Lücken bei der Lauterkeit gibt es offenkundig im Zusammenspiel zwischen Ärzten, die ein Hörgerät verschreiben, und den Akustikern, die die Elektronik an die Bedürfnisse des Patienten anpassen. Zwar gibt es einige überregionale mittelständische Ketten, denen kein Fehlverhalten nachzuweisen ist, wie Kind aus dem niedersächsischen Großburgwedel, Geers aus Dortmund sowie den Augenoptiker Fielmann.
Das Gros bilden jedoch rund 3000 kleine selbstständige Akustiker, mit einem häufig besonders kurzen Draht zu den Hals-Nasen-Ohren-Doktoren um die Ecke. Von denen, so heißt es im Umfeld der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker, seien „etwa zehn Prozent korruptionsanfällig“.
Ärztevertreter sehen darin freilich nur Einzelfälle. Um welche Beträge es bei dem unterlaubten Geben und Nehmen geht, wer den ersten Schritt tut und wie fragwürdige Geschäfte mit Hörgeräten auch überregional funktionieren, zeigen die Berichte der Brancheninsider gegenüber der WirtschaftsWoche. Bei den verdeckten Geldern, die Ärzte von Akustikern einfordern, gilt offenkundig das Prinzip: Kleinvieh macht auch Mist. Die Tarife, zu denen ein Mediziner seinem Patienten einen bestimmten Akustiker empfiehlt, bewegten sich dabei vom mittleren zweistelligen bis zum niedrigen dreistelligen Bereich. In Nordrhein-Westfalen etwa kommen die Akustiker mit etwa 50 Euro davon, in Norddeutschland sind es dagegen 200 Euro.
Es geht nicht immer um Cash
Wehe dem Akustiker, der sich auf das schmutzige Spiel nicht einlässt. „Wer sich weigert zu zahlen, den macht der Arzt im Gespräch mit dem Patienten dann schon mal schlecht“, erzählt ein Hörgeräteakustiker vom Niederrhein, „da stimmen dann zum Beispiel die Werte nicht, die der Akustiker gemessen und eingestellt hat.“
Doch die Ärzte bestünden nicht immer auf Cash, berichtet ein Insider, der die Praktiken der Branche seit Jahren kennt: „Manchmal übernimmt der Akustiker auch die Leasingraten für den Porsche der Doktorengattin.“ Oder der Hörgeräteakustik-Meister stelle die Ehefrau des Arztes bei sich an und bezahle sie abhängig vom Umsatz, den der Gatte ihm verschaffe.
Korruption im Gesundheitswesen
Neben den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten gelten Orthopäden als besonders korruptionsanfällig. Der Vorwurf: Viele der Knochen- und Gelenkspezialisten schicken ihre Patienten zu bestimmten Physiotherapeuten und Sanitätshäusern – und lassen sich ihre Empfehlungen von denen gut bezahlen. Krankenkassen berichten, dass Sanitätshäuser schon mal die Miete für die Arztpraxis übernehmen oder die Praxiseinrichtung finanzieren. Auch soll es Orthopäden geben, die Patienten Einrichtungen empfehlen, an denen sie selbst beteiligt sind.
Viele Ärzte sollen Extrahonorare für Überweisungen von Patienten an bestimmte Krankenhäuser kassieren. Nach einer Studie der Universität Halle-Wittenberg im Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherungen ist diese Praxis weitverbreitet. 24 Prozent der Kliniken zahlen demnach Fangprämien. Pro Patient, der eine neue Hüftgelenkprothese benötigt, zahlten Krankenhäuser nach früheren Erkenntnissen schon mal 200 Euro an den überweisenden Arzt. Bundesärztekammer-Chef Frank Ulrich Montgomery bestreitet die Studie und wirft den Autoren Stimmungsmache vor.
Zwei Drittel aller Optiker, Zahntechniker und Apotheken zahlen laut der Studie im Auftrag der gesetzlichen Krankenkasse „häufig bis gelegentlich“ Vergütungen an Ärzte, um Aufträge und Patienten zu erhalten. In manchen Fällen sollen Augenärzte Patienten, nachdem sie die Werte des Patienten gemessen haben, auch schon mal für eine Gegenleistung Musterbrillen eines bestimmten Augenoptikers offeriert haben. „Das ist alles schon vorgekommen“, berichtet ein ärztlicher Insider aus der Praxis.
Rechtlich umstritten
Nicht minder kreativ zeigen sich offenkundig auch die Akustiker, um Ärzte „anzufüttern“, damit die ihre Patienten vorbeischicken. „Die Händler veranstalten zur Geschäftseröffnung eine Party oder eine Vernissage und ziehen die örtlichen Hals-Nasen-Ohren-Mediziner mal unauffällig zur Seite“, sagt der Kripobeamte Dolata.
Bisher ist Korruption im Gesundheitswesen ein rechtlich umstrittenes Feld. Zwar argumentierte der Bundesgerichtshof kürzlich, dass sich nach geltendem Recht niedergelassene Ärzte nicht wegen Korruption strafbar machen können, da sie keine Amtsträger sind. Doch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will die Vorschriften nun verschärfen – korrupte Ärzte müssen danach künftig mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen.