Fußball Adidas vollzieht einen Strategieschwenk

Der Sport-Konzern halbiert ab Juli die Zahl seiner Fußballschuh-Modelle – und riskiert damit, treue Kunden zu vergraulen. Der Schritt ist Teil des Mittelfristplans. Doch über den Erfolg entscheiden immer noch die Freizeit-Kicker.

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Deutschlands Torwart Marc-André Ter Stegen bei der U21-Europameisterschaft in Polen: Die Schuhe, die Ter Stegen noch Ende Mai beim Champions-League-Finale in Berlin getragen hatte, wird es ab Juli nicht mehr zu kaufen geben. Quelle: AP

Die Kollegen von Markus Baumann reagierten im ersten Moment einigermaßen geplättet. Gerade hatte ihnen der Fußball-Chef von Adidas angekündigt, wie künftig die Strategie für das Geschäft mit Stollenschuhen und Trikots aussehen soll. „Fügen wir unseren Modellen ein neues hinzu?“, wollten sie wissen. Nein, sagte Baumann, „wir addieren nichts, wir reduzieren“. Danach herrschte erstmal Stille im Konferenzraum.

Fußball ist nicht irgendeine Sparte beim Herzogenauracher Dax-Konzern. Spätestens seit Adi Dassler im Finale von Bern anno 1954 mit seinen Schraubstollen den Deutschen zum ersten WM-Titel verhalf, gehört der Kick zum Gründungsmythos des Unternehmens. Vor allem aber ist er wesentlicher Teil des Adidas-Geschäfts: Die Sparte steht für mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz. Hinzu kommt, dass Fußball weltweit die mit Abstand beliebteste Sportart ist: Marken, die wie Adidas und sein Erz-Konkurrent Nike beim Kick gut im Geschäft sind, pushen mit der Präsenz in Stadien und auf Bolzplätzen gleichzeitig auch ihre anderen Sparten wie Laufklamotten und Fitness-Treter.

Der Adidas-Konzern in Zahlen 2014

Entsprechend hängt an Baumann mehr als nur das Wohl und Wehe der eigenen Geschäftssparte. Das erklärt die Reaktion seiner Kollegen. Denn was Baumann ihnen da vorstellte, ist tatsächlich ein drastischer Schritt, den der Konzern am Mittwoch noch einmal vor Analysten und Anlegern erläutern will.

Die Schuhe von David Beckham sind bald Geschichte

Verkaufte Adidas in den vergangenen Jahren vier Fußballschuhmodelle, macht Baumann einen Schnitt und stoppt die mitunter mit vielen Werbe-Millionen über Jahre eingeführten Modelle wie etwa den Klassiker Predator, in dem schon David Beckham übers Feld stratzte. Stattdessen will er Profis und Freizeitkicker weltweit auf nur noch zwei Modelle einschwören – X und Ace heißen diese. Angeblich teilt sich der aktive Teil der Fußballwelt mittlerweile in nur noch zwei Spielertypen auf – den überlegten Strategen und mit Übersicht begabten Spielmacher einerseits und den eher unberechenbaren Chaoten andererseits, der mit spontanen Aktionen die Taktik des Gegners über den Haufen rennt. Als Bonbon obendrauf kommt ein drittes Modell, benannt nach dem Ausnahme-Kicker und Adidas-Werbeträger Lionel Messi.

Ob das tatsächlich der Wirklichkeit auf dem Platz entspricht, sei dahingestellt. Fest steht jedenfalls, dass der Schritt nicht ohne Risiko ist. Denn wer es jahrelang gewohnt war, in seine F50-Treter zu schlüpfen, wird dieses Modell künftig nur noch auf der Resterampe finden. Und dann bald gar nicht mehr. Das ist weniger ein Problem für Profis. Die ziehen eh an, was ihnen der zahlende Ausrüster ans Herz legt. Aber für die Masse der Freizeitkicker bedeutet es eine Umstellung. Und ob die alle mitmachen, darüber gibt es im Handel unterschiedliche Einschätzungen.

Adidas und Nike im direkten Vergleich

Roland Auschel, im Adidas-Vorstand verantwortlich für den weltweiten Vertrieb, gibt sich jedenfalls selbstbewusst und meldet „hervorragende Resonanz“ im Fachhandel: „Im Vergleich zu 2014 haben wir mit den X- und Ace-Modellen sowie der Messi-Kollektion in der Vororder für das zweite Halbjahr 2015 starke zweistellige Wachstumsraten in all unseren Schlüsselmärkten.“
Für Adidas ist der Erfolg der neuen Modelle auch deshalb wichtig, weil sie zugleich die ersten Zeugnisse der neuen Strategie sind, mit welcher der Konzern den großen Umsatz-Rückstand gegenüber Marktführer Nike verringern will. Dazu wollen sich die Franken in ihren wichtigsten Sportkategorien und bei ihren Freizeit-Kollektionen auf deutlich weniger Einzel-Modelle konzentrieren und diese mit mehr Werbe-Schmackes an die Leute bringen.

Vorgemacht hat das Adidas im Lifestyle-Segment aktuell mit den Klassiker-Modellen Stan Smith und Superstar, die gerade aus den Fotostrecken sämtlicher Lifestyle-Postillen quellen. Das Konzept ist einfach und lukrativ: Nach einer gewissen Zeit nimmt der Konzern die Modelle, deren Entwicklungskosten seit vielen Jahren abgeschrieben sind, aus dem Handel, wartet ein Weilchen ab und sie bringt dann mit Wumms und Werbung und Star-Unterstützung wieder in die Läden. Auf je weniger Modelle er seine Marketingausgaben konzentrieren muss, umso größer der Wumms.

Beim Fußball soll das nun ähnlich funktionieren: Mehr verdienen mit weniger Angeboten. Ob das klappt, hängt davon ab, ob den Kickern und ihren Fans die neuen, im ersten Anlauf quietschend neon-gelben Latschen auch tatsächlich gefallen.

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