Hornbach legt Zahlen vor Baumarktbranche wird durchgewirbelt

Das Ende von Praktiker sorgt für einen Umbruch in der ganzen Branche. Hornbach interessiert sich für Märkte der Pleitekette. Kleinere Anbieter, Online-Shops und der britische Konzern Kingfisher wollen die Dominanz von Obi & Co. brechen.

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Die Folgen der Praktiker-Abwicklung für die Branche. Quelle: dpa

Praktiker bleibt sich treu - bis zum Ende: "Jetzt noch schnell Schnäppchen sichern. Alles muss raus", lässt die insolvente Handelskette ihre Kunden auf einer eigens eingerichteten Internet-Seite zum größten Ausverkauf in der deutschen Baumarktbranche wissen. Insgesamt 180 Praktiker-Filialen sollen bis Ende des Jahres vom Markt verschwinden und müssen vorher leerverkauft werden. Tausende Bohrmaschinen, Badewannen und Beschläge werden seit dem Wochenende verramscht. Ausgerechnet die Kette, die mit ihren "20 Prozent auf alles"-Aktionen und dem Werbeslogan "Hier spricht der Preis" zum Inbegriff für die Sparwut deutscher Konsumenten wurde, leitet nun ihre finale Rabattschlacht ein - mit gravierenden Folgen für die gesamte Branche.

Das sind die besten Baumärkte Deutschlands
Das Deutsche Institut für Service-Qualität hat neun große Baumarktketten anhand von 108 verdeckten Testbesuchen auf Herz und Nieren geprüft: Wie sind die Wartezeiten, wie kompetent und freundlich sind die Angestellten, wie umfangreich ist das Sortiment? Praktiker belegte vor seiner Insolvenz Platz neun. Besonders die Kompetenz der Mitarbeiter sei zu bemängeln gewesen, urteilten die Testkäufer. Die Beratung sei zu oberflächlich und die Mitarbeiter wenig motiviert. Insgesamt machten die Mitarbeiter bei jedem fünften Testbesuch falsche Angaben oder wiesen nicht auf Gefahren hin - etwa bei der Verlegung eines Starkstromanschlusses. Quelle: dpa
Am schlechtesten schnitten die Mitarbeiter der Firma Hornbach ab. Dafür überzeugte Hornbach mit einem sehr großen Angebot. "Kunden können aus vielen Produktgruppen, Herstellermarken, Größen und Farben wählen. Und es gab in großem Maße Aktionsangebote", kommentiert Serviceexpertin Bianca Möller, Geschäftsführerin des Marktforschungsinstituts. Insgesamt reichte es somit für Platz acht. Quelle: AP
Die Qualität von Service und Beratung wurde anhand von jeweils zwölf verdeckten Besuchen in verschiedenen Filialen der neun Unternehmen analysiert. Im Fokus der Analyse standen die Kompetenz und Freundlichkeit der Mitarbeiter, die Gestaltung und die Sauberkeit der Räumlichkeiten, das Angebot sowie die Warte- und Öffnungszeiten. Mitarbeiter der Firma Hagebau haben sich bei der Beratung der Kunden nicht mit Ruhm bekleckert. Die Beratung war oft oberflächlich und der Umgang mit Beschwerden ließ zu wünschen übrig. Bei Hagebaumarkt reichte es für Platz sieben. Quelle: Screenshot
Die meisten Heimwerkermärkte, wie auch die Globus Baumärkte, überzeugten durch saubere Räumlichkeiten, ausreichende Parkmöglichkeiten und viele Zusatzservices wie Werkzeugverleih. So zählten die Globus-Filialen zu den übersichtlichsten und boten die meisten Zusatzservices an, dafür ließen auch hier die Mitarbeiter zu wünschen übrig. Sie reagierten auf Beschwerden am unprofessionellsten und zeigten Schwächen beim Fachwissen. Dafür gibt es Platz sechs von neun. Quelle: AP
Bauhaus überzeugte mit sehr umfangreichen Zusatzdienstleistungen wie Holzzuschnitt oder Werkzeugverleih. Wegen der sehr langen Wartezeiten an Kasse und Info reichte es allerdings nur für Platz fünf. "Wer fachmännischen Rat bei einem Baumarktmitarbeiter sucht, muss sich gedulden: durchschnittlich rund viereinhalb Minuten, in Einzelfällen sogar bis zu einer Viertelstunde - das ist deutlich zu lang", kritisiert Serviceexpertin Bianca Möller. Quelle: Screenshot
Die Toom Baumärkte schafften es auf Platz vier im Ranking. Was das Fachwissen und die Beratung der Mitarbeiter angeht, schaffte es Toom sogar unter die Top drei. Besonders positiv fiel den Testern auf, dass die Angestellten den Kunden oft günstige Produktalternativen gezeigt haben. Quelle: Screenshot
Die Bronzemedaille geht an den Baumarkt mit dem Bieber. Obi überzeugte mit einem umfangreichen Angebot und kompetenten Mitarbeitern. Quelle: obs

Den Wettbewerbern drohen in den kommenden Monaten Umsatzeinbußen durch den Ausverkauf. Ohnehin halten schon Wetterkapriolen, der wachsende Druck von Online-Anbietern und der Markteintritt des britischen Kingfisher-Konzerns die Zunft in Atem. Hornbach konnte am Mittwoch immerhin melden, dass er in den Sommermonaten seine Einnahmeeinbußen des Frühjahrsgeschäfts teilweise wettgemacht hat. Das Betriebsergebnis blieb aber in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres mit gut 138 Millionen Euro fast 10 Prozent hinter dem des Vorjahreszeitraums zurück. Der Konzerngewinn lag mit 86 Millionen knapp 10 Millionen Euro niedriger. Hornbach verhandelt derzeit auch über die Übernahme von Märkten seines insolventen früheren Konkurrenten Praktiker

Im Süden nimmt die genossenschaftliche Hagebau-Gruppe gerade Marktführer Obi in großem Stil Filialen ab. Und mittelfristig könnte der Verkauf der Praktiker-Schwestermarke Max Bahr den Markt durcheinanderwirbeln wie Laubbläser das herbstliche Blattwerk.

Die Verhandlungen um Max Bahr haben begonnen, zwei Kaufkandidaten prüfen die Bücher. Und schon beginnen die Planspiele. Sollte sich tatsächlich die saarländische Globus-Kette oder ein Konsortium um die Dortmunder Hellweg-Gruppe für den Kauf entscheiden - Globus hat bereits ein Angebot für Max Bahr abgegeben - könnte künftig ein neuer großer Anbieter den Schwergewichten Obi, Bauhaus und Hornbach Paroli bieten. Statt die erbitterten Preisschlachten der Praktiker-Ära weiterzuführen, dürfte der Aufsteiger versuchen, das etablierte Trio mit mehr Service und Beratung zu übertrumpfen.

Die Umsätze der Baumarktbetreiber in Deutschland (zum Vergrößern bitte anklicken)

Schneller trifft die Branche der Praktiker-Ausverkauf. Zwar findet sich bei den Baumarkt-Rivalen kaum ein Manager, der über das Ende des früheren Preisdominators nicht froh wäre. Doch gleichzeitig wächst die Sorge vor einem Schlecker-Effekt. Nach dem Aus der Drogeriekette starteten in den Läden Verkaufsaktionen mit hohen Rabatten. Auf dem Video-Portal YouTube sorgten fortan Schlecker-Kunden für Furore, die Klopapier und Flüssigseife in Mengen bunkerten, die bis zum Lebensabend reichen dürften. Der Umsatz vom dm, Rossmann und Co. sackte in den Wochen nach dem Schlussverkauf deutlich ab.

Ein ähnliches Szenario droht nun den Baumarktketten. "Durch den Schlussverkauf bei Praktiker kommt jetzt auf einen Schlag sehr viel Ware zu Niedrigpreisen auf den Markt", sagt Peter Wüst, Hauptgeschäftsführer des Baumarktverbandes BHB. "Es besteht die Gefahr, dass das auf die Umsätze der gesamten Branche durchschlägt."

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