Hosen auf Abwegen Wie Esprit, Superdry und Co. beim Billigheimer landen

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Lieber verbrennen als weiterverkaufen

So sauber sind unsere Modelabels
Eine Frau mit einer Zara-Tasche Quelle: REUTERS
Ein Laden von Tommy Hilfiger Quelle: AP
Platz 12: PrimarkEs ist gar nicht einfach, den H&M-Herausforderer aus Irland zu kontaktieren. Primark hat weder in Deutschland noch im Rest der Welt eine Pressestelle, an die Journalisten ihre Anfragen richten können. Erst nach einer knappen Woche melde sich eine externe PR-Agentur und beantwortet einige Fragen zu Recherchen der WirtschaftsWoche: Dass eine Primark-Bestellung bei einem Zulieferer landete, der westlichen Standards nicht entspricht, sei ein Einzelfall gewesen. Ein lizenzierter Lieferant habe die Order ohne Kenntnis und Einverständnis der Iren an diese Fabrik ausgelagert. Was eigentlich gar nicht passieren darf, denn über seine Homepage verpflichtet nagelt sich der irische Discounter auf „ethischen Handel“ und höchste Sozialstandards bei Lieferanten fest. Dies wird allerdings nicht nur durch die Recherchen der WirtschaftsWoche konterkariert – zumal der Hersteller insgesamt bei Details merkwürdig mauert: Primark will weder die Zahl der Lieferanten oder die der internen Auditoren kommunizieren, noch die wichtigsten Lieferländer und den Anteil der Direktimporte nennen.Transparenz -Kontrolle -Verantwortung - Quelle: Screenshot
Ein New Yorker-Store in Braunschweig Quelle: Screenshot
Menschen vor einer Ernsting's Filiale Quelle: Presse
Das Logo der Modekette Tom Tailor Quelle: dapd
Eine Verkäuferin reicht in einem Esprit-Store in Düsseldorf eine gepackte Einkaufstasche über die Kasse Quelle: dpa

Dass immer wieder solche Fälle auftreten, kann viele Gründe haben, sagt Textilunternehmer Jürgen Wolff. Einerseits sind auch unseriöse Aufkäufer von Restposten unterwegs, die zwar einen Reimport nach Deutschland ausschließen, sich aber nicht dran halten. Sie bewegen die Altware über verschiedene Zwischenhändler und Ländergrenzen sooft hin und her, bis die Ware irgendwann wieder in Deutschland landet. Der Handelsweg und die rechtliche Lage sind dann nur noch schwer nachzuvollziehen. Oftmals handelt es sich aber auch gar nicht um deutsche Restposten, die hier zu Lande beim Discounter auftauchen. „Viele Modeunternehmen sind Global Player“, sagt Wolff. „Das kann dann auch Altware aus anderen Ländern sein.“

Nicht zuletzt drücken Modeunternehmen auch von sich aus beide Augen zu. Sind die Geschäfte schlecht gelaufen, wollen manche nur ihre Kleiderberge zum besten Preis loswerden – ohne auf ihr Markenimage zu achten. „Dann gilt der Grundsatz: Liquidität kommt vor Rentabilität“, sagt Wolff. Um an schnelles Geld zu kommen, verzichten Unternehmen dann auf Auflagen, wie die Markenzeichen zu entfernen. „In der Not machen Menschen vieles, manche überfallen sogar eine Bank“, sagt Wolff.

Überwachter Weiterverkauf

Esprit hat mittlerweile herausgefunden, wie seine Restposten bei Kik landen konnten. „Wir haben den Weg letztendlich zurückverfolgen können und sichergestellt, dass keine Esprit-Produkte mehr diesen Weg gehen können“, erklärte das Unternehmen schriftlich gegenüber der WirtschaftsWoche, ohne Details zu nennen. „Wir arbeiten daran und sind zuversichtlich, dass wir solche Vorkommnisse bald ausschließen können. Dabei setzen wir insbesondere auf neue Partner bei dem Weiterverkauf von Überschüssen.“

Discounter expandieren ins Ausland
KiK Quelle: dpa
KiK Quelle: dapd
TEDi Quelle: PR
TEDi
NKD Quelle: Screenshot
Takko Quelle: dpa
Takko Quelle: dpa/dpaweb

Doch letztlich bleibt Esprit auch bei den neuen Partnern nichts anderes übrig, als ihnen zu vertrauen. Ein lukrativer Weg, sich vor Ramschverkäufen zu schützen, ist es, den Abverkauf selbst zu steuern – etwa über eigene Outlets und geschlossene Verkaufsclubs im Internet, wie Brands4Friends oder Vente Privee. In Outlets können sich Marken angemessen präsentieren und eine Wühltischatmosphäre vermeiden. Das gleiche gilt für die Online-Verkaufsclubs, deren Sonderaktionen in enger Abstimmung mit den Modeunternehmen ablaufen

Diese Absatzwege haben sich längst zu einem wichtigen Geschäftszweig entwickelt. „Das geht weit über die reine Vermarktung von Restposten hinaus“, sagt Jürgen Müller, ehemaliger Chefredakteur der Fachzeitschrift Textilwirtschaft und Autor des Modewirtschaftsblogs Profashionals. „Die Unternehmen beziehen die Outlets und Verkaufsclubs in ihre Planung mit ein und produzieren eigens für sie mit.“ Am Ende sind manche Kleidungsstücke nur scheinbar reduziert – zum angeblichen Originalpreis waren sie nie zu haben.

Manche Luxusmodehersteller, wie Louis Vuitton, schließen Image schädigende Restposten auf ihre Weise aus: Sie verbrennen sie. Das hat der ehemalige Louis-Vuitton-Chef Philippe Schaus vor sechs Jahren beim Forum der Textilwirtschaft in Heidelberg vor 500 Teilnehmern verkündet. Ein solch rigoroses Vorgehen erklärt Jürgen Müller damit, dass Luxushersteller bei Preisnachlässen besonders sensibel sind. „Preis-Stabilität ist wichtig“, sagt Müller. „Wenn eine Tasche reduziert ist, heißt das, dass sie bisher keiner haben wollte. Das geht auf Kosten von Begehrlichkeit und Glaubwürdigkeit.“ Bevor man also zum Rotstift greift und an der Exklusivität rüttelt, wandern die Handtaschen lieber ins Feuer.

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