Gewürzmarkt Angriff auf Deutschlands letztes Monopol

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Nicht nur Kunden, sondern Fans

Ein Monopol anzugreifen, das lernt man hier, ist voller Körpereinsatz, Vermarktung total. Die beiden Lemckes zeigen ihr Gesicht ja nicht nur im TV. Sie pinnen es auch auf die Homepage und drucken es auf die Supermarkt-Aufsteller. In den sozialen Medien ist es sowieso. Ständig müssen sie irgendwelche Kameras suchen – Lächeln, Daumen hoch und ein Facebook-Posting. Ankerkraut hat nicht einfach nur Kunden, sondern Fans.

Ein Juni-Freitag in Fulda. Lemckes sind seit fünf Wochen ununterbrochen unterwegs, jedes Wochenende auf einem anderen Event: Grillkurs hier, Gartenmesse dort. Nun also die deutsche Barbeque-Meisterschaft. Ankerkraut ist zum zweiten Mal da, denn, sagt Stefan: „Hierher kommen alle aus der Szene.“ Inzwischen haben sie einen Azubi, der mit zwei Helferinnen im Transporter vorgefahren ist, Ware für 20.000 Euro im Kofferraum. Möglichst wenig davon wollen sie wieder mitnehmen. 4000 Euro wird das Wochenende inklusive der Übernachtungen sie alle kosten. „Das müssen wir wieder reinbekommen“, sagt Stefan und zapft sich ein Bier. Ankerkraut richtet am Vorabend die Standparty aus.

Als am nächsten Morgen die Tore der Messe aufgehen, betreten eine Horde Männer und ein paar Frauen mit Rucksäcken das Gelände. „Die Hälfte hier kennt uns schon. Aber die andere Hälfte hat noch nie von uns gehört“, sagt Stefan Lemcke. Deshalb finden sie es so wichtig, persönlich zu kommen: Die Menschen wollen die Gesichter hinter der Marke erleben, schließlich ist genau das der Unterschied zum staubigen Monopolisten. Lemckes sind ein Frau-Mann-Geschäftsführer-Manager-Marketing-Social-Media-Logistik-Duo, das mehr verkauft als bloß Gewürze. Es geht um die Geschichte dahinter, ums Anfassen, Erleben, Sprechen. „Irgendwie ist das ja toll“, sagt Anne. „Da kommen nun wildfremde Menschen und wollen ein Foto mit uns. Aber es ist auch sehr, sehr anstrengend.“

Womöglich ist es aber auch die einzige Möglichkeit, Fuchs anzugreifen. Wenn kein Markt existiert, muss Ankerkraut eben die Nachfrage selbst generieren. DHDL ist dazu die ideale Plattform. Die Show läuft inzwischen in der Primetime, hat Millionenquoten – und Juror Frank Thelen weiß das gut für seine Investments zu nutzen. Seit seinem Einstieg bringt er Ankerkraut regelmäßig im Programm von Vox unter.

Und dennoch steht Thelen nun am Bonner Rheinufer, auf seiner eigenen Party zum Beginn der neuen DHDL-Staffel, und staunt über seine Naivität. Es laufe ja wunderbar mit Ankerkraut, sagt er. Aber ein Albtraum sei das mit diesem Fuchs dennoch. Der könne ja jeden kleinen Konkurrenten sofort rausdrängen mit seinen Marketingmillionen. „Hätte ich das vorher gewusst, ich hätte es nicht gemacht“, grummelt der Investor.

Die Party ist nun zu einem kollektiven TV-Abend geworden. Die Gäste stehen vor einem Flachbildfernseher und schauen die erste Folge der neuen Staffel. In ein paar Minuten kommt Ankerkrauts Einspieler. Stefan klappt den Laptop auf, surft zur Statistik. Knapp 165 Menschen sind gerade im Shop. Kaum ist der Beitrag auf Sendung, geht es im Sekundentakt hoch. 1170, 2748, 6312. Der Beitrag läuft noch immer. 9254, 12.993, 17.226. Der Server bricht zusammen, eine Minute Ebbe, dann ist er wieder da. 19.333, 23.861, 29.981. Anne macht ein Bild, postet es auf Facebook: Fast 30.000 Menschen kaufen gleichzeitig bei Ankerkraut ein, über 100.000 Euro Umsatz werden sie nur durch diese paar Sendeminuten machen.

Stefan geht eine rauchen. Morgen wird er nach Mallorca fliegen, wo seine Kinder mit den Großeltern im Urlaub sind. Dann wird er ausspannen und sich über all das wieder freuen können: das selbstbestimmte Leben, seinen Firmenwagen, 10.000 Euro Gehalt im Monat. Wie sonst hätte er das schaffen sollen? Es hat sich gelohnt, denkt Lemcke. „Was mich wirklich fuchsig macht, sind diese Leute, die jetzt ankommen und sagen: Du hattest verdammt viel Glück“, sagt er. „Natürlich hatte ich Glück. Aber es war auch echt viel Arbeit.“ Vielleicht, denkt er, muss er sich bald einen Geschäftsführer suchen.

Anne Lemcke denkt jetzt dauernd über die Zukunft nach.

Frank Thelen spricht jetzt gerne über „mehr Strukturen im Unternehmen“.

Stefan Lemcke redet jetzt oft von Loslassen.

20 Millionen Euro hat ihnen neulich jemand für Ankerkraut geboten. Lemckes hätten es vielleicht gemacht, Frank Thelen wollte nicht. Noch nicht. Er glaubt, dass Ankerkraut bald 50 Millionen wert ist. Ob das Angebot von Dieter Fuchs kam? Schweigen. Unwahrscheinlich ist es nicht. Monopolisten teilen ungern.

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