Fairtrade-Standard 14 Cent für ein grünes T-Shirt

Als eine Textilfirma in Bangladesch einstürzte, versprach die Modebranche Besserung. Es hat sich etwas geändert, aber nicht genug. Wie die Organisation Transfair und Konzerne nun das Leben der Arbeiter verbessern wollen.

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Eine Näherin bei der Arbeit: Ihre Arbeitsbedingungen sollen besser werden. Quelle: dpa

Berlin Für Kakaobohnen, für Kaffee und für Schnittblumen gibt es ihn schon, aber nicht für das wichtige Thema Kleidung. Das will Dieter Overath ändern. Der Vorstandsvorsitzende der Organisation Transfair stellte auf der grünen Modemesse „Ethical Fashion Show“ im alten Berliner Postbahnhof den ersten Textilstandard von Fairtrade vor.

„Es gibt jede Menge runde Tische zum Thema faire Löhne in der Textilindustrie“, sagte Overath, „aber in der Praxis der Zulieferer in Indien und Bangladesch ändert sich zu wenig“, begründete er seine neue Initiative. Er will dies mit einem Standard erreichen, der die ganze Lieferkette umfasst von der Baumwollproduktion bis zu den Fabriken in Asien, wo die Hosen, Röcke und Hemden genäht werden.

Damit dies keine blasse Theorie bleibt, hat Overath drei Modeunternehmen für sein Projekt gewonnen. Dazu gehören die Firmen 3Freunde, Shirts for Life und Melawear. Das Unternehmen 3Freunde aus Konstanz am Bodensee hat bereits T-Shirts aus Fairtrade-Baumwolle im Programm. Geschäftsführer Stefan Niethammer will aber einen Schritt weitergehen und „auch die Lieferkette nach Fairtrade-Standards zertifizieren lassen“, wie er in Berlin sagte.

Damit will Overath vor allem sicherstellen, dass in den Fabriken in Ländern wie Bangladesch oder Indien den Arbeitern Löhne gezahlt werden, die für deren Familien zum Lebensunterhalt reichen: also für Ernährung, Wohnen, Gesundheit und Bildung. So hat er ein Programm erarbeitet, womit die teilnehmenden Unternehmen dafür sorgen, dass die Zulieferer nach sechs Jahren existenzsichernde Löhne zahlen. Bis dahin sollen die Löhne schrittweise erhöht werden.

Seit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch rücken in der Modebranche die Produktionsbedingungen in Asien in den Vordergrund. Eine Antwort auf die vielen Probleme der Textilproduktion in Entwicklungsländern ist das von der Bundesregierung angeschobene Textilbündnis.

Warum gibt es neben diesem Gremium, in dem nahezu die gesamte Modebranche vertreten ist, jetzt noch einen Fairtrade-Standard? „Die Idee des Textilbündnisses ist gut“, sagt Ulrich Hofmann, Gründer der Marke Shirts for Life, „aber mit dem Fairtrade-Programm gibt es nun ein ganz konkretes Instrument für Verbesserungen vor Ort“.

So hat Henning Siedentopp, Geschäftsführer von Melawear, der Textilien wie Pullover für den Massenmarkt produzieren will, bei seinem indischen Lieferanten erste Änderungen erreicht. „Wir lassen jetzt verstärkt in solchen Zeiten fertigen, in denen sonst Leiharbeiter beschäftigt werden.“ So will er dafür sorgen, dass einige von ihnen eine Festanstellung erhalten.

Damit sich die Lieferkette für die weltweit rund 30 Millionen Beschäftigten in der Textilindustrie ändert, arbeitet Fairtrade auch mit dem Produzentennetzwerk NAPP in Indien zusammen. Deren Leiter für Standards und Preissetzung, Raju Ganapathi, lobte den neuen Textilstandard, weil er die Beschäftigten „in Entscheidungs- und Lösungsprozesse einbeziehe“. So bietet die NAPP den Fabrikbesitzern und deren Mitarbeitern Trainings zum Umwelt- und Gesundheitsmanagement oder zur Versammlungsfreiheit an.


Fair-Share-Shirts in 25 Shops in Deutschland

Ob sich mehr Unternehmen dem neuen Textilstandard und dem dazugehörigen Programm anschließen, ist offen. Die Modebranche sehe das Projekt zur Zeit kritisch, sagte Overath. „Aber das war genauso, als wir vor 25 Jahren den Fairtrade-Standard für Kaffee eingeführt haben“, macht er sich Mut. Inzwischen haben große Anbieter wie Tchibo oder Aldi die Prinzipien übernommen. Er verweist darauf, dass der Anteil des fairen Handels bei Schnittblumen schon bei 25 Prozent liegt.

Dass es gelingt, für fair produzierte Textilien auch höhere Preise zu erreichen, testet gerade die britische Continental Clothing. Das Unternehmen, das Merchandising-T-Shirts für Rockstars wie Neil Young produziert, hat in Südindien 125.000 T-Shirts fertigen lassen und zahlte den Arbeitern einen um 50 Prozent höheren Lohn: statt des staatlichen Mindestlohns von umgerechnet 100 Euro pro Monat dann 150 Euro.

„Das erhöht den Preis des T-Shirts ab Fabrik nur um 14 Cent“, sagt Mark Starmanns, der mit seiner BSD Consulting das Projekt begleitet. Das Fair-Share-Shirt soll in 25 Shops in Deutschland verkauft werden.

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