Handel Wie wir im Supermarkt der Zukunft einkaufen

Keine langen Schlangen, keine nervigen Kassierer. Wanzl, Amazon, Albert Heijn und Walmart haben Technologien für einen effizienteren Einkauf. Eine Münze braucht der Einkaufswagen in Zukunft nicht – und er kann noch mehr.

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Technologien für einen effizienteren Einkauf: Eine Münze braucht der Einkaufswagen in Zukunft nicht mehr – und er kann noch mehr. Quelle: Mona Fromm für WirtschaftsWoche

„Wo ist denn der Schlitz für die Euromünze im Einkaufswagen?“, dürfte sich so mancher fragen, wenn er demnächst den Einkaufswagen entriegeln will. Die Antwort: Es gibt keinen. Die neuen Modelle lassen sich per Bluetooth-Verbindung ausleihen. Smartphone in die Halterung geklemmt, los geht die Fahrt in den vernetzten Supermarkt.

Doch erst muss eine Schranke passiert werden: eine Lichtschranke, die mit RFID (radio-frequency identification) ausgestattet ist. Die RFID-Technologie erkennt und speichert, welcher Einkaufswagen in den Laden fährt. Auf der einen Seite beginnen Spaß und personalisierte Angebote, die auf dem Handy per Push-Benachrichtigung aufpoppen, auf der anderen Seite beginnt die Überwachung.


Selbstfahrende Einkaufswagen

Immerhin kann der der Ladenleiter nachhalten, wann sich wie lange welcher Wagen vor welchem Regal in welcher Abteilung befindet. Das System heißt „Wanzl connect“ und wurde vom weltgrößten Hersteller von Einkaufs- und Gepäckwagen Wanzl entwickelt. Das Konzept ist eine von vielen Technologien, die mittlerweile unseren Einkaufsalltag erleichtern.

Walmarts selbstfahrender Einkaufswagen

Bald werden auch Shopper in den USA schneller und einfacher durch den Laden fahren. Besser gesagt: Der Einkaufswagen bei Walmart wird selbst fahren. Die amerikanische Supermarktkette arbeitet mit dem Start-up „Five Elements Robotics“ an dem smarten Warenkorb. Kunden schicken ihm ihre Einkaufsliste per App. Der Wagen navigiert sie zum richtigen Regal und scannt die Produkte, sobald der Kunde sie einpackt.


Werbung mit mehr Wirkung

Mit der entsprechenden App kann der Shopper auch bald in Deutschland die Ware scannen, wenn Wanzl sein System bei seinen Kunden integriert. Produkt aus dem Regal nehmen, mit dem Handy den Barcode scannen, in den Wagen legen. Alle Infos zum Produkt erscheinen auch noch einmal in der App. In der Nähe eines Regals mit Bluetooth-Beacon erscheint in der App ein Werbevideo zum Produkt. Die andere Möglichkeit der künftigen Werbung: Am Regal sind kleine Bildschirme dort installiert, wo sonst noch Preisschilder hängen. Das Öffnen eines prickelnden Erfrischungsgetränks im Mini-Film soll den Kunden zum Kauf verleiten.

Und wenn er ein Produkt vergessen hat und schon bezahlen möchte, erinnert die App ihn und navigiert ihn direkt zum richtigen Regal – vorausgesetzt, er hat zu Hause vorher seine Einkaufsliste digital eingetippt. Im Kassenbereich werden wir uns in Zukunft nicht mehr anstellen müssen. Stattdessen werden wir nur den QR-Code auf unserem Smartphone eine Lichtschranke halten, um zu bezahlen.


Kassierer werden überflüssig


Nicht nur die Endkunden genießen mehr Komfort und Effizienz beim Einkauf. Markus Pfitzmaier, Product Manager bei Wanzl, erklärt, dass auch – und vor allem – der Einzelhändler profitiere: „Der Store Manager hat den Überblick über seine gesamte Filiale.“

Das Ergebnis ist eine erhöhte Betriebsbereitschaft der Geräte im Markt sowie die bessere Verfügbarkeit von Einkaufswagen, ist Pfitzmaier überzeugt. Der Leiter weiß, wo sich wie viele Wagen befinden, auf seinem Bildschirm wird angezeigt, wenn der Pfandrückgabeautomat voll oder die Kühltheke mit dem Rohfleisch defekt ist. Dadurch soll der Manager schneller handeln können.

Bei Albert Heijn kassiert der Kunde selbst

Was Wanzl noch auf der Euroshop, der internationalen Fachmesse des Handels für Ladenbau, Einrichtung, Store Design und Point of Sale-Marketing, präsentierte, ist in den Niederlanden schon Realität. In einigen „Albert Heijn“-Supermärkten muss der Kunde das Kassieren selbst übernehmen. Er bekommt am Eingang des Ladens einen Scanner in die Hand gedrückt, mit dem er die Waren scannt, bevor sie in den Einkaufskorb wandern.

Bei Albert Heijn machen Kunden die Arbeit

Der nächste Schritt zur Überwachung ist die Verfolgung der Laufwege der Kunden. In den USA gibt es das bereits; der erste „Amazon Go“-Store hat vorerst jedoch nur für Mitarbeiter in einer Beta-Version geöffnet. Bald sind auch Kunden an der Reihe. Doch stehen sie nicht in einer Reihe. Das Konzept von Amazon Go ist ein kassenloses System, bei dem sich der Kunde nicht mehr in langen Schlangen anstellen muss. Er betritt den Laden und verbindet sich über die Amazon-App auf seinem Handy. Durch Kameras und Sensoren überwacht Amazon alle Waren in den Regalen und alle Kunden. Die Technik erkennt, welche Produkte in den Wagen oder die Tasche gelegt werden. Packt der Kunde ein Produkt ein, sieht er es zugleich im digitalen Warenkorb auf seinem Smartphone.

Totale Überwachung bei AmazonGo

Ausgecheckt wird dann automatisch, wenn der Kunde mit Handy und Tasche oder Einkaufswagen durch den Ausgang geht. Amazon nennt das die „Just Walk Out“-Technologie (einfach hinausschlendern). Sobald er draußen ist, wird der Betrag vom Amazon-Account abgebucht.

Im Frühjahr 2017 sollen laut Amazon auch Kunden im kassenlosen Laden in Seattle einkaufen können. Doch bis das Konzept in Deutschland eingeführt wird, dürfte es noch ein bisschen dauern. Denn viele Deutsche wollen ihre Daten nicht teilen, wie eine Studie von Comarch und Kantar zeigt. Zwar glauben 87 Prozent der Deutschen an digitale Services wie In-Store-Navigation und Bluetooth-Verbindungen mit dem Handy, doch genauso viele wollen die neuen Möglichkeiten nicht unbedingt nutzen.

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