Der Taxifahrer ist entgeistert. "Sie wollen jetzt los?" Eigentlich wollte der Mann vor seiner nächsten Fahrt noch schnell einen Abstecher ins Kunden-Restaurant im örtlichen Ikea-Markt machen. Stattdessen geht's nun von der Deutschlandzentrale des schwedischen Möbelriesen direkt wieder zum Bahnhof - vorwurfsvoll hungrige Blicke von der Fahrerseite inklusive.
Dem deutschen Ikea-Statthalter Peter Betzel und seiner obersten Restaurantchefin Stavroula Ekoutsidou dürfte die Begeisterung des Mannes für das Ikea-Essensangebot gefallen. Denn in ihrer Strategie, den Möbelkonzern auf Wachstumskurs zu halten, ist die Gastronomie ein zentraler Baustein.
Wie Ikea Deutschland erobert
Bis 2017 sollen sämtliche Ikea-Restaurants in Deutschland umgebaut werden. Kostenpunkt: bis zu eine Million Euro pro Markt. Zudem sollen neben Klassikern künftig auch mehr vegetarische und gesündere Gerichte auf die Speisekarte. Keine Frage: Das Schwedenreich plant eine großangelegte Gastro-Offensive.
Ikea in neuer Optik
Der Prototyp von Ikeas neuem Restaurantkonzept lässt sich im Möbelhaus in Hofheim-Wallau besichtigen. Auch hier verbreiten Geräuschpegel und Kulisse zwar eher den Charme einer Großkantine, die Fensterfront gibt den tristen Blick auf den örtlichen Parkplatz frei und Teller und Tassen sollen die Gäste - ikeatypisch - weiter selbst auf das Geschirrband stellen. Doch einige Elemente wurden runderneuert.
So verbreiten Holzpaneelen einen Hauch mehr Schweden-Optik. Einzelne Tische wurden zudem in eine Art Holzhütte integriert und sorgen trotz Massenspeisung für ein wenig Abgeschiedenheit beim Verzehr von Gerichten wie den vegetarischen Gemüsebällchen namens "Grönsaksbullar".
Ikea ist in Deutschland auf Wachstumskurs
Umsatz: 3,48 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 14.000
Einrichtungshäuser: 45
Quelle: Ikea Deutschland
Umsatz: 3,65 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 14.447
Einrichtungshäuser: 45
Umsatz: 3,88 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 15.294
Einrichtungshäuser: 45
Umsatz: 3,99 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 15.503
Einrichtungshäuser: 45
Umsatz: 4,12 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 16.000
Einrichtungshäuser: 48
Umsatz: 4,4 Milliarden Euro (+7,7%)
Mitarbeiter: 16.826 (+857)
Einrichtungshäuser: 50
Seit ein paar Monaten hat Ikea die Vegan-Alternative zum Fleischklops-Bestseller "Köttbullar" im Programm und vermeldet stolz, bereits rund fünf Millionen Stück verkauft zu haben. Weitere neue Produkte sollen in den nächsten Monaten folgen, auch wenn absehbar ist, dass Köttbullar in den kommenden Jahren das meistverkaufte Ikea-Produkt bleiben wird. Weltweit rund eine Milliarde Stück der schwedischen Fleischklopse tischt der Möbelriese in seinen hauseigenen Restaurants alljährlich auf.
Die Anziehungskraft von Köttbullar
Während sich das Kundenrestaurant in Hofheim-Wallau mit Mittagsgästen füllt, präsentierte Deutschlandchef Betzel am Mittwoch nebenan in einem Besprechungsraum im Seitentrakt der Zentrale die Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr.
Die Kernbotschaft: Der Möbelkonzern bleibt auf Rekordfahrt. Der Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2014/2015 stieg in Deutschland um 7,7 Prozent auf 4,435 Milliarden Euro. Und die hauseigenen Restaurants dürften einiges dazu beigetragen haben, das Unternehmen auf Wachstumskurs zu halten. 204 Millionen Euro Umsatz hat Ikea Deutschland 2014/15 im Food-Bereich erzielt, 7,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
Damit war das Geschäftsfeld sogar wichtiger als der Online-Handel, der 189,6 Millionen Euro Umsatz einspielte.
Tatsächlich dürfte der Food-Effekt sogar noch größer sein, denn der Anziehungsgrad der Gastro-Abteilungen ist kaum zu überschätzen. Neben Köttbullar genießen, Softeis und die Ikea-Mandeltorte aus der Tiefkühltruhe bei vielen Kunden einen Kult- und Suchtstatus, der allein schon die samstägliche Fahrt ins Möbelhaus rechtfertigt und Ikea nebenbei als eine Art "Ausflugsziel" für die Familie positioniert. "Uns ist es wichtig, den Menschen die zu uns kommen, einen schönen Tag zu bereiten", sagt Betzel dazu.
Der Möbelkauf wird offenbar als wenig nervig empfunden, wenn anschließend eine kalorische Belohnung winkt. Nicht minder wichtig: Das Image der Tiefpreisgerichte strahlt auf das Gesamtkunstwerk Ikea ab. Während beim Kauf einer Schrankwand mangels Erfahrungswerten kaum ein Kunde beurteilen kann, ob ein Preis günstig oder teuer ist, gibt es bei Lebensmitteln eine klarere Preiswahrnehmung.
Die Folge: Wer etwa bei Ikea einen Kaffee für 50 Cent oder den Kinderteller Bio-Pasta für einen Euro ordert, überträgt das Schnäppchen-Gefühl womöglich auch auf die Kernprodukte.
Subventionierte Köttbullar also als Lockstoff für den späteren Kallax-Kauf? Im Gespräch mit der Schweizer "Handelszeitung" widersprach jüngst Ikeas weltweiter Food-Chef Michael La Cour. "Wir legen kein Geld drauf beim Food", so La Cour. "Jedes Gericht, jeder Artikel muss für sich selber rentabel sein." Es habe oft Überlegungen gegeben, die Ikea-Kassenschlager auch über Supermärkte und Discounter zu verkaufen, so La Cour.
Allerdings habe man sich stets dagegen entschieden. "Wenn die Leute Köttbullar wollen, müssen sie zu uns kommen." Gerade in Zeiten des E-Commerce helfe das, "Kunden in die Läden zu bringen."