Am Anfang war der Bär. Der berühmte Haribo-Goldbär ist 1922 - zwei Jahre nach Firmengründung - geboren worden. Hans Riegel Senior, Gründer des Bonner Süßwarenherstellers, kreierte 1922 seine erste Gummibären-Form und schrieb damit Fruchtgummigeschichte. Das Ur-Gummibärchen war von den Tanzbären auf den Jahrmärkten inspiriert und hieß in den 1920er Jahren dementsprechend auch noch "Tanzbär".
Drei Jahre lang schwang sich Gertrud Riegel, Mitarbeiterin und Ehefrau des Unternehmensgründers jeden Tag aufs Rad und brachte die frisch gegossenen Gummibären an den Mann. Heute, bei einer Tagesproduktion von rund 100 Millionen Gummibärchen, setzt Haribo auf ein ausgeklügeltes Logistiksystem und Vertriebsgesellschaften in der ganzen Welt.
1925 kam zum Sortiment des Unternehmens, das damals noch aus einer Bonner Waschküche heraus geführt wurde, noch ein zweiter, schwarzer, Bär hinzu - Haribo setzte auf Lakritz. Neben dem schwarzen Bären stellt das Unternehmen Lakritzschnecken und -stangen mit dem aufgepressten Haribo-Schriftzug her. Erst 1960 kommen die Goldbären auf den Markt, die auch heute auf der ganzen Welt verkauft werden. 1967 werden die Bären vom Deutschen Patentamt offiziell als eingetragenes Warenzeichen anerkannt.
Der Expansionskurs von Haribo bis Anfang der 80er
Ende der 20er-Jahre nimmt Haribo Kontakt mit Christian und Eckhof Hansen von der Sukkervarenfabrikker Danmark auf. 1935 entsteht aus der Geschäftsbeziehung das Unternehmen Haribo Lakrids A/S Kopenhagen.
Im Jahr 1957 übernimmt Hans Riegel seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Godesberger Firma Kleutgen & Meier. Nach der Übernahme durch Haribo produziert und verkauft die Firma Fruchtgummis unter dem Markennamen Monarch.
Haribo verschlägt es in die Niederlande. Das Unternehmen übernimmt im Jahr 1961 die Bonera Industrieen Handelsmaatschappij N.V. in Breda, Holland. Nach Umfirmierung heißt die Firma Haribo Nederland B.V.
1967 führt der Expansionskurs das Bonner Unternehmen nach Frankreich, wo es Anteile der Süßwarenfabrik Lorette kauft. Nach der Übernahme heißt das Unternehmen mit Sitz in Marseille Haribo France S.A.
Doch auch in Deutschland ist Haribo nicht untätig und erwirbt im Jahr 1968 Anteile der Solinger Firma Dr. Hillers AG. Sechs Jahre später kauft das Unternehmen auch die restlichen Anteile.
1971 kauft Haribo die Mehrheit der Anteile an der fränkischen Traditionsfirma Bären-Schmidt.
1972 macht sich Haribo auch auf den Weg nach England und beteiligt sich an dem britischen Traditionsunternehmen Dunhills. 1994 geht die Firma zu 100 Prozent an den Bonner Süßwarenhersteller über und ändert seinen Namen in Haribo Dunhills PLC.
In Helsingborg, Schweden, entsteht die Vertriebsorganisation Haribo Lakrits AB.
Auch in Österreich entsteht eine Vertriebsorganisation. Erst elf Jahre später, im Jahr 1988, beginnt die dortige Haribo Lakritzen Hans Riegel Betriebsgesellschaft mbH mit einer eigenen Produktion.
62 Jahre nach der Gründung des Unternehmens schafft Haribo den Sprung über den großen Teich und errichtet in Baltimore, Maryland, den Vertrieb "Haribo of America Inc.".
Seit Mitte der 1930er Jahre gibt es übrigens den Slogan zu den Süßigkeiten aus Bonn: "Haribo macht Kinder froh". Erst rund 30 Jahre später wird er vom heutigen Firmenchef Hans Riegel Junior um den Zusatz "und Erwachsene ebenso" ergänzt. Laut Angaben des Unternehmens ein Geniestreich: Angeblich kennen 98 Prozent der Deutschen die Werbebotschaft und verbinden die entsprechenden Produkte auch mit der Marke.
1,8 Milliarden Euro mit Bären, Schnecken und Konfekt
Ob es tatsächlich 98 Prozent der Deutschen sind, mag dahingestellt sein, aber auch Markus Braun vom Kölner Markt- und Meinungsforschungsinstitut Yougov bestätigt: "Haribo gehört zu den stärksten Marken Deutschlands und ist sehr beliebt." Im Yougov-Markenranking BrandIndex hat Haribo 78 von 100 möglichen Punkten. "Für die Branche ist das sehr, sehr gut", so Braun. Zum Vergleich: Konkurrent Katjes hat nur 43 Punkte. Und diese Beliebtheit zahlt sich auch finanziell aus: Nach Angaben der Lebensmittelzeitung machte das Unternehmen im Jahr 2011 einen Umsatz in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Damit wären die Bonner im internationalen Vergleich der siebtgrößte Süßwarenhersteller. Zu konkreten Umsatzzahlen schweigt Haribo.
Riegel dachte nicht ans Aufhören
Hans Riegel Junior führte das Unternehmen seit 1946. Bis zu dessen Tod im August 2009 stand ihm sein Bruder Paul zur Seite. Nachdem die Brüder 1946 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt waren, machten sie sich an den Wiederaufbau des Unternehmens. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Hans Riegel übernahm den kaufmännischen Bereich einschließlich Marketing und Vertrieb, sein Bruder Paul kümmerte sich um Technik und Produktion. Heute hat Paul Riegels Sohn Hans-Guido die technische Leitung des Unternehmens inne.
Die Riegelbrüder bauten das lokale Süßwarenunternehmen zum Global Player aus. Bereits 1950 arbeiteten rund 1000 Mitarbeiter für Haribo, 1945 waren es noch 30 gewesen. Das Unternehmen expandierte mit Gummibärchen und Kaubonbons in mehr als 20 Länder.
Der Expansionskurs von Haribo von 85 bis heute
Drei Jahre nachdem Haribo in den USA Fuß fassen konnte, kauft das Unternehmen die südfranzösische Firma Ricqles Zan. Aus der Fusion der Ricqles Zan mit der bereits 1967 gegründeten Haribo France S.A. geht Ende 1987 die neue Firma Haribo-Ricqles Zan S.A. hervor. Das Unternehmen mit Standorten in Marseille und Uzès beliefert Frankreich und Südeuropa mit Fruchtgummis und anderen Süßwaren.
1986 übernimmt Haribo die Edmund Münster GmbH & Co. KG in Neuss. Das Unternehmen wurde im Jahre 1898 als "Düsseldorfer Lakritzenwerk" gegründet und zwei Jahre später vom Industriellen Münster übernommen. Münster hatte 1930 auch die Lizenz für Kaubonbons erworben. Mit der Übernahme der Edmund Münster GmbH & Co. KG 1986 gelangte so auch "Maoam" zu Haribo.
1989 entsteht im norwegischen Oslo die Vertriebsorganisation Haribo Lakris A/S.
Nach dem Mauerfall übernimmt Haribo die Süßwarenfabrik WESA mit Sitz in Wilkau-Haßlau. Ursprünglich als Lebkuchen- und Schokoladenfabrik gegründet war das Unternehmen zu Zeiten der DDR zum volkseigene Betrieb geworden.
Ebenfalls 1990 schafft sich Haribo ein Standbein in Italien, in dem das Unternehmen 100 Prozent der Aktien der Mailänder Firma Sidas Dolciaria S.p.A. kauft. Nach der Übernahme wird daraus die Haribo Italien S.p.A.
Haribo erweitert sein Geschäftsfeld in Finnland und gründet die Vertriebsorganisation Haribo Lakrids Oy AB in Helsinki.
1993 übernimmt Haribo die 1975 eingetragene Marke Vademecum: Vadamecum hatte Zahnpflegekaugummis und Hustenbonbons vertrieben.
1995 eröffnet der Süßwarenproduzent eine Produktionsstätte in Spanien, die Haribo España S.A.
Haribo übernimmt die belgische Firma Dulcia. Seit 2007 produziert die Haribo Belgie B.V.B.A die Marshmallow-Marke "Haribo Chamallows".
Haribo kauft den spanischen Süßwarenproduzenten Geldul in Alicante und gründet die Vertriebsniederlassung HARIBO CZ s.r.o in Tschechien.
Seit dem Jahr 2000 produziert Haribo auch in Ungarn. Außerdem erweitert das Unternehmen sein Imperium um den niederländischen Süßwarenhersteller Hoepman.
Das Unternehmen aus Bonn erschließt sich im Jahr 2001 mit der Übernahme des türkischen Fruchtgummi- und Schaumzuckerherstellers Pamir Gida Sanayi A.S auch den arabischen Raum.
2002 eröffnet Haribo eine Vertriebsniederlassung in Polen.
Haribo gründet die Vertriebsniederlassung Ooo Haribo Konfetey in Moskau.
Ein Jahr später baut das Unternehmen auch in der Slowakei eine Vertriebsorganisation auf.
Im Jahr 2005 kommen zum Goldbären-Imperium noch Vertriebsorganisationen in Australien und Portugal dazu.
Seine Inspiration für Süßwarentrends holte sich Goldbären-Chef Riegel aus Kinderserien, Magazinen und Comics. "Ich muss darüber informiert sein, was sie naschen wollen, was sie denken, welche Sprache sie sprechen", sagte der Firmenpatriarch. Seit nunmehr 67 Jahren führt er das Unternehmen. Am 9. März feiert Riegel seinen 90. Geburtstag. Am heutigen Dienstag gab das Unternehmen Haribo den Tod des Patriarchen bekannt, der bis zum letzten Tag nicht ans Aufhören dachte. "Ich mache meine Arbeit, weil sie mir Freude macht, und ich habe keinen Grund, mir die Freude selbst zu nehmen", sagte der Haribo-Chef einmal in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Undurchsichtige Nachfolgeregelung
Gemeinsam mit Bruder Paul teilte er sich bis 2009 die Anteile an dem Unternehmen - auch wenn das Verhältnis unter den Brüdern und vor allem zwischen Hans Riegel und der nächsten Generation schwierig war. Dementsprechend lange beschäftigte die Nachfolgefrage das Unternehmen: Im Jahr 2010 entschied sich Haribo dann für eine neue Unternehmensstruktur - allerdings erst nach einem Schiedsspruch der Industrie- und Handelskammer in Bonn.
Seit gut drei Jahren steht die Haribo Holding GmbH & Co. KG an der Spitze der weltweit agierenden Gruppe: Je 50 Prozent daran halten der Firmenpatriarch Hans Riegel sowie die Paul Riegel Familienholding - also Paul Riegels Kinder Hans-Jürgen, Hans-Guido, Andrea und Hans-Arndt. Eine Ebene darunter agieren zwei Gesellschaften: eine für das Inlands- und eine für das Auslandsgeschäft. An der 2010 getroffenen 50:50-Regelung habe sich auch bis heute nichts geändert, wie Firmensprecher Marco Alfter gegenüber WirtschaftsWoche Online bestätigte. Was nach seinem Tod mit Riegels Anteilen und seinem Vermögen, das in einer Stiftung in Österreich ruht, geschehen soll, wurde jedoch nie klar kommuniziert.
Zwist im Fruchtgummiland
Auch ändert die neue Struktur nichts am Streit zwischen den beiden Familienzweigen. So wollte Hans Riegel jahrelang einen anderen seiner Neffen als zweiten Geschäftsführer neben sich: Hans-Jürgen, Paul Riegels Sohn aus erster Ehe, sollte Nachfolger des Vaters werden. Er leitete bis 2005 das Frankreichgeschäft des Unternehmens, geriet dann aber so heftig mit dem Patriarchen aneinander, dass er im Herbst 2005 Haribo verließ. Trotzdem zeigt sich der Fruchtgummi-Riese - zumindest nach außen - geschlossen. "Damit hat die Familie die Weichen für die Zukunft gestellt", bilanzierte Hans Riegel damals. Nun ist die Frage, wie es nach dem Tod des Chefs weitergehen wird.
Bleibt Gottschalk Markengesicht?
Aber nicht nur intern ist bei der Gummibärenschmiede nicht immer alles Gold, was glänzt. "In den vergangenen Monaten ist die Marke etwas schwächer geworden", sagt Braun von Yougov im März gegenüber WirtschaftsWoche Online: Es sei nur Spekulation, aber der Imageknick könnte daran liegen, dass das bekannte Werbegesicht, Thomas Gottschalk, seit seinem Weggang bei "Wetten, dass" nicht mehr so positiv behaftet sei. Gottschalk wirbt seit nunmehr 1991 für Goldbären & Co. Sein Vertrag mit Haribo läuft - unabhängig von seiner Fernsehpräsenz - noch bis zum Jahr 2013, wie Alfter sagte. Ob der Vertrag verlängert werde oder nicht, sei derzeit im Gespräch.
Andere Partnerschaften, wie die seit 2008 existierende Kooperation mit der Fluglinie Tuifly, solle dagegen auf jeden Fall weitergeführt werden. Gerade diese, auf den Namen bAIR-Line getaufte Partnerschaft sei sehr erfolgreich, wie Alfter sagt. Seit Ende 2008 sind für die Linie zwei Haribo-Sondermodelle im Einsatz und fliegen Urlauber in die Ferien. Aber ob Gottschalk nun bleibt oder nicht, ernsthaft gefährden könne das Image der Marke ohnehin kaum etwas, ist sich Meinungsforscher Braun sicher. "Die Marke Haribo ist sehr, sehr stark", betont er.
Auch die Klage der Kartellbehörden gegen den Süßwarenhersteller habe auf die Beliebtheit des Unternehmens und dessen Produkte keinen Einfluss gehabt, so Braun. "Das Image ist über die Jahre sehr stabil geblieben." Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, dass sich Mitarbeiter zwischen 2006 und 2008 mit hochrangigen Mitarbeitern von Ritter Sport, Mars und Nestlé über ihre jeweiligen Verhandlungen mit Einzelhändlern ausgetauscht haben. 2,4 Millionen Euro musste das Unternehmen damals zahlen. Die Lehre daraus habe man gezogen, wie Alfter sagt. In entsprechenden Schulungen habe das Unternehmen "jedem Mitarbeiter klar gemacht: was darf man, was darf man nicht?"