Flughafen Tegel Air Berlin und die Last mit dem Gepäck

Air Berlin bekommt die Probleme mit der Gepäckbeförderung in Tegel nicht in den Griff. Für die angeschlagene Airline ist das sicher nicht die größte Baustelle – aber trotzdem brandgefährlich. Eine Analyse.

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Passagiere mussten in den vergangenen Wochen lange auf ihr Gepäck warten, zum Teil fehlte es sogar an Treppen. Quelle: dpa

Frankfurt „Inakzeptabel“ – dieses Wort bemühten Air Berlin-Sprecher in den zurückliegenden Wochen wieder und wieder. Seit dem 27. März, dem Beginn des Sommerflugplans, läuft es in der Abfertigung am Berliner Flughafen Tegel nicht rund. Die Passagiere müssen lange auf ihr Gepäck warten, zum Teil fehlte es sogar an Treppen, um die Fluggäste aussteigen zu lassen. Viele Flugzeuge hoben mit Verspätung ab.

Das ist in der Tat nicht nur inakzeptabel, es ist für die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft vor allem äußerst gefährlich. Finanziell schwer angeschlagen und mitten in einem tiefgreifenden Umbau ist Air Berlin mehr denn je auf das Vertrauen und die Treue der Kunden angewiesen. Beides wird nun aufs Spiel gesetzt.

Wie konnte es dazu kommen? Eine simple Erklärung für den Vorgang gibt es nicht. Vordergründig liegen die Probleme an dem Wechsel des Dienstleisters in Berlin. Die Airline hatte im vergangenen Herbst seinem bisherigen Partner, der Wisag, gekündigt und den Auftrag Aeroground erteilt. Ein erklärtes Ziel des Wechsels war es, die Servicequalität zu erhöhen. Zu hören ist aber, dass auch „kaufmännische Aspekte“ eine Rolle gespielt haben sollen – sprich der Preis.

Dennoch – einen Partner zu wechseln, weil man ein besseres Angebot auf dem Tisch hat, ist nicht nur grundsätzlich legitim. Es ist in wirtschaftlich angespannten Zeiten vielleicht sogar opportun. Nur dann muss man diesen Wechsel auch entsprechend vorbereiten. Hier aber sind offensichtlich auf beiden Seiten schwere Fehler begangen worden.

Beginnen wir mit Aeroground: Das Unternehmen, eine Tochter des Münchener Flughafens, ist ein erfahrener Dienstleister. Größere Probleme sind bei dem Anbieter bislang nicht bekannt. Doch der betagte Flughafen Berlin-Tegel hat so seine eigenen Gesetze. Eigentlich sollte der Airport längst im Ruhestand sein.

Doch da der neue Hauptstadtflughafen einfach nicht fertig werden will, ist man in Berlin auf Tegel angewiesen. Dort wird nun seit Jahren schon geflickt und angestrickt, um das für Berlin eigentlich so erfreuliche Passagierwachstum bewältigen zu können. Die Folge: Der Airport weist eine besondere Komplexität auf. Wer sich hier als Dienstleister nicht perfekt auskennt, hat schnell verloren.


Airline in gewaltigem Umbau

In diese Falle scheint Aeroground getappt zu sein. Die Münchener haben für den Neukunden 180 Mitarbeiter eingestellt und dachten wohl, mit dieser Zahl die Air Berlin-Flugzeuge in der Hauptstadt zumindest temporär bewältigen zu können. Denn weitere 40 neue Mitarbeiter warten noch auf die Sicherheitsfreigabe. Doch die Rechnung ging nicht auf. Es fehlt nicht nur an Personal. Die neu angelernten Mitarbeiter müssten auch erst noch die notwendige Routine auf dem engen Flughafen Tegel aufbauen, heißt es in der Branche.

An dieser Stelle kommt dann Air Berlin ins Spiel. Denn offensichtlich waren die Vorgaben, die so genannten Service Level Agreements (SLA), von Seiten der Airline nicht ganz so klar, wie man sich das vielleicht vorstellt. Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass sich eine wachsende Zahl von Passagieren über veraltetes Gerät, etwa beim Bustransport beschwert hat.

Das Problem: Als der Vertrag mit dem neuen Dienstleister ausgehandelt wurde, befand sich Air Berlin – damals noch unter Führung des mittlerweile ausgeschiedenen Stefan Pichler – unmittelbar vor einem gewaltigen Umbau. Die Airline dreiteilt sich, ein echter Kraftakt. In der Zeit, so wird berichtet, herrschte eine große Unruhe im Unternehmen. Der Vertrag mit dem neuen Dienstleister war da wohl eher Nebensache. Man schaute vielleicht nicht so genau hin, besprach die Einzelheiten nicht so detailliert, wie es wohl notwendig gewesen wäre.

Das rächt sich nun. Mittlerweile hilft in Tegel Bodenpersonal der Flughäfen München und Schönefeld aus. Und spätestens an Ostern soll nun alles wieder besser laufen. Doch der entstandene Schaden darf nicht unterschätzt werden.

Schon jetzt leidet Air Berlin unter einem gewaltigen Reputationsverlust, auch weil die Passagiere durch den Umbau verunsichert sind, ob das Ticket, das sie kaufen, in einigen Wochen überhaupt noch gilt beziehungsweise ob sie am Ende wirklich in einem Flugzeug von Air Berlin sitzen. Im März sank die Zahl der Passagiere von Air Berlin um 17 Prozent – natürlich vor allem, weil Teile der Flotte mittlerweile für die Lufthansa-Tochter Eurowings fliegen.

Doch das ist nicht der alleinige Grund, wie die ebenfalls gesunkene Auslastung der Flugzeuge zeigt. Air Berlin fehlt das Vertrauen der Kunden. Aus deren Sicht fügt sich das Kofferdesaster in Berlin perfekt in das Negativbild, das sie von Air Berlin mittlerweile haben. Deshalb ist es für das Team um den neuen Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann, dieses eigentlich eher kleinere Problem mit höchster Priorität zu behandeln und zu beseitigen.

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