Gewürzmarkt Angriff auf Deutschlands letztes Monopol

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Schmackhaftere Speisen

Auf den Verlust im ersten Jahr folgte 2014 Gewinn. Der Umsatz stieg auf eine halbe Million Euro, erstmals blieben 70.000 Euro hängen, 2015 war es eine Viertelmillion. 2016 planten sie mit 3,5 Millionen Euro Umsatz. Dann bewarben sie sich in der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ (DHDL). Investor Frank Thelen bot ihnen 300.000 Euro für zehn Prozent der Firmenanteile – und seine Unterstützung für das „Ausrollen“ der Marke in den LEH, den Lebensmitteleinzelhandel: Rewe, Edeka, Kaufland.

Tatsächlich interessieren sich seit ein paar Jahren immer mehr Menschen dafür, wie sie ihre Speisen schmackhafter bekommen. Über 700 Millionen Euro geben die Deutschen jedes Jahr für Aromen aus. Lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Gewürzen 1970 noch bei 115 Gramm, waren es 2002 schon fast 400, 2020 könnten es 600 Gramm pro Bundesbürger sein. Auf einmal sind Gewürze nicht mehr etwas für den Küchenschrank, sondern für den Präsentierteller. Ankerkraut habe „mindestens die Hälfte“ seines Erfolges der Optik zu verdanken, sagt Anne Lemcke, 38.

Das Business ist auch deshalb interessant, weil die Margen hoch sind. Von einem Euro, den Ankerkraut einnimmt, bleiben fast 70 Cent als Rohgewinn übrig. Rechnet man Personal- und Mietkosten ein, sind es 50 Prozent. Dann kommen Steuern und Abgaben. 800.000 Euro hat Ankerkraut im vergangenen Jahr angegeben, 250.000 davon gingen an das Finanzamt. 20 Prozent Reingewinn blieben stehen. Dieses Jahr nun soll der Umsatz auf zehn Millionen klettern, vielleicht schaffen sie auch zwölf. Allerdings wird wohl die Marge sinken, weil auch der Einzelhandel nun mitverdienen will. Wenn es denn klappt.

Die größten Lebensmittelhersteller der Welt

Es wäre die Ankunft in der Königsklasse. Produkte über das Internet an Endkunden zu verschicken ist das eine. Etwas ganz anderes ist es, flächendeckend in die Regale der über 55.000 deutschen Supermärkte zu gelangen. Vor allem, weil fast alle Einzelhändler Deals mit Marktführer Fuchs haben. Der liefert nämlich nicht nur Pulver und Salze, sondern gleich auch die Regale, gefertigt von einer eigenen Tischlerei, und Hunderte Mitarbeiter im Außendienst, die täglich kontrollieren, dass auch immer genug Nachschub da ist und das Mindesthaltbarkeitsdatum passt.

Das spart den Kaufleuten Geld, macht sie aber auch abhängig. Fuchs, der mit einer Ausnahme vor einigen Jahren noch nie mit Journalisten über sein Geschäft gesprochen hat, garantierte es lange eine Alleinherrscherposition im Würzregal. Allerdings auch Streit mit der Konkurrenz. 2002 etwa lag er mit dem Kartellamt im Clinch, weil ihm vorgeworfen wurde, den Marktleitern Werbekostenzuschüsse zu zahlen, wenn diese die Konkurrenzprodukte auslisteten. 2006 musste er eine Viertelmillion Euro Strafe zahlen, weil er sich über das Verbot dieser Praxis von 2002 hinweggesetzt hatte. Verhindern konnte nichts davon Fuchs’ Aufstieg zum deutschen Gewürzkönig.

Auch deshalb ist heute von so manchem im Handel zu hören, wie froh sie sind, ihren Kunden endlich mal eine Alternative zum ewigen Fuchs anbieten zu können: Ankerkraut etwa. Die Hamburger haben zwar nur ein kleines Vertriebsteam aufgebaut, das mit drei Mitarbeitern versucht, jedenfalls die großen Märkte in den Ballungszentren regelmäßig zu besuchen. Die beiden Chefs packen aber immer auch selbst mit an.

So steuert Anne Lemcke ihren Audi-Geländewagen an einem Sommermorgen durch die Straßen einer ostdeutschen Großstadt. Sie ist auf dem Weg zu einer Warenbörse. Diese Minimessen sind meist eintägige Verkaufsshows, bei denen sich die Hersteller einer Hundertschaft Kaufleute präsentieren, die auf Kommando mit kleinen Einkaufskörben bewaffnet das Messegelände stürmt. Es geht zu wie auf einem Basar: Die Kaufleute geben die Rabatt-Verhandler, Ankerkraut als Neuling indes muss zwischen Halloren-Kugeln und Eckes Edelkirsch den Ost-Marktleitern das Konzept erklären. „Meine Kunden brauchen nur Salz und Pfeffer“, ist ein Spruch, den Anne Lemcke an diesem Tag nicht nur einmal hört.

Und dennoch geht sie immer wieder los, schwärmt von Marge und Zutaten und erwähnt, dass Ankerkraut im Fernsehen war. „Immer wenn ich jemanden anspreche, habe ich Angst, einen Korb zu kriegen“, stöhnt Lemcke, nachdem sie zwei Stunden lang becirct hat. „Ich komme mir schon vor wie eine Prostituierte.“ 50 Pappaufsteller à 100 Gewürzgläser hatte sie sich für den Tag vorgenommen, 85 werden es am Ende. Klar, woran es gelegen hat: „Die Höhle der Löwen“.

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