Schleckers Aufstieg und Fall
Deutschlands gemessen an der Zahl der Filialen größte Drogeriekette ist untrennbar mit der Familie Schlecker verbunden. In rund 36 Jahren wuchs aus den Anfängen in Baden-Württemberg ein europaweit agierender Handelsriese.Wichtige Stationen in Familie und Firma Schlecker:
Anton Schlecker wird am 28. Oktober in Ulm geboren
Schlecker beginnt seine Berufslaufbahn im Unternehmen seines Vaters, einer Fleischwarenfabrik samt 17 Metzgereien. Erste Selbstbedienungswarenhäuser entstehen in mehreren Orten im Südwesten.
Die Preisbindung für Drogerieartikel fällt weg. Zur gleichen Zeit startete auch dm-Gründer Götz Werner seine ersten Gehversuche als Drogerist. Vorher hatte es nur kleine Drogeriefachgeschäfte gegeben.
Schlecker eröffnet in Kirchheim/Teck (Kreis Esslingen) seine erste Drogerie. Zwei Jahre später sind es 100 Filialen.
Der 100. Discounter mit dem Namen Schlecker eröffnet.
Im Jahr 1984 öffnet Filiale Nummer 1000 die Türen.
Als ersten Auslandsmarkt erschließt Schlecker Österreich; später folgen Spanien, die Niederlande, 1991 - durch die Übernahme von „Superdrug“ - Frankreich
Am 22. Dezember überfallen drei Maskierte die Familie Schlecker, als Anton und Christa mit den beiden Kindern Meike und Lars nach Hause kommen; die beiden Kinder werden entführt, ihr Vater handelt das Lösegeld von 18 auf 9,6 Millionen Mark herunter. Nach der Übergabe können sich die 14 und 16 Jahre alten Geschwister am 23.12. selbst befreien. Die Polizei wird erst später informiert. Die Familie zieht sich noch stärker als bisher aus der Öffentlichkeit zurück
Nach dem Fall der Mauer expandiert Schlecker auch relativ schnell in die neuen Bundesländer.
Schlecker betreibt nach eigenen Angaben rund 5000 Läden; zugleich werfen Gewerkschafter dem Konzern vor, Mitarbeiter systematisch zu schikanieren und zu schlecht zu bezahlen - solche Kritik prägt in den kommenden Jahren immer wieder die Schlagzeilen über den „Drogeriekönig“. Schlecker weist Vorwürfe stets zurück und spricht von Einzelfällen.
Schlecker übernimmt zum Ende des Jahres die ehemals insolvente Osnabrücker Kette "Ihr Platz"
Das Amtsgericht Stuttgart erlässt gegen Christa und Anton Schlecker Strafbefehle von jeweils zehn Monaten auf Bewährung wegen vielfachen Betrugs - weil sie Mitarbeitern eine tarifliche Bezahlung bloß vorgetäuscht hätten.
Der Drogerieriese macht nach Gewerkschaftsangaben 52 Millionen Euro Verlust bei 7,42 Milliarden Euro Umsatz
Im Januar erneute Kritik über Arbeitsbedingungen bei Schlecker, wo bestehende Arbeitsplätze mit Leiharbeitsverträgen ersetzt werden sollten; die Bundesregierung will mit einer „Lex Schlecker“ gegensteuern. Zugleich muss der Drogerieriese einen Umsatzrückgang von rund 650 Millionen Euro auf noch etwa 6,55 Milliarden, davon 4,51 Milliarden Euro im Inland, hinnehmen und schreibt weiter rote Zahlen.
Patriarch Anton Schlecker holt im November seine Kinder Meike und Lars in die Führungsspitze und gibt einen Teil seiner Verantwortung ab; der Familienrat bleibt aber wichtigstes Entscheidungsgremium
Schlecker beginnt einen radikalen Umbau seines Filialnetzes; aus den überall verfügbaren Billigläden sollen hochwertige Drogerien in der Nachbarschaft werden - samt Slogan „For You. Vor Ort.“; Neue Führungsgrundsätze sollen schlechte Mitarbeiterführung ein für alle Mal verhindern; das Magazin „Forbes“ führt Anton Schlecker auf seiner Reichen-Liste noch mit 3,1 Milliarden Dollar Vermögen (rund 2,4 Milliarden Euro)
Nach Wochen voller Gerüchte um finanzielle Engpässe gibt Schlecker am 20. Januar bekannt, in die Planinsolvenz gehen zu wollen.
Nach den Umsatzeinbrüchen 2009 und 2010 begann Schlecker im Frühjahr 2011 seine Filialen umzubauen - und meldete kurz darauf erste Erfolge. „In den umgebauten Filialen stiegen die Umsätze um rund 30 Prozent“, sagte damals ein Unternehmenssprecher der WirtschaftsWoche. Von Juni an forcierte der Drogeriediscounter den Filialumbau, bis Jahresende sollten „mehrerer hundert Läden“ umgestellt sein, hieß es bei Schlecker.
Der Filialumbau war Kern des rund 230 Millionen Euro teuren Restrukturierungsprogramms. Für Holger Geißler war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr viel zu retten. "Die Modernisierungsversuche bei Schlecker kamen zu spät und sie waren auch nicht nachhaltig. Die TV-Kampagne „For you. Vor Ort“ hat man ihnen nicht abgenommen, wenn gleichzeitig Meldungen über neue Filialschließungen publik wurden."
Schlecker wollte sich mit der groß angelegten Fernsehkampagne wieder stärker als Nahversorger positionieren. Auf dem Land hatte die Drogeriekette für einige Zeit noch Chancen, in den Städten lief die Zeit bereits ab. "Das Dramatische am Fall Schlecker ist, dass die Konkurrenz im Grunde überall direkt um die Ecke war. In den Städten fragte sich der Kunde doch: „Warum soll ich zu Schlecker gehen, wenn ich bei dm oder Rossmann Spaß beim Einkaufen haben kann? Wenn ich nebenan, in einem hellen dm-Drogeriemarkt mit freundlichen Mitarbeitern und attraktivem Payback-System einkaufen kann.“
dm, Rossmann und Müller schweben in anderen Sphären
Die aktuellen Imagewerte von Schlecker, die YouGov ermittelt hat, darf man zurecht als unterirdisch bezeichnen. Erreichbar sind Werte zwischen -100 und +100 BrandIndex-Punkte. Für den BrandIndex werden täglich 2.000 Verbraucher befragt. Mit einem BrandIndex von -39,5 Punkten liegt Schlecker dramatisch unter den äußerst beliebten Marken Rossmann und dm mit aktuell 79,4 bzw. 88,3 Punkten. Müller erreicht zwar nicht die Spitzenwerte von dm und Rossmann, positioniert sich aber mit rund 60 Punkten ebenfalls stark.
Die neue Strategie von Schlecker hat, so YouGov, nicht zu einer Trendwende geführt - die Lage ist aus Markensicht bereits seit längerer Zeit ernst. Etwas besser steht es um die Schlecker-Tochter "Ihr Platz": Die Image-Werte liegen mit rund 10 Punkten im positiven Bereich, jedoch mit großem Abstand zum Wettbewerb.
Unabhängig davon, was aus dem Unternehmen und den Geschäften der Schlecker-Kette wird, sieht Holger Geißler für die Marke Schlecker wenig Überlebenschancen. Geißler: "Die Marke Schlecker als solche ist auf absehbare Zeit verbrannt. Schlecker steht für Skandale, schlecht behandelte Mitarbeiter und schäbige Läden. Bei der Marke Schlecker sehe ich wenig Erhaltenswertes."