Ganzkörperverschleierung Burkini-Streit kurbelt Geschäft in Israel an

An israelischen Stränden sind Burkinis schon seit Jahren üblich. Durch die Debatte in Frankreich freuen sich die Produzenten nun über Gratis-Werbung. Auch die Umsätze sind seitdem gestiegen.

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Züchtigen Anzüge sind an israelischen Stränden seit Jahren ein vertrauter Anblick. Quelle: AP

Hod Hascharon In Israel belebt die französische Burkini-Debatte das Geschäft mit der sittsamen Bademode: Hier haben sich schon seit Jahren rund ein Dutzend Unternehmen auf die Ganzkörper-Badeanzüge spezialisiert. Schließlich sind große Bevölkerungsteile in Israel streng jüdisch und muslimisch, so dass die züchtigen Anzüge an israelischen Stränden seit Jahren ein vertrauter Anblick sind.

Marci Rapp war eine der ersten, die in das Geschäft einstieg, nachdem sie 2008 aus dem kanadischen Toronto nach Jerusalem gezogen war. Weil sie nach jüdischer Sitte Arme und Beine bedecken wollte, bereitete ihr das warme Mittelmeer-Klima einige Probleme. „Ich hatte nichts anzuziehen“, erzählt sie. „Ich konnte nichts finden, in dem ich mich wohl fühlte, wenn ich mich bedecken wollte.“

Also gründete sie die Bademodenfirma MarSea Modest, die in Tel Aviv Kleider, Shorts, Hemden und Kopfbedeckung aus leichtem, chlorresistentem, italienischem Stoff nähen lässt. Seit Gründung des Unternehmens vor einem Jahr wuchsen die Umsätze um mindestens zehn Prozent, nicht zuletzt wegen ihrer energischen Verkaufsstrategien: Rapp lässt etwa Werbeflyer am Strand verteilen, an Frauen mit langen, durchnässten Röcken.

Nur wenige ihrer Kunden seien Muslime, betont Rapp, denn diese bräuchten konservativere Bademode, als sie im Angebot habe. Der Burkini, wie er vor rund zehn Jahren von einer australisch-libanesischen Designerin entworfen wurde, bedeckt Kopf, Körper und Gliedmaßen mit leichten Badetextilien. Rapps Anzüge haben jedoch keine Hauben, wie von den meisten religiösen Musliminnen gewünscht, und viele ihrer durchschnittlich rund 90 Euro teuren Modelle reichen nicht bis zum Handgelenk oder Fußknöchel. Trotzdem habe die Burkini-Debatte ihrem Unternehmen Aufmerksamkeit verschafft und den Umsatz um ein paar Prozentpunkte gesteigert, so Rapp - Zahlen nennt sie nicht.

Verblüfft habe sie die Entscheidung einiger französischer Städte, Ganzkörper-Badeanzüge zu verbieten: „Was macht eine Frau in Frankreich, die sich wegen der Sonne bedecken will, oder wegen einer Narbe oder weil sie ein bisschen zu viel wiegt und keinen Bikini tragen will? Es macht keinen Sinn, eine bestimmte Art moderater Bademode zu verbieten. Auf mich wirkt das sehr rassistisch.“ Das Verbot wurde inzwischen vom obersten Verwaltungsgericht Frankreichs gekippt. Vermutlich wird es nun in ganz Frankreich aufgehoben, doch dazu muss es in jeder der rund 30 betroffenen Gemeinden vor den örtlichen Gerichten angefochten werden.


„Wer sagt denn, dass der Bikini der richtige Look für den Strand ist?“

Itai Jakow ist Journalist der Mode-Website Xnet und schätzt die Zahl israelischer Unternehmen, die im vergangenen Jahrzehnt mit der Produktion sittsamer Schwimmmode begannen, auf rund ein Dutzend. Die Outfits lägen weltweit im Trend, betont er. Sogar nichtreligiöse Frauen hätten begonnen, langärmelige Hemden mit Bikini-Höschen zu kombinieren. Die meisten israelischen Unternehmen sind nach seinen Angaben jedoch eher klein und beliefern den einheimischen Markt. Doch einige machen auch internationale Geschäfte.

Anat Jahaw gründete 1998 nördlich von Tel Aviv das Unternehmen SunWay, ursprünglich um Kinderkleidung mit UV-Schutz herzustellen. Dann baten sie muslimische Kunden um eine Version für Erwachsene mit langen Ärmeln, Beinen und Haube. Schließlich fragten auch Jüdinnen nach kurzärmeligen, dreiviertellangen Kleidern und Hosen. Heute leitet Jahaw drei firmeneigene Läden in Israel und exportiert weltweit über ihre Website, über Amazon und Vertriebspartner in Griechenland, Deutschland, Neuseeland und die USA.

Die Diskussion in Frankreich steigerte auch ihren Umsatz. Außerdem erfülle sie nun die Akzeptanz der konservativen Bademode in Israel mit Stolz, sagt Jahaw. Keiner ihrer Kunden sei je wegen Verhüllung aus einem Freibad verwiesen worden, betont sie. „Endlich sind wir die Normalen“, sagt sie lachend.

In ihrem Wäschegeschäft in Tira, einer mehrheitlich muslimischen Gemeinde im Zentrum Israels, verkauft Sahab Nasser SunWay-Burkinis. Sie habe vier Jahre lang die Ganzkörper-Anzüge verkauft, bevor sie sich endlich selbst einen zugelegt habe, damit sie ihre dreijährige Tochter ins Schwimmbad habe begleiten können, erzählt sie. Und es habe ihr Leben verändert: „Der Burkini ermöglicht es arabischen Frauen, an den Strand zu gehen, wertvolle Zeit mit der Familie zu verbringen, in geschlechtergemischte Bäder zu gehen, mit ihren Familien zu schwimmen und sich wohl zu fühlen ohne Kritik“, sagt sie. „Wer sagt denn, dass der Bikini der richtige Look für den Strand ist?“

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