Der Schnäuzer von Herbert Hainer ist Geschichte wie die alte Panzerhalle der US-Army, die einmal auf dem weitläufigen Gelände von Adidas im fränkischen Herzogenaurach stand.
Beide sind längst weg. Wo unter der Nase des Konzern-Chefs einst die Stoppeln sprossen, herrscht heute gepflegte Glätte. Smart sieht er inzwischen aus, der am längsten amtierende Chef eines Dax-Konzerns, nicht mehr nach Provinz, sondern nach Weltkonzern. Und wo einst amerikanische Kettenfahrzeuge parkten, steht jetzt ein supermodernes Architektur-Ensemble aus Fitnesscamp, mehrsprachiger Kindertagesstätte und einem Parkhaus.
Für Fahrradfahrer gibt es hier eigene Stellplätze, freundliche Schrauber reparieren Reifen, beheizte Spinde trocknen feuchte Kleidung. Wenn es jetzt im Herbst ungemütlich wird in Franken, kredenzen Helfer Tee, um die Kälte zu vertreiben.
Doch ob Heißgetränk, Velo-Assistenten oder glatter Teint – all die schönen Dinge können nicht verdecken, dass Hainer im 14. Jahr seiner Amtszeit und drei Jahre vor deren offiziellem Ende Adidas praktisch neu erfinden muss. Sonst droht trotz aller Erfolge ein hartes Ende seiner Karriere.
Lange hat der inzwischen 60-Jährige alles getan, um Adidas als Unternehmen des Wandels mit kosmopolitischem Flair zu inszenieren und bei Umsatz und Gewinn zu Höhenflügen zu treiben. Doch nun kursieren Gerüchte, dass aggressive Hedgefonds bei dem Drei-Streifen-Konzern einsteigen und Hainer absetzen wollen. Investoren bieten für Reebok, jene US-Tochtermarke, mit der Hainer eigentlich den amerikanischen Konkurrenten Nike auf dessen Heimatmarkt in Bedrängnis bringen wollte.
In den Vereinigten Staaten, dem größten Sportmarkt der Welt, rutschte Adidas im Handel gerade erstmals auf Rang drei hinter dem Erzrivalen Nike und dem Neuling Under Armour. Der Abstand zum Weltmarktführer Nike wächst, statt zu schmelzen. Das Ziel, den Umsatz zwischen 2010 und 2015 von knapp 12 auf 17 Milliarden Euro zu steigern, kassierte Hainer nach langem Kampf in diesem Sommer offiziell und räumte eigene Fehler ein.
Langfristige Fehlentwicklung
Hainer hat durchaus einleuchtende Argumente für die Probleme: die Rubel-Krise im nach USA und China drittwichtigsten Markt Russland, wo Adidas mehr als eine Milliarde Euro umsetzt, sowie den Einbruch im Golf-Geschäft um fast 20 Prozent. Doch die Gründe für die schwache Performance auf den letzten Metern seiner Laufbahn liegen tiefer und sind hausgemacht.
Jahrelang, so Branchenkenner, hat Hainer sich zu sehr auf den Umsatz fixiert. Dadurch wuchsen zwar stetig die Erlöse, im Schnitt um acht Prozent pro Jahr auf zuletzt 14,5 Milliarden Euro. Bei Hainers Amtsantritt waren es erst sechs Milliarden. Gleichzeitig aber brach die operative Marge zwischen 2004 und 2013 „dramatisch“ ein, monierte Fondsmanager Ingo Speich vom Investor Union Investment. Adidas sei bei der Profitabilität nicht einmal Mittelmaß.
Die eigentliche Ursache für die „langfristige Fehlentwicklung“ (Fondsmanager Speich) liegt nach Meinung von Experten jedoch darin, dass Hainer den US-Markt nicht geknackt und keine langfristigen Design- und Marketingkonzepte entwickelt hat. Während bei Nike mit Konzernchef Mark Parker zugleich der Chefdesigner die Marke führt, unterließ es Hainer zu lange, einen Gesamtverantwortlichen fürs Kreative zu installieren. „Der Konzern hat es über Jahre nicht geschafft, im Produktbereich die richtigen Weichen zu stellen“, sagt ein erfahrener Branchen-Manager. „Es fehlt die eigene Handschrift.“
Größte Sportartikelhersteller der Welt
25,14 Milliarden Euro
14,53 Milliarden Euro
11,12 Milliarden Euro
2,98 Milliarden Euro
2,97 Milliarden Euro
2,79 Milliarden Euro
2,33 Milliarden Euro
Unternehmen, eigene Recherche
Und auch bei der Innovationskraft hat Hainer offenbar zu wenig gerissen. Insbesondere gegenüber Nike ist Adidas nach Zahlen der Münchner Kanzlei Grünecker bei den Patenten ins Hintertreffen geraten. Das liege auch an unterschiedlichen Strategien bei der Anmeldung, Nike melde „jedes Designmuster“ an, reden die Franken sich heraus.
Doch „der Trend ist klar, Nike liegt mit weitem Abstand vorn, sei es bei Sportgeräten, Bekleidung, Schuhen oder der Kunststoffverarbeitung“, sagt Grünecker-Anwalt Ulrich Blumenröder. „Der Vorsprung, den Nike sich mit seinen Patenten auf dem europäischen Markt geschaffen hat, ist von der deutschen Sportartikelindustrie nur schwer aufzuholen.“