Hamsterkäufe Hier lässt der Notfall-Plan die Kassen klingeln

Die „Konzeption Zivile Verteidigung“ der Bundesregierung empfiehlt Bürgern, sich vorsorglich für einige Tage mit Lebensmitteln und Trinkwasser einzudecken. Das freut die Notfall-Ausrüster: Sie erleben einen Boom.

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Die Deutschen sollen Lebensmittel horten. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wohin aufs Klo, und wie komme ich im Ernstfall an sauberes Trinkwasser und Essen? Der Krisen-Plan der Bundesregierung mag von manchen Kritikern als Panikmache verspottet werden, aber viele Bürger in Deutschland hat er offensichtlich ins Grübeln gebracht. Seit einigen Tagen verzeichnen Notfall-Ausrüster einen regelrechten Bestell-Boom.

Zwar empfiehlt das Konzept lediglich, einen Vorrat an Lebensmitteln und Wasser für einige Tage anzulegen - doch mancher möchte lieber gleich für längere Zeit auf Nummer sicher gehen. Notfall-Pakete mit Trockennahrung, Tabletten zur Wasserreinigung, Einmaltoiletten, Kurbelradio, Sturmlaterne und Gaskocher finden derzeit verstärkten Absatz - ob vom Versandriesen Amazon oder vom kleinen Spezial-Anbieter.

„Seit Sonntagabend drehen die Leute am Rad. Wir arbeiten mehr oder weniger rund um die Uhr“, berichtet beispielsweise Benjamin Bleich vom Anbieter SeguRisk aus Hilden in Nordrhein-Westfalen.

Das Bundesamt empfiehlt...
Quelle: IMAGO
Einige Lebensmittel wie Brot könnten eine 14-tägige Vorratsdauer nicht überstehen. Deshalb empfiehlt das Bundesamt hier eine größere Auswahl, nämlich: 1000 g Vollkornbrot, 400 g Zwieback, 1000 g Knäckebrot, 500 g Nudeln (roh), 750g Getreide-/Haferflocken, 1000 g Kartoffeln (roh) Quelle: DPA
Nahezu unbegrenzt haltbar sind Konservendosen. Gemüse wie Rotkohl oder Dosenmais lässt sich so verlustfrei einlagern – und liegt im Ernstfall bereit. 800 g Bohnen in Dosen, 900 g Erbsen und Möhren in Dosen, 700 g Rotkohl in Dosen, 400 g Spargel in Gläsern, 400 g Mais in Dosen, 400 g Pilze in Dosen, 400 g saure Gurken im Glas, 400 g rote Beete, 500 g frische Zwiebeln Quelle: IMAGO
Das gleiche gilt für Obst. Anders als viele annehmen, enthält auch Konservenobst noch Vitamine – und eignet sich damit optimal als Lebensmittel für den Notvorrat. 700 g Kirschen im Glas, 250 g Birnen in Dosen, 250 g Aprikosen in Dosen, 350 g Mandarinen in Dosen, 350 g Ananas in Dosen, 200 g Rosinen, 200 g Haselnusskerne, 250 g Trockenpflaumen Quelle: IMAGO
Das klassische Getränk für den Notvorrat ist selbstverständlich: Wasser. Doch das Bundesamt empfiehlt mehr Auswahl. 28 l Mineralwasser, 0,2 l Zitronensaft, 250 g Kaffeepulver, 125 g schwarzer Tee Quelle: dpa
So lecker der Camembert im Bild auch aussieht: Für einen Notvorrat, der auch bei einem Stromausfall noch haltbar bleiben soll, eignet sich Hartkäse deutlich besser. 3 l H-Milch 3,5% Fett, 700 g Hartkäse Quelle: DPA
Die einen lieben, die anderen verabscheuen ihn – am Dosenthunfisch scheiden sich die Geister. Im Notvorrat darf er trotzdem nicht fehlen. 150 g Thunfisch in Dosen, 100 g Ölsardinen in Dosen, 100 g Heringsfilet in Soße, 250 g Corned Beef in Dosen, 300 g Bockwürstchen im Glas, 300 g Kalbsleberwurst im Glas, 360 g Dauerwurst (z. B. Salami), 10 Eier Gewichtsklasse M Quelle: IMAGO

Schon oft hat sich der Unternehmer, der den Versand seit zehn Jahren betreibt, als eine Art Weltverschwörer belächelt gefühlt, weil sein Sortiment auf Krisenfälle abhebt. „Man muss das aber wie eine Versicherung sehen“, sagt Bleich. Die schließe man ja auch nur für den Fall der Fälle ab - und wenn man sie nicht braucht: umso besser.

Bisher zählten Anbieter wie SeguRisk vor allem Menschen zu ihren Kunden, die sich regelmäßig mit Vorbereitungen auf den möglichen Katastrophenfall auseinandersetzen - sogenannte Prepper. Der Krisen-Plan der Regierung ruft auch andere Teile der Bevölkerung auf den Plan.

Stephan Brienen, Inhaber des Online-Händlers Prepper-Shop, hat solche Effekte schon häufiger beobachtet: Bei Medienberichten etwa über längere Stromausfälle oder eine Wasserknappheit in bestimmten Regionen machten sich die Leute eben Gedanken: Was ist, wenn so etwas auch hier in Deutschland passiert?

Das kennt auch Horst Magiera von der Dauerbrot GmbH im schleswig-holsteinischen Traventhal. Das Geschäft mit Dosenbrot explodiere regelrecht seit einigen Tagen, sagt Firmeninhaber Horst Magiera. Mit einem Dauer-Schub rechnet er allerdings nicht. „Das ist ein vorübergehender Hype, der sich in 14 Tagen wieder gelegt hat“, glaubt der Firmeninhaber.

"Es gibt nullkommagarkeine Veränderungen"

Ganz billig ist die Notfall-Versorgung indes nicht. Ein Zehn-Tages-Paket, mit dem sich die Kunden für etwaige Ausfälle der Wasser-, Strom- oder Gasversorgung rüsten können, ist beim Prepper-Shop für 249 Euro zu haben. Wer sich für 90 Tage mit Fertignahrung eindecken will, muss beispielsweise beim Anbieter Conserva.de zwischen etwa 800 und 1500 Euro hinblättern - je nach persönlichen Ansprüchen an die tägliche Zahl der Mahlzeiten und Geschmack. Die Palette reicht von Hühnchen süß-sauer über Rührei mit Kochschinken und Bratkartoffeln bis zu Kirschkuchen aus der Dose. Und auch Vegetarier müssen im Notquartier nicht hungern, wenn sie vorgesorgt haben: Es gibt auch fleischlose Notfall-Pakete.

Im deutschen Lebensmittel-Handel sieht man derweil noch keinen großen Ansturm auf Mineralwasser, Konserven oder Trockennahrung. „Es gibt nullkommagarkeine Veränderungen“, meint ein Sprecher der Rewe-Gruppe. Das gelte für Rewe, aber auch für die konzerneigene Discounterkette Penny und für die toom-Baumärkte des Handelsriesen. Auch bei Aldi Süd gab es „keine vermehrte Nachfrage nach bestimmten Vorräten“. Aldi Nord bemerkte ebenfalls „nichts Auffälliges“ in den Geschäften.

Spürbar würde ein solcher Nachfrageschub auch erst, wenn es tatsächlich zu regelrechten Hamsterkäufen käme, also deutlich mehr Menschen als sonst über einen längeren Zeitraum „in nicht haushaltsüblichen Mengen“ einkaufen, erläutert Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels.

Grundsätzlich gebe es Notfallmaßnahmen und -pläne für bestimmte Risiken wie Stromausfälle durch Cyberattacken. So sind große Zentrallager mit Notstromaggregaten ausgerüstet. Für jegliches Szenario aber kann sich auch die Lebensmittel-Branche nicht rüsten. „Auf den Ausnahmefall kann man sich eben nur in gewissen Grenzen vorbereiten“, sagt Böttcher.

Das Münchner Beratungsunternehmen Corporate Trust sieht auch die übrige Wirtschaft grundsätzlich gut gerüstet für Notfälle, die sofortiges Handeln erfordern, wie Geschäftsführer Uwe Knebelsberger sagt. Nachholbedarf gebe es aber noch beim strategischen Krisenmanagement.

Auch die Bürger könnten sich besser schützen, meint Knebelsberger. „Allerdings bin ich skeptisch, dass aus dem neuen Konzept der Bundesregierung die Bürger mehr Eigeninitiative entwickeln werden“, sagt er. „Schließlich wissen wir auch, dass wir einer Zunahme von Haus- und Wohnungseinbrüchen gegenüber stehen - und wie viele Prozent der Bevölkerung haben ihren Schutz tatsächlich verbessert?“

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