Fußball-EM Wie die Markenzwerge Umbro und Erreà punkten wollen

Bei der EM bleiben mit Ausnahme von Nike Europas Sportanbieter unter sich – Angreifer Under Armour und New Balance schauen zu. Dafür haben sich im Schatten der Milliarden-Konzerne kleine Marken ihren Auftritt gesichert.

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EM: Sportmarken Errea, Joma und Umbro Quelle: imago, Montage

Die Herren Götze, Müller, Özil, Schürrle und Höwedes haben einiges gemeinsam. Großes, zum Beispiel: Sie wollen in Frankreich Europameister werden. Aber auch ein paar Kleinigkeiten: Pünktchen über „o“ oder „u“ im Nachnamen. Blöd, wenn die Umlautzeichen auf dem Trikot fehlen.

Genau das ist gerade ausgerechnet dem DFB-Ausstatter Adidas passiert – Fans können gerade keine Leibchen mit den Namen dieser Kicker bestellen, sie fehlen aktuell im Online-Shop. Welche Auswirkungen diese Panne auf den Absatz der Shirts haben wird, ist nicht abzusehen. Peinlich ist es allemal.

Schaulaufen der Sportartikelindustrie

Denn in den Augen der Fans stehen die wichtigsten Wochen des Jahres an. Wenn am Freitag im Pariser Vorzeigestadion Stade de France die Fußball-Europameisterschaft angepfiffen wird, beginnt zugleich für die milliardenschwere Sportartikelindustrie das große Schaulaufen. Im Mittelpunkt stehen vor allem die großen drei Fußballmarken: Dax-Konzern Adidas, der für sich reklamiert, die führende Fußballmarke weltweit zu sein, drängt sich am stärksten ins Bild: Die Franken sind Sponsor des kompletten Turniers, stellen den Spielball, kleiden Schiedsrichter und Balljungen ein und werben auf den Reklamebanden im Stadion. Mit neun Nationalteams haben sie zudem die meisten Mannschaften bis zur Endrunde durchgebracht.

Diese Teams rüsten Adidas und Co. bei der EM aus

Mit der EM im Rücken will Adidas-Chef Herbert Hainer den Fußballumsatz des Konzerns auf einen neuen Rekordwert treiben – bei der EM 2012 verkaufte der Drei-Streifen-Konzern allein mehr als eine Million DFB-Trikots, sieben Millionen Bälle und setzte 1,7 Milliarden Euro um. Den Wert wird Adidas locker toppen – 2015 lag der Umsatz mit Kickerprodukten ohne EM oder WM bereits bei 2,2 Milliarden Euro.

Dicht auf den Hacken hat Adidas seinen Erzrivalen Nike, der in Frankreich neben dem Gastgeber fünf weitere Teams ausstattet. Doch auch der deutlich umsatzschwächere Rivale Puma ist mit fünf Mannschaften überproportional häufig vertreten.

Nicht nur die großen Anbieter sind vertreten

Haben sich damit die großen Marken 20 der 24 Verbände geschnappt, müssen andere Anbieter in Frankreich trotz hochtrabender Ambitionen zuschauen. Weder Under Armour, dessen Chef Kevin Plank gern mit starken Sprüchen für Aufmerksamkeit sorgt („Adidas ist unser dümmster Wettbewerber“), noch der andere US-Angreifer New Balance sind bei der EM dabei. In Deutschland wird zumindest Under Armour immerhin ab der kommenden Bundesliga-Saison vertreten sein; die Amerikaner statten dann den Zweitligisten St. Pauli aus. New Balance konzentriert sich bislang in Europa eher auf die englische Premier League und kleidet dort den Jürgen Klopp-Klub FC Liverpool aus.

Größte Sportartikelhersteller der Welt

Beim erstmals auf 24 Teilnehmer aufgeblähten EM-Turnier müssen die beiden US-Marken draußen bleiben. Stattdessen sind in Frankreich die europäischen Anbieter unter sich – mit Ausnahme von Nike. Allerdings haben sich im Schatten der Milliarden-Konzerne eine Traditionsmarke aus England, zwei Anbieter aus Italien und Spaniens größte Sportmarke ihren Auftritt vor einem Millionenpublikum gesichert.

Kleine Ausrüster profitieren von globaler Strategie von Adidas und Co.

Umbro, Erreà, Macron und Joma heißen die vier Unternehmen, die vor allem davon profitieren, dass Adidas, Nike und Puma, die mehr als 90 Prozent des Fußballmarktes beherrschen, seit einiger Zeit eine neue Strategie verfolgen. Sie konzentrieren sich immer stärker auf die global präsenten Vereine und Stars. So lässt Adidas etwa Klubs wie Schalke 04, Bayer Leverkusen oder auch den 1. FC Nürnberg ziehen, um stattdessen Real Madrid, Manchester United oder auch Bayern München noch höhere Beträge zu überweisen.

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Real Madrid Quelle: REUTERS
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Premiera División Quelle: dpa
Bundesliga Quelle: AP
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Das schafft Räume für die kleineren Anbieter, die meist weniger als 100 Millionen Euro Umsatz erzielen, durch den Rückzug der Großen aber die Chance bekommen, Verträge mit den Profiklubs abzuschließen.

Die englische Traditionsmarke Umbro wird Adidas beim 1. FC Nürnberg ablösen. In der Adidas-Logik gab es trotz der jahrzehntelangen Zusammenarbeit am Ende zu wenige Gründe, bei den Franken zu bleiben – weltweit spielen deren Trikotverkäufe keine Rolle, Tradition allein hilft da nicht weiter. Umbro dagegen verschafft der Rückzug von Adidas die Gelegenheit, in Deutschland wieder einzusteigen. Denn bei der Präsenz im hiesigen Fußballbusiness hatte es bei den Engländern in den vergangenen Jahren gehapert.

Umbro vergrößert sein Team-Portfolio Stück für Stück

Das 1924 gegründete Unternehmen hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich: Zwischen 2007 und 2012 gehörte die Marke dem US-Riesen Nike. Der verkaufte Umbro mit Verlust, weil sich Nike-Boss Mark Parker auf die eigene Hauptmarke konzentrieren wollte. Interessante Ausrüsterverträge wie der mit der englischen Nationalmannschaft, die zuvor jahrelang in Umbro aufgelaufen war, hatte Parker vorher noch übernommen. Umbro gehört jetzt zum New Yorker Multi-Markenkonzern Iconix Brand Group, der unter anderem Mode-Marken wie Ecko Unltd., Lee Cooper, Zoo York und Ed Hardy unter seinem Dach versammelt hat.

Unter der neuen Führung brauchte es eine ganze Weile, ehe sich Umbro wieder auf seine alten Stärken besann; langsam scheint sich das Gebilde allerdings zu finden. Neben neuen Fußballschuhen („Medusa“), die von Kritikern durchaus positiv besprochen wurden, vergrößert Umbro zuletzt Stück für Stück sein Team-Portfolio. Dazu zählen auf Vereinsebene unter anderem Everton, West Ham oder in den Niederlanden der PSV Eindhoven.

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Busfahrer Quelle: Fotolia
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Bei der EM stattet Umbro das Team aus Irland aus. Die Iren sind wegen ihrer sympathischen Fans international beliebt und das könnte auch für Umbro ein Pluspunkt sein. Denn Außenseiter sind bei vielen Gelegenheits-Zuschauern beliebt – davon profitierte in der Vergangenheit etwa auch Puma als Ausrüster von Kamerun.

Island und Erreà mit Außenseiter-Chancen

Außenseiter-Chancen hat auch Island, das zum ersten Mal bei einer EM dabei sein wird. Ausgestattet werden die Nordmänner ausgerechnet von einem italienischen Hersteller – Erreà heißt die kleine Marke, ein 1988 gegründetes Familienunternehmen aus der Nähe von Parma.

Erreà setzt jedenfalls auf Knalleffekte bei der Werbung. In einem Werbevideo lässt das Unternehmen den Kicker Emil Hallfredsson einen brennenden Fußball auf einen Eisblock abfeuern, in dessen Inneren das blaue Nationaltrikot Islands steckt. Dazu ertönt dramatische Musik, man meint, das Dröhnen von Nebelhörnern zu hören, wenn der Werbespruch auftaucht: „Feel the passion / break the ice“.

Was noch für Island und Erreà spricht – dem Team der Nobodys gelang es immerhin, mit der Türkei und den Niederlanden zwei etablierte Fußballnationen in Bedrängnis zu bringen. Die Türkei schaffte den Sprung nach Frankreich in letzter Minute. Holland muss zuschauen.

Traditionsmarke neu im Fußballgeschäft

Aus Italien kommt auch die Marke Macron, in deren Leibchen das Team aus Albanien auflaufen wird. Die Marke gibt es seit 45 Jahren, das Unternehmen hat seinen Sitz in der Nähe von Bologna. Vertrieb Macron zu Beginn vor allem Sportswear-Marken aus den USA in Italien, stieg das Unternehmen erst 2001 ins Kicker-Geschäft ein und verkaufte unter der eigenen Marke Fußballprodukte.

Inzwischen tragen durchaus namhafte Teams und Nationalmannschaften die Trikots aus Bologna – unter anderem laufen die Bolton Wanderers aus Nordengland in Macron-Shirts auf. Auch die Namensrechte am Stadion haben die Italiener inzwischen übernommen. Zuvor trug das Stadion jahrzehntelang den Namen der Sportmarke Reebok, die ursprünglich einmal aus Nordengland stammte, ehe sie als US-Aerobic-Marke zumindest eine Zeitlang zur größten Sportmarke der Welt aufstieg.

Die wohl größte unter den kleinen EM-Marken kommt aus Spanien. Joma stattet das Team aus Rumänien aus. Die Traditionsmarke, die sich selbst Spaniens größten Sportanbieter nennt, konzentriert sich neben ihrem Heimatmarkt stark auf Vereine und Verbände aus Lateinamerika. 1965 von Fructuoso Lopez in der Nähe von Toledo gegründet, gilt Joma heute als Spezialist für Hallenfußballprodukte, bietet aber darüber hinaus Ausrüstung für viele weitere Sportarten an. Das sorgt dafür, dass Joma bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr in Rio und auch bei den Spielen 2020 in Tokio Ausrüster des spanischen Olympia-Teams sein wird.

Nicht ausgeschlossen, dass eines der von den vier kleinen Marken ausgestatteten Teams bei der EM für Überraschungen sorgen wird. Davon würden Erreà, Umbro, Macron und Joma in Maßen profitieren – zum einen, weil dann die Trikots womöglich nicht nur von eingefleischten Schlachtenbummlern gekauft würden. Zum anderen dürfte ihnen der Auftritt und die Aufmerksamkeit beim Turnier dabei helfen, weitere Ausrüsterverträge zu gewinnen – vornehmlich bei jenen Teams, die Adidas und Nike und Puma ins Abseits gestellt haben.

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