer mehr Menschen intensiv mit dem Grillsport. Man könnte sagen: Heckspoiler am Auto sind out, heute sind Grills in.“

Mit Material von dpa

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%