Insolvenzverwalter Marc d’Avoine "Ohne Achenbach wird die Fortsetzung der Geschäfte schwierig"

Der Insolvenzverwalter durchleuchtet die Geschäfte des inhaftierten Kunstberaters Helge Achenbach. Bis zu einem Abschluss des Verfahrens muss er noch viele Vorgänge aufklären.

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Der Insolvenzverwalter Marc d’Avoine über die Pleite der Kunstberatung. Quelle: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr d’Avoine, die Inhaftierung des Düsseldorfer Kunstberaters Helge Achenbach hat für Schlagzeilen gesorgt. Sie sind Insolvenzverwalter von drei seiner Firmen. Wie steht es um die Achenbach-Gruppe?
Marc d’Avoine: Ich habe mir in den vergangenen Wochen einen ersten Überblick verschafft. Wir sind die Kunstbestände vor Ort durchgegangen, haben sie bewertet und versucht, Preisspannen abzuschätzen. Anschließend haben wir uns mit einem externen Kunstexperten zusammengesetzt und die Veräußerungsmöglichkeiten besprochen. Die erste Gläubigerversammlung für jedes der drei Unternehmen wird am 19. November 2014 stattfinden. Dort werde ich die Gläubiger über die Sach- und Rechtslage, die wirtschaftlichen Verhältnisse und die bisherigen Maßnahmen informieren.

Zur Person

Welche Überlebenschancen sehen Sie für die Unternehmen?
Die Unternehmensgruppe ist stark auf eine einzige Person ausgerichtet: Helge Achenbach. Wenn diese bekannte, schillernde und charismatische Person nicht mehr da ist, wird das mit einer Fortführung des Geschäfts schon recht schwierig.

Herr Achenbach sitzt seit Mitte Juni in Haft. Konnten Sie mit ihm sprechen?
Ich habe ihn einmal in der Justizvollzugsanstalt besucht und mehrfach mit seinem Verteidiger gesprochen.

Was sagt Achenbach zu dem Vorwurf, Rechnungen manipuliert und Kunden so um Millionen Euro geschädigt zu haben?
Ich kann nicht ins Detail gehen, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt und das Sache der Staatsanwaltschaft ist. Bei unserem Gespräch ging es im Kern um die wirtschaftliche Ausrichtung seiner Unternehmensgruppe. Dabei habe ich einige ergänzende Hinweise zu den Fakten bekommen, die wir unabhängig von ihm ermittelt haben. Zu Zahlen, Einkaufspreisen, Marktchancen, Verwertungsstrategien konnte er aber nur wenig beitragen – teils weil er in einigen Bereichen nicht involviert war, teils weil er keinen Zugriff auf sein Büro hat.

Wie geht es jetzt weiter? Wann startet der Verkauf von Kunstwerken und Oldtimern?
Der Bestand an Fahrzeugen hat sich in den vergangenen Jahren stark vermindert. Wir reden über eine Handvoll Fahrzeuge, darunter keine Modelle, die zu Spitzenpreisen gehandelt werden. Das Oldtimer-Geschäft ist damit deutlich überschaubarer, als bislang spekuliert wurde. Entscheidend sind die Kunstwerke. In den kommenden Wochen entscheiden wir final, welche Objekte wir über welche Vermarktungskanäle veräußern werden. Nicht jeder Kunstgegenstand läuft in jedem Markt. Ich setze auf die Erfahrung der Achenbach-Mitarbeiter, meine Eindrücke aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Dritten, aber auch auf die Expertise eines externen Kunstexperten, um sicherzustellen, dass wir optimale Preise erzielen.

Was sind die Kunstwerke wert?
Die Spannbreite reicht von sechsstelligen Beträgen bis zu unter 1000 Euro. Die Unternehmen besitzen Werke bedeutender Künstler, deren Werte teilweise sechsstellige Regionen erreichen. Es gibt aber auch Bilder von Studenten, aus denen – anders als erhofft – keine neuen Stars der Kunstszene geworden sind.

Daten und Fakten zu Helge Achenbach

Um welchen Betrag geht es insgesamt?
In Summe halte ich derzeit einen einstelligen Millionenbetrag für die Bilder und Objekte für möglich. Aber der Kunstmarkt ist sehr volatil. Es kann sein, dass ein Werk bei einer Auktion in London durchfällt, aber in München oder New York gut läuft. Insofern sind am Ende der richtige Zeitpunkt und die Vermarktungsstrategie entscheidend.

Reicht das Geld aus, um die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen? Allein die Erben des verstorbenen Aldi-Gründers Theo Albrecht fordern 19,4 Millionen Euro.
Ich werde hoffentlich in einem Jahr sagen können, ob die angemeldeten Forderungen aus den Verkäufen gedeckt werden können. Zunächst muss geklärt werden, gegen welches der Unternehmen sich welche Forderung richtet – es gibt über jede insolvente Achenbach-Gesellschaft ein separates Verfahren.

"Bei der Komplexität des Verfahrens ist ein schneller Abschluss unrealistisch"

Auch die Unternehmer Christian Boehringer und Bernd Viehof fühlen sich betrogen. Machen weitere Achenbach-Kunden Ansprüche geltend?
Die genannten Namen tauchen im Verfahren auf, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Die übrigen Gläubiger werden sich wohl erst im Laufe der nächsten Monate bei mir melden – wenn überhaupt.

Garagengold: Achenbachs Autosammlung. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Rudolf Wichert für WirtschaftsWoche

Es geht um Tausende Euro, da sollte das Interesse der Betroffenen doch groß sein?
Mitunter haben Gläubiger kein Interesse daran, dass bekannt wird, dass sie investiert haben, oder dass bekannt wird, woher ihre finanziellen Mittel stammen. Entsprechend zurückhaltend sind sie dann bei der Forderungsanmeldung.

Weil Schwarzgeld im Spiel ist?
In der Kunstszene wäre das nicht ungewöhnlich. Deshalb wage ich auch noch keine Prognose über die Zahl der Gläubiger im Fall Achenbach. Gewissheit wird es erst in einigen Monaten geben.

Wie lange wird das Verfahren dauern?
Das Verfahren steht erst am Anfang, und bei der Komplexität ist ein schneller Abschluss unrealistisch. Ein durchschnittliches Insolvenzverfahren dauert etwa fünf Jahre. Bei den Achenbach-Verfahren rechne ich mit einem deutlich längeren Zeitraum.

Woran liegt das?
Die Verwertung der Kunstgegenstände und Fahrzeuge sowie die Abrechnungen sind aufwendig. Zudem gab es Geschäfte zwischen den verschiedenen Achenbach-Gesellschaften. Wir werden uns alle Verträge und Zahlungen sehr genau ansehen. Die Frage von Leistung und Gegenleistung ist hier von besonderer Brisanz. Wir prüfen zudem Erstattungs- und Anfechtungsansprüche gegen Herrn Achenbach und die Geschäftsführer der Unternehmen.

Die umstrittenen Geschäfte des Kunstberaters Helge Achenbach

Das klingt sehr juristisch. Was heißt das?
Es gibt einige Vorgänge, die klärungsbedürftig sind. Wurden zum Beispiel einzelne Gläubiger bevorzugt, als die Insolvenz schon absehbar war? Das sind zunächst nur Ansätze, denen wir nachgehen. Für ein abschließendes Bild müssen wir die Argumente der Beteiligten anhören und juristisch einordnen.

Vor zweieinhalb Jahren wurde das Insolvenzrecht reformiert und um Sanierungswerkzeuge wie die Eigenverwaltung erweitert. Spielen die neuen Instrumente im Achenbach-Verfahren eine Rolle?
Nein, die Eigenverwaltung wäre hier nicht angemessen. In Verfahren, in denen Vorbehalte gegen die Unternehmensführung bestehen, müssen die Beteiligten immer genau abwägen, ob es wirklich sinnvoll ist, das alte Management weiter im Amt zu belassen. In vielen anderen Fällen bieten sich durch die Reform dagegen zusätzliche Sanierungschancen für Unternehmen. Dazu zählt auch, dass der Begriff Eigenverwaltung nicht so stark mit dem Stigma unternehmerischen Scheiterns belastet ist, wie es bei Regelinsolvenzen oft der Fall ist.

Neben dem Achenbach-Fall betreuen Sie und Ihre Kanzlei-Partner zahlreiche Insolvenz- und Sanierungsverfahren. In welchen Branchen wird es bald kritisch?
Solar- und Energieunternehmen sind weiter gefährdet. Hier bahnt sich eine zweite Welle von Unternehmensinsolvenzen an. Zudem steuern wir viele Speditionen und Lagerlogistikunternehmen durch die Sanierung. In der Branche herrscht ein enorm hoher Wettbewerbsdruck, die Margen sind gering. Auch im Gesundheitswesen gibt es Probleme. Es ist schwierig, eine Praxis oder ein Krankenhaus betriebswirtschaftlich erfolgreich zu führen.

Sehen Sie eine neue Pleitewelle?
Nein. Es gibt zwar einzelne Branchen, die unter Druck stehen. Aber insgesamt sinkt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen seit Monaten.

Woran liegt das?
An der Sonderrolle Deutschlands als Exportnation, dem niedrigen Euro und der insgesamt guten Kreditversorgung. Zudem gab es in den Vorjahren viele Übernahmen und Zusammenschlüsse ehemals allein operierender kleinerer und mittelgroßer Firmen zu sehr wettbewerbsfähigen Unternehmenseinheiten.

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