Hafen-Boom Duisburg zieht fast mit Hamburg gleich

Europas größter Binnenhafen wächst kräftig: 2016 lag der Tonnage-Umschlag in Duisburg erstmals fast gleichauf mit dem Spitzenreiter Hamburg. Für die Ruhrgebietsstadt ist der boomende Hafen ein Rettungsanker.

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Obwohl das traditionelle Geschäft mit Stahl und Importkohle einbricht, konnte Europas größter Binnenhafen den Warenumschlag erhöhen. Quelle: dpa

Düsseldorf Der Zugang zu den Weltmeeren ist 200 Kilometer entfernt; allein über den Rhein, eine Güterzugtrasse und die Autobahn hält Duisburg Kontakt mit dem fernen Rotterdam. Die Ruhrgebietsstadt ist dennoch dabei, Hamburg den Titel als größter Hafen der Republik streitig zu machen – zumindest beim Vergleich der Hamburger Seefracht mit der umgeschlagenen Tonnage im Duisburger Hafen.

2016 zählte die Hafengesellschaft Duisport gemeinsam mit den umliegenden privaten Werkshäfen 133 Millionen Tonnen an Güterverkehr. Obwohl das traditionelle Geschäft mit Stahl und Importkohle weiter einbrach, schaffte Europas größter Binnenhafen ein Plus von 3,1 Prozent, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. „Wir konnten diese Rückgänge substituieren“, sagte Duisport-Vorstandschef Erich Staake dem Handelsblatt, „vor allem durch wachsendes Containergeschäft.“

Die Folge: Duisburg holte Hamburg, nach Rotterdam und Antwerpen der drittgrößte Seehafen Europas, im vergangenen Jahr nahezu ein. Die Hanseaten zählten an ihren Kaimauern 138,2 Millionen Tonnen Frachtgut – nicht einmal vier Prozent mehr als die Tonnage in Duisburg.

Weil Deutschlands Spitzenreiter unter den Sanktionen gegen Russland leidet, dem nach China zweitgrößten Handelspartner der Stadt, stieg an der Elbe der Umschlag 2016 nur um 0,3 Prozent. Im Vorjahr war er sogar um 5,4 Prozent gesunken. Dass sich die Frachtmenge bis 2025 auf mehr als 296 Millionen Tonnen verdoppeln wird, wie eine von der Hamburg Port Authority in Auftrag gegebene Studie 2010 prognostizierte, glaubt in der Hansestadt inzwischen niemand mehr.

Zum einen sorgt die sich hinziehende Elbvertiefung dafür, dass die immer größer werdenden Containerfrachter zunehmend Wettbewerbshäfen wie Rotterdam, Antwerpen oder Wilhelmshaven anlaufen. Zum anderen verpasste die Hafengesellschaft HHLA unter ihrem langjährigen Vorstandschef Klaus-Dieter Peters Expansionsgelegenheiten im Ausland.

Bis auf ein Containerterminal in der ukrainischen Hafenstadt Odessa und mehreren ausländischen Bahngesellschaften haben die Hamburger wenig vorzuweisen. Seit Anfang des Jahres soll Angela Titzrath, vormals Personalvorstand der Deutschen Post, verlorenes Terrain zurückgewinnen. Unterstützt wird sie durch Ex-Bahnchef Rüdiger Grube, den die mehrheitlich in Stadtbesitz befindliche und börsennotierte HHLA als Aufsichtsratschef verpflichtete.

Weitaus aggressiver ging bislang die Duisburger Hafengesellschaft zu Werke, wo Vorstandschef Erich Staake seit über 18 Jahren die Geschäfte leitet. In Dubai etwa sorgt Duisport gemeinsam mit dem Hafenbetreiber DP World für die Hinterlandanbindung. Auch für das brasilianische Santos schneiderte Staakes Mannschaft ein Konzept, um den größten Hafen des Landes mit dem Inlandsnetz zu verbinden.


Enge Verbindung nach China

Die internationalen Verbindungen kommen dem Duisburger Hafen oft unmittelbar zugute. Schon seit März 2011 lässt Staake Güterzüge zwischen Duisburg und den chinesischen Metropolen Chengdu, Chongqing und Urumqi rollen – im Wettbewerb zu langsameren Schiffscontainern und teuren Frachtflugverbindungen. 20 Züge starten pro Woche auf der „Eisernen Seidenstraße“, wie Logistikexperten die Zugverbindung nennen.

Vor fünf Monate unterzeichnete Staake in Hongkong ein Abkommen mit der Logistikdivision der China Merchants Group (CMG). Sie besitzt 31 Häfen in 18 Ländern und betreibt 1148 Logistikcenter in zahlreichen Metropolregionen. Gemeinsam mit der Staatsholding werden sich die Duisburger an Logistikbetrieben entlang der Eisenbahnlinien beteiligen. „Wir wollen Duisport zum führenden Transport-Hub in Europa für die Chinaverkehre entwickeln“, sagt Staake.

Auf der Südroute der Seidenstraße ist Duisport schon jetzt unterwegs. Ende 2015 unterzeichnete Duisburgs Hafengesellschaft mit der türkischen Arkas Holding ein 80 Millionen Euro schweres Bauprojekt in der Nähe Istanbuls, wo eine 200.000 Quadratmetern große Logistikdrehscheibe entstehen soll. „Das Projekt geht trotz der zwischenstaatlichen Schwierigkeiten weiter“, sagt Staake, der für Geschäftsanbahnungen gern politischen Freundschaften nutzt. Sogar in Teheran lotete er zuletzt gemeinsam mit Altbundeskanzler Gerhard Schröder mögliche Logistikprojekte aus.

Die rege Geschäftstätigkeit ließ den Umsatz von Duisport 2016 auf eine Rekordhöhe von 230 Millionen Euro klettern – sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Auch beim Vorsteuerergebnis des Hafenbetreibers, der zu zwei Dritteln dem Land Nordrhein-Westfalen und zu einem Drittel der Stadt Duisburg gehört, ging es um zwei auf 19 Millionen Millionen Euro nach oben.

Die schnelle Zugverbindung nach China zieht zahlreiche Zulieferbetriebe in den Duisburger Hafen, wo Duisport gerade sein sechstes Logistik-Areal („Logport VI“) erschließt. Seitdem Audi und VW vor knapp fünf Jahren ihren Autoteileversand für Nordamerika im Duisburger Hafen aufbauten, entwickelt sich dort ein Cluster. Zuletzt siedelte der Autozulieferer Benteler einen Teil seiner Logistik im Duisburger Hafen an, ebenso die chinesische Firma Nanjing High Accurate Drive Equipment. Daimler will ab dem laufenden Jahr ebenfalls über Duisburg Fahrzeugkomponenten exportieren.

Für die strukturschwache Ruhrgebietsstadt ist der boomende Hafen ein Rettungsanker. 300 Betriebe haben sich dort inzwischen angesiedelt, 26.000 neue Jobs entstanden direkt und indirekt seit dem Jahr 2000, 1000 davon 2016. Damit soll es nun weitergehen: Rund 500 Arbeitsplätze, verspricht Staake, werde in diesem Jahr der Ausbau von Logport VI bringen – zusätzlich zu den 500 Jobs, die das Daimler-Logistikzentrum in Duisburg-Ruhrort bringt.

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