H&M in der Kritik „Wir haben nie vor 22 Uhr Feierabend“

H&M ist bekannt für preiswerte Mode und wirbt mit einem fairen Image. Nun ist ein ZDF-Team dorthin gereist, wo der Moderiese produziert. Offenbar sind die Produktionsbedingungen schlechter als behauptet.

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Kein Grund zu Zweifeln: H&M will die Kritik an den Produktionsbedingungen ernst nehmen. Quelle: dpa

München Immerhin stimmt die Rendite: 1,92 Milliarden Euro verdiente H&M im vergangenen Jahr weltweit mit seiner günstigen Kleidung. Das schwedische Unternehmen gibt sich dabei den Anstrich, seine Mitarbeiter am Erfolg teilhaben zu lassen. „Verantwortung zu übernehmen ist für uns ein sehr wichtiger Bestandteil des Angebots für den Kunden“, erklärte CEO Karl-Johan Persson vollmundig. Kunden leisten mit ihrem Einkauf also sogar einen Beitrag zur Entwicklung der Länder, in denen H&M produziert. Oder? Es ist genau dieses „oder“, welches die Autoren des Dokuformats „ZDF-Zoom“ dazu brachte, einmal genau dorthin zu fahren.

Eines der Länder ist Bangladesch. 150 Textilbetriebe in dem südasiatischen Land produzieren für H&M, der gesetzliche Mindestlohn liegt bei umgerechnet 50 Euro im Monat. Das ZDF-Team nimmt den Zuschauer mit auf seine Recherche. Über eine Gewerkschafterin gelangen die Journalisten an zwei Arbeiter aus einer von H&Ms Vertragsfabriken. „Wir haben nie vor 22 Uhr Feierabend – das ist das Früheste“, sagt einer von ihnen. Regulär fingen sie um acht Uhr morgens an, für sechs Tage pro Woche, manchmal auch für sieben. Insgesamt also mehr als eine 80-Stunden-Woche. Auch nach H&Ms eigenen Regeln sind maximal 48 erlaubt.

„Wenn der Liefertermin näher rückt, müssen wir manchmal sogar bis sieben Uhr morgens arbeiten“, fügt der Arbeiter hinzu. Der Liefertermin ist wichtig, schließlich kann H&M ihn den lokalen Firmen quasi diktieren. Beutet der Moderiese also aus, indem er bewusst zu knapp plant? Die zuständige Nachhaltigkeitsbeauftragte gibt sich bestürzt, ohne jedoch viel zu sagen. „Das Thema Überstunden ist eine Herausforderung für die gesamte Branche“, sagt Helena Helmersson in Stockholm. „Wir pflegen sehr enge Partnerschaften mit unseren Lieferanten und haben eine sehr strukturierte Planung und Beschaffung.“ Richtig glaubwürdig klingt das nicht.

Nach diesem Schema läuft die gesamte halbstündige Doku ab: Die Journalisten decken in einem der Produktionsländer einen Missstand auf und konfrontieren H&M damit. Auf Bangladesch folgt Äthiopien, das ein noch niedrigeres Lohnniveau hat. Die simple Dramaturgie wird auf die Dauer etwas eintönig und drückt den Unterhaltungswert. Zwar findet das ZDF-Team eindeutig die These bestätigt, dass H&M seine Arbeiter ausbeutet, doch richtig viel Neues finden sie dazu nicht heraus.

Das Thema Arbeitsbedingungen in der Textilbranche ist bereits zu viel thematisiert worden, als dass eine solche Doku noch neue Erkenntnisse bringen würde. Wenig überraschend fällt die Reaktion von H&M auch jedes Mal gleich aus: Das Unternehmen bedankt sich für die Ergebnisse der Recherchen, verspricht, ihnen nachzugehen, sieht aber dennoch keinen Grund, grundlegend am Bild der eigenen Produktionsbedingungen zu zweifeln.

Einen interessanten Punkt findet das Team von ZDF-Zoom dann aber doch noch heraus. Es geht um die Steuern, die H&M zahlt. Der Konzern ist so aufgebaut, dass die Tochterfirmen in den Produktionsländern lediglich die örtlichen Produzenten koordinieren. Die Kleidung wird hingegen ausschließlich für und auf Kosten von H&M in Schweden hergestellt. Dort, wo produziert wird, verdient H&M also kein Geld. Durch diesen simplen – und völlig legalen – Trick zahlt das Unternehmen keinen Cent an die Länder, in denen es produziert. Teilhabe am Erfolg: Fehlanzeige.

Zum Schluss des Films heißt es bedeutungsschwer: „Die billige Masche von H&M – doch wer zahlt den Preis dafür?“ Angesichts dessen, dass der Moderiese offenbar nicht nur seine Arbeiter, sondern auch die Produktionsländer ausbeutet, fällt die Antwort darauf nicht schwer. Wer bislang auf einen Grund gewartet hat, keine preiswerte Mode mehr zu kaufen, dem liefert die Doku ebendiesen. Auch, wenn sie nicht viel Neues sagt.

Fazit

Die Dramaturgie der Dokumentation ist eintönig, die Fakten wenig neu und das Thema bereits sehr präsent in der öffentlichen Debatte. Die Recherche des ZDF ist durchweg ordentlich, doch der Film insgesamt wenig überdurchschnittlich.

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