Tiefkühlkost ist eine der Erfolgsgeschichten des Lebensmittelhandels. Seit über 60 Jahren kaufen die Deutschen tiefgekühltes Essen. Heute besitzt nahezu jeder Haushalt eine Kühltruhe und seit den 1990er Jahren hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen auf mehr als 40 Kilogramm im Jahr verdoppelt.
Der Markt war bis zuletzt ein Wachstumsmarkt. Doch der Motor ist ins Stocken geraten. „Im Vergleich zum restlichen Lebensmittelmarkt wächst der Tiefkühlmarkt aktuell in vielen Kategorien unterdurchschnittlich“, sagt Mirko Warschun, der bei der Beratungsfirma A.T. Kearney als Partner für die Lebensmittelindustrie tätig ist.
Allgemeines über Tiefkühlkost
In Europa wird seit 1915 tiefgefrorener Fisch produziert. Tiefgefrorenes Gemüse wurde in Deutschland 1937 zum ersten Mal industriell hergestellt.
Der Deutsche Carl von Linde hat 1879 eine Kältemaschine mit Ammoniak erfunden. Kühlschränke laufen bis heute auf der gleichen technischen Grundlage.
Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Tiefkühlkost beträgt in Deutschland jährlich über 40 Kilogramm.
Gemüse wird zwei Stunden nach der Ernte schockgefrostet. Dadurch bleibt der Vitamingehalt hoch.
99 Prozent der deutschen Haushalte verfügen über eine Tiefkühltruhe.
Geld verdienen lässt sich auf dem hochumkämpften Markt trotzdem. Den Umsatz der Branche bezifferte das Deutsche Tiefkühlinstitut (dti), ein Verband, der die Interessen der Branche vertritt, für 2013 auf zwölf Milliarden Euro. Aber der Wettbewerb wird härter. Wer die umkämpften Marktanteile gewinnen, muss die Trends auf dem Markt erkennen und das Unternehmen entsprechend ausrichten. Denn die Branche befindet sich im Wandel.
Der Qualitätswettbewerb
Schaut der Deutsche heute in die Tiefkühltruhe beim Discounter oder Supermarkt seines Vertrauens, findet er auf fast jeder Packung Sätze wie „ohne Geschmacksverstärker“ oder „ohne Aromazusatz“. Die Tiefkühlhersteller werden nach wie vor verdächtigt, übermäßig viele Zusatzstoffe zu verwenden und unnatürliche Nahrung zu produzieren – sie wollen aber für Nachhaltigkeit, Frische und Qualität stehen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass der Vitaminanteil bei tiefgekühltem Gemüse mitunter sogar höher ist als bei frischem.
„Mittlerweile hat die Qualitätsoffensive die ganze Branche erfasst“, sagt Sabine Eichner, Geschäftsführerin des dti. So verwende heutzutage fast jeder Konzern das Label MSC, was nachhaltigen Fischfang verspricht – selbst die günstigen Eigenmarken von Discountern wie Lidl und Aldi.
Die beliebtesten Tiefkühl-Marken
18,7 Prozent der Befragten hat 2014 „Die Ofenfrische“ von Dr. Oetker gekauft.
Ebenso viele griffen zu Tiefkühlprodukten von Wiesenhof.
Produkte der Marke Frosta landeten in 19,1 Prozent der Einkaufswagen der Deutschen.
Coppenrath & Wiese hat mit seinen Produkten 2014 20,3 Prozent der Befragten erreicht.
Fischstäbchen der Marke Käpt’n Iglo kauften 21,7 Prozent der Befragten.
Die Ristorante-Aufbackpizza von Dr. Oetker kauften 22,4 Prozent der Deutschen.
Tiefkühlprodukte von Wagner erreichten 22,5 Prozent der Deutschen.
McCain-Tiefkühl-Produkte kauften 24,6 Prozent der Deutschen.
43,3 Prozent der Befragten gaben an, Tiefkühlprodukte der Aldi-Eigenmarke gekauft zu haben.
Der Spitzenreiter ist Iglo. 43,5 Prozent der Deutschen kauften 2014 Tiefkühlprodukte der Marke.
Als das Familienunternehmen Frosta 2003 als erstes versuchte, solche Standards zu etablieren, hätte es das fast mit seiner Existenz bezahlt. Die Bremerhavener verzichteten für ihr Markenprodukt auf sämtliche künstliche Zusätze. 60 Hilfsstoffe wurden aus der Produktion getilgt und 200 Zutaten ausgetauscht. Was sich nicht ohne Hilfsmittel produzieren ließ, wurde komplett gestrichen.
„Vor unserer Qualitätsoffensive schmeckte unser gesamtes Sortiment gleich“, sagt Hinnerk Ehlers, der Vorstand für Marketing und Vertrieb bei Frosta. „Wir wollten Tiefkühlwaren produzieren, die wir selbst essen würden.“
Statt die Produkte mit Geschmacksverstärkern oder Milcheiweißextrakten aufzupeppeln, kaufte Frosta fortan qualitativ hochwertige Rohwaren ein. Dadurch stiegen die Preise. Für die früheren Stammkunden, die niedrige Qualität für einen niedrigen Preis gewohnt waren, wurden die Produkte zu teuer. Der Umsatz brach um 30 Prozent ein. Bis die neue Kundschaft aufgebaut war, dauerte es und die Eignerfamilie hätte beinahe ihr Vermögen verloren.
Was den Deutschen beim Einkauf wirklich wichtig ist
Fragestellung: “Welche der folgenden Aspekte sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Leistungen des Lebensmitteleinzelhandels?”
Quelle: Institut für Handelsforschung // repräsentative Umfrage unter 1.542 Deutschen
Produktangebot mit dem bestmöglichen Preis-Leistungs-Verhältnis
Große Auswahl verschiedener Produkte
Immer hohe Qualität aller Produkte
Immer alles was ich brauche an einem Ort
Kundenorientierte Öffnungszeiten
Viele gut erreichbare Geschäfte in meiner Nähe
Angenehme Einkaufsatmosphäre
Immer alle Informationen, die ich zu den Produkten brauche verfügbar
Doch dann setzte der Wandel ein. „Themen wie Zusatzstofffreiheit und transparente Deklarationen für Zutaten treiben die Kunden heutzutage verstärkt um“, sagt Ehlers. „In den letzten vier Jahren hat sich die Nachfrage noch einmal intensiviert.“ Der Markttrend unterstützt Frosta, das seit Jahren mit hoher Qualität und Transparenz wirbt. In den ersten fünf Monaten des vergangenen Jahres konnte der Umsatz infolgedessen um sechs Prozent auf über 200 Millionen Euro gesteigert werden. Auch für das Jahresergebnis sind die Aussichten positiv.
Mit der Qualitätsoffensive hat es Frosta geschafft, dem harten Preiskampf in Teilen zu entfliehen. Auch Iglo kämpft im Premiumbereich. Trotz des gehobenen Preissegments: „Die Premiummarken haben es schwer“, sagt Unternehmensberater Warschun. Denn eine Preisschwelle über fünf Euro wolle der Verbraucher – trotz seines Qualitätsanspruchs – nur selten bezahlen. Im Zweifel greift er lieber zu den Eigenmarken der Handelsketten.
Produzenten verdienen immer weniger
Auf die Eigenmarken entfällt mittlerweile die Hälfte des Umsatzes mit der Tiefkühlkost – nicht nur bei Discountern, sondern auch bei Supermärkten wie Rewe. Erschwerend für die Markenproduzenten kommt hinzu: Das Geschäft mit der Tiefkühlkost im Einzelhandel läuft aktuell ohnehin nur schleppend. „Das langsame Wachstum der Branche resultiert daraus, dass die Discounter immer weniger verkaufen“, sagt Eichner vom dti.
Zudem hat sich die Handelslandschaft in den vergangenen Jahren stark verändert hat. „Heute gibt es weniger Händler als noch vor zehn Jahren“, sagt Ehlers von Frosta. Vier Unternehmen kontrollieren 85 Prozent des Einzelhandels: Aldi Nord und Süd, Rewe, Edeka und die Schwarz-Gruppe, deren berühmtester Vertreter die Discount-Kette Lidl ist.
Die beliebtesten Tiefkühlwaren im Einzelhandel
2014 setzte der Einzelhandel mit Tiefkühlprodukten über fünf Milliarden Euro um.
Mit Tiefkühlkäse generierte der Einzelhandel im vergangenen Jahr 33 Millionen Euro Umsatz.
127 Millionen Euro Umsatz entfielen auf Tiefkühl-Früchte.
Mit Snacks konnten 172 Millionen Euro umgesetzt werden.
Kartoffelprodukte generierten einen Umsatz von 350 Millionen Euro.
419 Millionen Euro konnte der Einzelhandel mit Fertiggerichten umsetzen.
614 Millionen Euro Umsatz entfielen auf tiefgekühlten Gemüse- und Kräuterprodukten.
Backwaren wie etwa Aufbackbrötchen generierten 2014 einen Umsatz von 669 Millionen Euro.
Tiefgekühltes Bratfleisch trug 775 Millionen Euro zum Umsatz bei.
Mit Pizzen hat der Einzelhandel 1,1 Milliarden Euro umgesetzt.
Tiefgekühlter Fisch trug 1,1 Milliarden Euro zum Umsatz bei.
„Das löst einen enormen Druck auf alle Hersteller aus, egal ob Markenproduzenten oder Produzenten der Eigenmarken“, sagt Eichner. Denn die Einzelhandelsketten nutzen ihre hervorragende Marktstellung aus, um um jeden einzelnen Cent mit den Produzenten zu feilschen. Das drückt den Gewinn.
Tiefkühlwaren beim Bäcker
Den zurückgehenden Gewinn im Einzelhandel können Unternehmen wie Frosta, die neben der Hausmarke auch für Aldi und Burger King Tiefkühlware produzieren, auf dem Außer-Haus-Markt wieder hereinholen.
Der Außer-Haus-Markt umfasst unter anderem Schnellrestaurants, Imbisse und Kantinen. Das Geschäft mit der Gastronomie hat in den vergangenen Jahren zugelegt. Darauf entfällt mittlerweile fast die Hälfte des gesamten Umsatzes der Tiefkühlbranche aus.
Denn immer häufiger gehen Berufstätige mittags in der Nähe ihres Arbeitsplatzes essen: Sie suchen einen Imbiss auf, gehen zum Schnellrestaurant, zum Bäcker oder in die Kantine. Egal ob es sich um die Bulette auf dem Burger handelt, die Laugenstange beim Bäcker oder das Gemüse in der Kantine – all das sind zumeist Tiefkühl-Produkte.
„In vielen Fällen schafft Tiefkühlkost erst die Möglichkeit, dass Gastronomen beispielsweise Erbsen außerhalb der Saison anbieten können“, erläutert Branchenvertreterin Eichner. Außerdem ist Tiefkühlkost lange haltbar und wird kaum verschwendet. Das sichert die Kalkulation der Schul- oder Betriebskantine und sorgt so für die niedrigen Preise.
Ganze Unternehmen haben sich auf das Zuliefern von Tiefkühlkost beschränkt und bewerben keine eigene Marke. „Die Branche ist zweigeteilt“, sagt Warschun. „Es gibt die führenden Marken wie Iglo, Wagner oder Frosta und für den Verbraucher unbekannte Unternehmen, die sich in Nischen positionieren und etwa tiefgefrorene Bäckerprodukte produzieren.“
Die Flucht ins Ausland
Der Außer-Haus-Markt ist allerdings ebenso sehr umkämpft wie der Einzelhandel, deswegen ist für Eichner klar: „In Deutschland noch Wachstum zu erzielen, ist ausgesprochen schwierig.“ Infolgedessen schielen immer mehr Produzenten auf den ausländischen Markt – besonders auf den europäischen Binnenmarkt.
Frosta beispielsweise macht über 40 Prozent seines Geschäfts im Ausland. Vor allem in Polen und Ungarn konnte die Marke in den vergangenen Jahren zulegen.
Dass das Exportgeschäft auf Dauer ein Allheilmittel ist, bezweifelt Branchenkenner Warschun. „In Exportmärkten wie der Schweiz ist eine andere Qualität gefragt als in Deutschland und auch die gewünschten Gerichte sind teils anders.“ In Osteuropa könnten nur die wenigsten Unternehmen beim Preiswettbewerb mithalten – all das mache die Internationalisierung der Produkte bei rein deutscher Produktion schwer.
Der schwache Euro könnte den Export außerhalb der EU prinzipiell befördern – doch aktuell verkauft kaum ein Produzent nennenswerte Mengen ins EU-Ausland. Stattdessen bringt der Euro-Kurs ganz andere Probleme für die Produzenten mit sich.
Der Euro-Kurs erhöht die Preise
„Die Euro-Abwertung sorgt dafür, dass sämtliche Rohwaren, die außerhalb Europas eingekauft werden, um 20 Prozent teurer werden“, sagt Ehlers von Frosta. Für das Markenprodukt stammen 60 Prozent der Zutaten aus dem EU-Ausland. Mangos und Gewürze importiert das Familienunternehmen aus Südamerika, den Fisch zum Teil aus Alaska und Brokkoli aus dem Hochland Ecuadors.
„Vor dem Reinheitsgebot hätten wir die guten Zutaten durch andere Rohwaren ersetzen können, die mit Geschmacksverstärkern, Hefeextrakten oder Milcheiweiß-Konzentraten angereichert sind“, sagt Ehlers. Will das Unternehmen die Qualität weiter halten, bleibt ihm mittlerweile nichts anderes übrig, als die Preise für den Verbraucher zu erhöhen.
EU-Regulierungen könnten die Preise weiter treiben
Weiterer Preiserhöhungen könnten aus Sicht von Branchenvertreterin Eichner aufgrund von EU-Gesetzen auf die Verbraucher zukommen. So gilt beispielsweise seit Dezember 2014 die EU-Lebensmittel-Informationsverordnung, die Unternehmen unter anderem zwingt, das Einfrierdatum und etwaige Lebensmittelimitate anzugeben.
Ab dem 1. April 2015 gilt zudem eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verpacktes Schweine-, Ziegen-, Geflügel- und Schaffleisch – das gilt aber nicht für verarbeitete Fleischerzeugnisse.
Aktuell diskutiert Brüssel die Herkunftskennzeichnung auch für verarbeitete Lebensmittel einzuführen. „Das wäre nur mit einem enormen finanziellen Aufwand machbar“, sagt Eichner. Daher lehne die Branche ein solches Gesetz ab.
„Die Lieferketten würden jedwede Flexibilität verlieren“, sagt sie. Fiele ein Lieferant aus und der Fisch würde statt aus Alaska aus Norwegen stammen, müsste die Verpackung neu gedruckt werden. „Der Verbraucher müsste das teuer bezahlen.“
Warschun hält diese Argumentation für begrenzt stichhaltig. „Solche Ausfälle passieren selten von heute auf morgen“, sagt er. Wer beispielweise bestimmte Fischsorten verarbeitet, kauft große Volumina ein – das benötigt einen Vorlauf von vielen Monaten.
Insgesamt sieht er eine solche Gesetzgebung für die Branche mittelfristig als positiv. „Transparenz über die Herkunft schafft Vertrauen beim Konsumenten“, erklärt er.
Seit 2013 versucht Frosta diese Transparenz ohne EU-Zwang zu schaffen. Kunden können über QR-Codes auf den Verpackungen oder über die Website von Frosta die Herkunftsländer der einzelnen Zutaten für die jeweiligen Produkte einsehen.
„Wichtiger wäre aber eine Kennzeichnung der Inhaltsstoffe“, sagt Warschun. „Der Kunde kauft den Lachs nicht, weil er aus Alaska stammt, sondern weil er keine Zusatzstoffe enthält und weil der Fettanteil bekannt ist.“ Nur durch solche Informationen könne die Branche weiter an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Und die ist letztendlich das Wichtigste, wenn es um die Gunst der Verbraucher geht.