Es war der Daumen nach unten, den Edeka-Chef Markus Mosa den Markenherstellern der Lebensmittelindustrie zeigte. Wenn nicht gar eine wesentlich derbere Geste. In Zukunft werde man das Angebot an eigenen Handelsmarken wesentlich stärker ausbauen, teilte er vergangene Woche mit.
Für die Markenhersteller, deren Produkte die Edeka-Regale zu großen Teilen füllen, hatte Mosa vor allem Kritik übrig. Sie verschlafen wichtige Entwicklungen, urteilte er. "Vieles, was uns von der Industrie als Innovation angeboten wird, ist gar keine. Sondern höchstens eine Variante eines eingeführten Produkts." Den Herstellern gehe der Mut zu Innovationen ab. Und wenn die es nicht können, so wohl die Quintessenz, dann macht es Edeka eben selbst - und zwar besser.
Die markigen Worte fußen auf harten Zahlen: Bei den Eigenmarken wie "Gut und Günstig", "Edeka Bio" oder "Ackergold" ist Edekas Umsatz zuletzt um fast zehn Prozent gewachsen, bei den Markenartikeln gerade mal um 0,7 Prozent. Kein Wunder, dass der genossenschaftliche Verbund versuchen will, das Geschäft mit den Geldbringer auszubauen. Er ist nicht allein.
Eigenmarken gewinnen an Bedeutung
Es gibt einen Trend gegen die großen Marken - und zwar nicht nur bei Edeka. Handels- oder Eigenmarken machen aktuell gut 40 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel aus. Und ihre Bedeutung wächst. Nicht boomartig, aber seit Jahren nahezu stetig.
Längst haben sich die Konsumenten daran gewöhnt, neben Markenprodukten eine echte Alternative zu haben. "Rund drei Viertel der Käufer erwarten Eigenmarken im Sortiment der Händler", sagt Markus Preißner, Wissenschaftlicher Leiter am Kölner Institut für Handelsforschung.
Zwei Drittel aller Kunden kaufen demnach ganz bewusst regelmäßig Handelsmarken. Die Zahl derjenigen, die bewusst zu Markenprodukten greifen, geht laut den Konsumforschern der GfK hingegen immer weiter zurück.
Das Marktforschungsinstitut Nielsen hat herausgefunden, dass viele Verbraucher Handelsmarken vorziehen, weil sie preiswerter sind als das entsprechende Markenprodukt und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.
Der Hauptgrund für die wachsende Begeisterung aber ist ein anderer. Und er gibt den Markenhersteller Anlass zur Sorge: Viele Konsumenten halten die Produkte längst für ebenbürtig. Laut einer aktuellen Umfrage des Branchen-Magazins "Lebensmittel Zeitung" bemerken knapp 60 Prozent der Kunden keine Unterschiede hinsichtlich der Produktqualität zwischen Hersteller- und Handelsmarken.
In den Tests der Stiftung Warentest schneiden Eigenmarken im Schnitt ohnehin nicht schlechter ab als Markenprodukte.
Eigenmarken setzten auf Premium
Das liegt zum einen daran, dass die vermeintlichen Eigenmarken vielfach von den gleichen Konzernen produziert werden, die mit ihren Premiumprodukten um Kunden werben. Marmeladenhersteller Zentis produziert auch für "Ja!" und Bahlsen stellt nicht nur Leibniz-Kekse her, sondern auch die billigere Variante für Aldi. Häufig variieren dabei einige Inhaltsstoffe, immer ist die Verpackung eine aufwendigere. Massive Qualitäts-Schwankungen gibt es aber nicht.
Zum anderen sind Eigenmarken längst nicht mehr nur billige Nachahmer. "Die Positionierung hat sich in den vergangenen Jahren geändert", sagt Olaf Roik vom Einzelhandelsverband HDE. "Früher waren Eigenmarken Preiseinstiegs-Produkte. Heute gibt es sie auch in der Mittelklasse und im Premiumbereich." Und das aus gutem Grund: Anders als bei den Billigprodukten, lassen sich dort hohe Margen erzielen.
Das Premium-Feld gehörte in der Vergangenheit den Markenprodukte. Eigenmarken waren bislang vor allem für den täglichen Gebrauch. “Für Gäste und Feste greifen die Verbraucher in der Regel auf die Markenartikel zurück”, sagt Handelsexperte Preißner. Noch.
Eigene Innovationen
Denn die Händler nehmen nicht nur teurere, hochwertige Produkte in ihr eigenes Portfolio auf. Sie entwickeln eigene Marken, erweitern so ihr Angebot und erschließen sich neue Kunden-Schichten. "Handelsmarken setzen verstärkt eigene Schwerpunkte und prägen Trendmärkte wie Bio und Regionalität", erklärt Roik. Obst und Gemüse aus der Region verkaufen sich in den Supermärkten hervorragend. Gerade die Kooperation mit heimischen Landwirten liegt im Trend. Die großen Lebensmittelkonzerne, die ihre Produktion auf den gesamten deutschen Markt ausrichten, haben da das Nachsehen.
Aber auch sonst ist der große Vorteil der Händler ihre Marktnähe. "Markenhersteller versuchen in der Regel, einen breiten Absatz zu schaffen", sagt Preißner. "Eigenmarken können deutlich spitzer zugeschnitten werden."
Die Händler passen ihre Produkte ganz genau an die Bedürfnisse ihrer Kunden an - und sie bekommen die Reaktionen unmittelbar mit. Läuft ein Produkt nicht, wird es kurzerhand aus den Regalen genommen. “Der Händler hat außerdem bessere Kontrolle über die gesamten Produktionsstufen”, sagt Preißner. Das heißt, er kann sehr viel genauer kontrollieren wo und wie sein Produkt hergestellt wird - und zu welchem Preis. Das bringt entscheidende wirtschaftliche Vorteile.
No-Name war einmal
Weil die Händler glauben, sie könnten von ihren Marken profitieren und diese von ihnen, verleihen sie ihnen stolz ihren Namen. Eigenmarken sind längst nicht mehr nur No-Name, sie heißen "Rewe Feine Welt" oder "Edeka Selection”. Davon versprechen sich die Händler eine Sogwirkung. Da die Eigenmarken nur bei ihnen erhältlich sind, so die Hoffnung der Händler, kommen die Kunden genau deshalb in den Laden.
Doch die enge Verknüpfung von Marke und Handelsunternehmen kann schnell zum Problem werden. Als im vergangenen Jahr unter anderem Pferdefleisch in Lasagnen der Eigenmarken von Rewe, Real und Edeka gefunden wurde, war der Image-Schaden gigantisch. Die Konzerne bemühte sich prompt um Schadensbegrenzung, sprachen von besonderer Verantwortung für die Eigenmarken und gelobte in Zukunft nur noch deutsches Fleisch zu verwenden. Doch das Vertrauen der Verbraucher war vorerst verloren.
Die Sorgen der Markenhersteller
Solche Rückschläge für die Eigenmarken waren bislang nur von kurzer Dauer - zum Leid der Markenhersteller. Denn der Kampf in der Lebensmittelbranche ist hart. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass sich die Ausgaben für Lebensmittel seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau bewegen. Die Umsätze stagnieren, während die Konkurrenz wächst.
"Jeder Euro, der für eine Handelsmarke ausgegeben wird, nicht mehr für ein Markenprodukt ausgegeben", sagte Alexander Müller-Vivil, Chef des Bonbon-Herstellers Vivil zuletzt im Interview mit dem Handelsblatt. Er betrachtet die Marktmacht der Händler als Gefahr. "Wir haben vier große Kunden heutzutage, das sind Aldi, Lidl, Rewe und Edeka. Die Konzerne machen 80 Prozent des deutschen Lebensmittelmarktes aus. Mit denen müssen wir zusammenkommen, sonst können wir keine Umsätze machen."
Jeder der großen Vier hat starke Eigenmarken im Angebot und setzt die Markenhersteller damit unter Druck. Am Ende bleibt nur im Regal, was sich gut verkauft und wenn das die eigene Marke ist, umso besser.
Harter Wettbewerb
Wenn der vermeintliche Qualitätsvorsprung den Kunden nicht mehr überzeugt und auch teure Werbung nicht greift, bleibt den Markenherstellern nur ein Weg: Preissenkungen. Das Markenhersteller damit versuchen, dem Bedeutungsverlust vorzubeugen , weiß HDE-Mann Olaf Roik: "Studien haben ergeben, dass Handelsmarken dämpfend auf hohe Preisspreizungen wirken." Heißt: Wo Eigenmarken vertrieben werden, sind häufig auch viele Markenprodukte günstiger.
Immerhin scheint diese Strategie erfolgversprechend: Bei der Umfrage fand die Lebensmittel Zeitung, dass zwei Drittel der Befragten günstige Markenprodukte den Handels-Labels vorziehen würden. Doch zu tief können die Markenhersteller nicht runter, sie ächzen schon jetzt unter dem Preiskampf.
"Es ist ein Wettbewerb. Und die Intensität hat sich erhöht", sagt auch Roik. Von einer ernsthaften Gefahr für die Markenhersteller will der Verbands-Mann aber nichts wissen. Dafür sei die Bedeutung der Marken viel zu groß. Tatsächlich: Während Discounter Aldi den Löwenanteil seines Umsatzes mit Handelsmarken macht, ist der Anteil bei anderen Supermärkten wesentlich kleiner. Er liegt aktuell zumeist bei rund 20 bis 25 Prozent.
Einem Supermarkt, der allein auf Eigenmarken setzt, rechnen Experten ohnehin keine Chancen aus. "Die Verbraucher erwarten in Sortiment eine große Vielfalt, wer beispielsweise Schokolade im Supermarkt kauft, der erwartet dort ein breites Angebot an Handels- und Herstellermarken in unterschiedlichen Preis- und Qualitätslagen”, erklärt Handelsforscher Preißner.
Trotzdem gehen Branchenkenner davon aus, dass die Bedeutung der Eigenmarken weiter wachsen wird. Manche Lebensmittelhändler sind sogar schon einen Schritt weiter und produzieren zunehmend auch selbst. Zur Edeka-Gruppe gehören bereits jetzt Fleischwerke, Bäckereien und ein Safthersteller.