Fischerei Leere Meere, volle Teller

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»Die Menschen führen Krieg gegen die Fische«

Hai-Floßen für 400 US-Dollar in in Hong Kong: Das gefährlichste Raubtier der Weltmeere ist der Mensch. Quelle: REUTERS

Ein paar Jahrzehnte industrieller Fischerei mit Trawlern und Schleppnetzen genügten, um dem Bestand an Gadus morhua den Garaus zu machen. Als der kanadische Fischereiminister 1992 den Kabeljaufang stoppen ließ, war es schon zu spät. Wer heute Kabeljau isst, hat welchen aus Island oder aus Norwegen auf dem Teller – aber keinen mehr aus den ehemals reichen Beständen vor Neufundland.

Dabei berücksichtigen die Fangzahlen der Welternährungsorganisation FAO noch gar nicht die illegale und die unregulierte Fischerei. Gezählt wird auch nur das, was letztendlich an Land ankommt. Tonnen von Tieren aber landen tot oder halb tot wieder im Meer: Delfine und Meeresschildkröten, die sich in den Netzen verfangen haben, Seevögel, die sich auf den Köder einer Leine im Wasser gestürzt haben, Seesterne, Tintenfische und Krebse. Zurückgeworfen werden auch Fische, die zu klein für einen rentablen Verkauf sind. Das sind meist junge Tiere, die sich noch nicht vermehrt haben. So werden die Bestände zusätzlich dezimiert.

Wie viel dieser Beifang ausmacht, dazu gibt es nur vorsichtige Schätzungen. Die EU-Kommission geht von mindestens 23 Prozent des Gesamtfangs aus, Umweltschützer rechnen, dass im Lauf eines Jahres 30 Millionen Tonnen Tiere ins Meer zurückgeworfen werden. Einer Studie des WWF zufolge sind es allein im Südostatlantik jährlich sieben Millionen Haie und Rochen.

Und während so Fischbestand um Fischbestand zusammenbricht, entdecken die Fischer immer neue Arten, die sich vermarkten lassen. Ist eine Region leer gefischt, ziehen die Fangflotten weiter – Fische sind ein Allgemeingut, das derjenige zu Geld machen kann, der sich seiner am rücksichtslosesten bemächtigt. Nicht der weiße Hai ist das gefährlichste Raubtier der Weltmeere, sondern der Mensch. »Die Menschen führen Krieg«, sagt der amerikanische Meeresbiologe Daniel Pauly, »einen Krieg gegen die Fische. Und das Verrückte ist: Sie können diesen Krieg problemlos gewinnen.«

Wie bei einem Krieg an Land gäbe es ein Mittel, die Kampfhandlungen zu beenden: Politik. Vor allem eine Frau will die Weichen für eine bessere EU-Fischereipolitik stellen – die Griechin Maria Damanaki, EU-Kommissarin für Fischerei und maritime Angelegenheiten. Sie hat Vorschläge für eine Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) vorgelegt, die vom kommenden Jahr an in Kraft treten soll. Über diese Reform berieten die Fischereiminister am 12. Juni in Luxemburg.

Im Zentrum des Reformentwurfs steht eine Forderung, auf die sich die meisten Staaten der Welt schon im Seerechtsübereinkommen von 1982 verpflichtet haben: nur noch nachhaltig zu fischen. Also nur so viel, wie die Bestände langfristig produzieren können. Damanaki schlägt vor, die EU-Fischerei mit Mehrjahresplänen zu bewirtschaften und den Rückwurf des Beifangs zu verbieten. Gleichzeitig sollten übertragbare Fangquoten eingeführt werden. So könnte etwa ein Fischer, dem beim Schellfischfang Kabeljau ins Netz gegangen ist, auch diesen verkaufen. Dadurch verschwänden Überkapazitäten bei den Fangflotten, hofft die Kommissarin. Fischer würden außerdem gezwungen, selektiver vorzugehen und ihre Methoden zu verfeinern.

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