Hugo Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs "Führende Marke für gehobene Anzüge"

Hugo Boss hat im zweiten Quartal kräftig zugelegt. Chef Claus-Dietrich Lahrs erklärt, wie er noch mehr Flächen in Kaufhäusern selbst bewirtschaften will und drei Milliarden Euro Umsatz erreichen möchte.

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Wirtschaftswoche: Herr Lahrs, Fußballstürmer Mario Gomez war bei der WM in Brasilien gar nicht dabei. Trotzdem wirbt Hugo Boss in Schaufenstern und Anzeigen mit ihm – ein klassischer Fehlpass, oder?

Claus-Dietrich Lahrs: Mario ist schon seit Jahren ein wichtiges Gesicht vor allem der Kampagnen für unseren Herrenduft, und wäre er nicht verletzt, würde er sicher eine wichtige Rolle bei der WM spielen. Aber so etwas passiert nun mal beim Profisport. Deshalb haben wir ja auch nicht allein auf einen Star gesetzt, sondern auf das ganze DFB-Team.

Hugo Boss legt kräftig zu

Profitiert Boss wirklich davon, mit der DFB-Elf zu werben?

Ja, wir sind bisher absolut zufrieden. Wir rüsten den kompletten Kader langfristig mit maßgeschneiderten Anzügen, Schuhen und Hemden aus – ein gutes Dutzend Teile für jeden der 23 Spieler. Den Effekt spüren wir direkt beim Abverkauf. Die Anzüge aus der DFB-Kollektion werden sehr gut nachgefragt. Und die Hemden und Hosen, die Bundestrainer Jogi Löw während der Spiele trägt, verkaufen sich spürbar besser als vergleichbare Modelle.

Zur Person

Wir dachten, Sie wollen Boss höherwertig positionieren. Wie passt Fußball dazu?

Wir setzen nicht nur auf Fußball, sondern engagieren uns seit mehr als 30 Jahren in der Formel 1, betreiben ein Hochsee-Segelteam und sind auch beim Golf aktiv – alles internationale Sportarten, die sehr gut zu unserer Marke passen. Der Fußball hat sich in den letzten Jahren sehr verändert und passt gut dazu. Zum anderen müssen wir Boss nicht höherwertig positionieren – wir haben das schon längst geschafft.

Vielleicht im Vergleich zu Durchschnittsmarken, aber in Deutschland hängen Ihre 400-Euro-Anzüge im Kaufhaus neben Eigenmarken und preiswerterer Konkurrenz. Boss gilt hierzulande als zwar sehr gut, aber doch nicht auf Augenhöhe mit Luxusanbietern wie Armani und Zegna?

Langsam – wir sind mit Abstand die führende Marke der Welt, was gehobene Anzüge betrifft. Und der Umsatzanteil, den wir mit noch höherwertigeren Anzügen machen, die deutlich über dem von Ihnen genannten Preis liegen, hat sich Stück für Stück vergrößert – allein deshalb, weil wir heute fast 60 Prozent des Geschäfts in unseren eigenen Läden erzielen. In einem Markt wie China, wo wir ausschließlich eigene Geschäfte betreiben, verkaufen wir mehr Anzüge zu Preisen von über 800 Euro als in Deutschland.

Und wenn der chinesische Tourist nach Berlin reist, sieht er die günstigeren Boss-Anzüge auf der Stange bei P&C und merkt, die Marke ist gar nicht so edel?

Der chinesische Tourist, der uns aus seiner Heimatstadt kennt und der die Marke jetzt neben zig anderen in der Anzugabteilung wiederfindet, stellt sich natürlich die Frage, welches nun der wahre Hugo Boss ist – derjenige, den er aus Shanghai kennt oder der hier in der deutschen Stammabteilung. Wir machen einen immer größer werdenden Teil unseres Geschäfts mit Touristen. Unsere Verantwortung ist es daher, Konsistenz in der Präsentation herzustellen.

Damit Touristen nicht irritiert sind, sollen die Deutschen mehr zahlen – wie bringen Sie aber den Handel dazu, Boss besser zu behandeln als seine anderen Marken?

Das ist mir zu einfach. Unsere deutschen Kunden sollen nicht schlicht mehr zahlen. Wir wollen aber ein stimmiges Bild der Marke zeigen. Auch unsere deutschen Kunden sind durchaus bereit, mehr für einen Anzug auszugeben, wenn wir ihnen in unseren eigenen Läden erklären, worin die höhere Qualität besteht. Und den Einzelhandel fordern wir auf, das ähnlich zu tun.

"Im Schnitt kauft jeder Kunde mehr als zwei Produkte"

Wie bringen Sie das dem Händler bei, der gern Ihre Marke verkaufen will, aber nicht in eigene Boss-Flächen investieren kann?

Wir sagen unseren Händlern: Lasst uns über die Art der Präsentation reden. Wir erzielen höhere Umsätze, wenn wir für uns allein sind und nicht neben Eigenmarken des Fachhandels oder Marken, die vom Preisniveau unter uns liegen. Davon profitiert am Ende auch der Handel, weil er mit uns zusammen wächst. Deshalb wollen wir auch in Deutschland mehr eigene Flächen bewirtschaften, also Shop-in-Shop-Systeme betreiben, bei denen wir uns um das komplette Warenmanagement kümmern, also Mieter auf der Fläche des Kaufhausbetreibers sind. Das tun wir schon in den Karstadt-Premiumhäusern, bei Saks Fifth Avenue in den USA oder El Corte Ingles in Spanien. Die Zahl der von uns kontrollierten Shop-in-Shops macht inzwischen gut 40 Prozent unserer mehr als 1000 eigenen Verkaufsflächen weltweit aus.

Und wenn der Händler nicht mitspielt?

Es gibt Händler, die das Geschäft lieber selbst betreiben wollen. Eine hochwertige Markenpräsentation ist dann für uns Voraussetzung.

Aber mit eigenen Flächen wachsen auch die finanzielle Belastung für Boss und das Risiko, wenn Kollektionen floppen?

Vor fünf, sechs Jahren lag unser Umsatzverhältnis bei 75 Prozent Großhandel gegenüber 25 Prozent Eigenfläche. Heute sind es 60 Prozent in eigenen Läden gegenüber knapp 40 Prozent mit Partnern. Wir haben noch nie so viel in unseren eigenen Handel investiert: Allein 2013 war es mit 113 Millionen Euro ein Rekord. Gleichzeitig haben wir unsere Profitabilität erheblich gestärkt. In den kommenden Jahren wollen wir 80 Prozent unseres Umsatzes in eigenen Läden machen.

Aktien-Info Hugo Boss (für eine Großansicht bitte klicken)

Kauft also der einzelne Kunde mehr und teurer ein bei Boss als früher?

Ja, im Schnitt kauft jeder Kunde mehr als zwei Produkte bei uns. Das ist im Branchenvergleich ein sehr guter Wert. Gleichzeitig gibt er mehr Geld aus. In den USA etwa liegen wir beim Pro-Kopf-Einkauf bei circa 400 US-Dollar. Der Wert fiel früher um einiges niedriger aus.

Was trägt dazu die neue Damenkollektion bei, für die Sie den US-Designer Jason Wu angeheuert haben?

Wir haben mit Jason jemanden an Bord, der ein sehr gutes Gespür hat für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Designanspruch und Verkäuflichkeit. Das zahlt sich aus. Wir haben in unseren Flagship-Stores wie etwa in New York, Hongkong und Stuttgart bereits ganze Etagen exklusiv für Damen gestaltet und präsentieren schon im Eingang Damenschuhe und Taschen.

So kleiden Sie sich richtig

Was hat das gebracht?

In diesen Läden erzielen wir bereits bis zu 40 Prozent unseres Umsatzes mit Damenmode, während ihr Anteil am Gesamtumsatz erst bei gut elf Prozent liegt, das ist ein sehr gutes Zeichen. Natürlich hängt der Umsatzanteil immer davon ab, wie schnell unsere Herrenmode wächst. Aber wenn das so weitergeht, dürfte der Damenanteil zweistellig wachsen.

Der Konzernumsatz stieg zuletzt um vier Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Geht das so weiter, dürften Sie Ihr Ziel von drei Milliarden Euro 2015 aber kaum schaffen?

Doch, davon gehen wir weiter aus. Neben dem Damen- wächst auch das Herrensegment sehr dynamisch. Auch der Umsatz mit Accessoires steigt. Außerdem stellt sich die Gesamtwirtschaft freundlicher dar, China etwa bleibt für uns eine der großen Wachstumschancen. Im Moment entwickelt sich auch Europa sehr erfreulich, in den USA sehen wir nach einem schwierigen Jahresstart regelmäßige Verbesserungen beim Umsatz. Insofern halten wir fest an dem Ziel. Und bei drei Milliarden Euro hören wir ja nicht auf und gehen nach Hause. Wenn wir die Zahl übersprungen haben, nehmen wir uns das nächste Ziel vor.

"Mehr Nachhaltigkeit bei Boss"

Anders als der französische Luxuskonzern Kering, der das seit Jahren macht, legt Boss jetzt zum ersten Mal einen Nachhaltigkeitsbericht vor. Warum so spät?

Wir sind von Haus aus Schwaben, und die machen viel, sprechen aber nicht immer darüber. Tatsächlich tun wir schon sehr lange viele Dinge, die andere Unternehmen PR-trächtig mit dem Etikett Nachhaltigkeit belegen. Wir betrachten es als selbstverständlich, dass wir uns auf allen Stufen der Wertschöpfungskette möglichst nachhaltig verhalten.

Macht Boss jetzt eine Ökokollektion?

Um Gottes willen, das würde kein Kunde von uns erwarten. Wir nähen sicher auch keine Ökofähnchen auf Anzüge oder Kleider. Aber wir werden ab sofort jedes Jahr unsere Nachhaltigkeitsbemühungen in einem Bericht dokumentieren und überprüfen lassen, damit unsere Kunden guten Gewissens bei uns einkaufen können. Ein Beispiel: Wir führen jetzt in unseren Läden neue Tüten ein, die aus 100 Prozent recyceltem Papier bestehen. Das hängen wir nicht an die große Glocke, wir machen das, weil wir es für richtig halten

Die Organisation Clean Clothes Campaign hat Hugo Boss allerdings vorgeworfen, in Kroatien und der Türkei Näherinnen Löhne unter Existenzminimum zu zahlen. Verdienen Sie Ihr Geld mit Billiglohn?

Nein, dagegen verwehren wir uns, und das haben wir gegenüber dieser Initiative und den Medien auch klar zum Ausdruck gebracht. Hier geht es vor allem um Mitarbeiter, die in Lohnfertigung für uns und andere bekannte Marken arbeiten. Wir legen großen Wert darauf, dass wir uns selbstverständlich stets im Rahmen der gesetzlichen Mindestlöhne bewegen. Wir überprüfen außerdem regelmäßig die Verhältnisse bei unseren Auftragsfertigern und verpflichten sie darauf, unsere strengen Sozialstandards einzuhalten.

Lassen Sie sich auch extern prüfen?

Ja, natürlich, und das werden wir weiter ausbauen.

Was verdient denn eine Näherin von Ihnen in der Türkei?

Der Lohn in unserer Produktion in der Türkei liegt im Durchschnitt 30 Prozent über dem, was eine Näherin üblicherweise vor Ort verdient. Des Weiteren stellen wir den Mitarbeitern in unserer türkischen Produktion Sportplätze, ein Fitnessstudio, sehr gute Restaurants und einiges mehr kostenlos zur Verfügung.

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