Ist der Aldi-Aufbau mit vielen Regionalgesellschaften noch zeitgemäß?
Dieter und Nils Brandes: „Früher war es zwar auch wichtig, Konzernstrukturen mit umfassenden Publikationspflichten und Gesamtbetriebsrat zu vermeiden. Die Regionalgesellschaften sind aber vor allem eine wesentliche Methode, um Komplexität zu vermeiden. Kleine Einheiten sind überschaubarer, einfacher zu managen, produzieren bessere Ergebnisse. Aus unserer Sicht könnte Aldi sich sogar nochmals teilen. Beispielsweise in Aldi Nordwest und Nordost oder Aldi Südwest und Mitte mit jeweils 17 Regionalgesellschaften.“
Diese Rolle spielt Aldi im Einzelhandel
Aldi ist der führende Lebensmittel-Discounter in Deutschland. Fast neun von zehn Haushalten kaufen Schätzungen zufolge bei Aldi Nord und Aldi Süd regelmäßig oder spontan ein. „Da ist derjenige dabei, der zweimal in der Woche bei Aldi seinen Grundbedarf deckt, aber auch derjenige, der am Urlaubsort zufällig bei Aldi vorbeikommt und dort einkauft“, sagt der GfK-Handelsexperte Wolfgang Adlwarth.
„Der Einfluss von Aldi wird noch immer gern unterschätzt“, findet Matthias Queck vom Handelsinformationsunternehmen Planet Retail. Wenn man den deutschen Lebensmittel-Einzelhandel insgesamt betrachte, liege der Marktanteil von Aldi Nord und Süd zusammengenommen zwar nur bei 15 Prozent. Bei einzelnen Produkten sei der Marktanteil und damit der Einfluss aber wesentlich höher. „Ob bei Milch, Saft oder Zucker - Aldi legt vor und bestimmt den Preis, und alle anderen reagieren innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen“, schildert der Experte. An Aldi-Preisen orientierten sich die großen Supermarkt-Gruppen in der untersten Preislage.
Mit dem dichten Filialnetz von insgesamt rund 4300 Märkten in Deutschland und dem begrenzten Sortiment würden Aldi Nord und Aldi Süd über Nacht zu einem der größten Verkäufer, wenn sie ein neues Produkt wie jüngst Coca-Cola in ihr Sortiment aufnehmen. Bei den eigenen Aldi-Marken stützten sich die Discountketten zum Teil auch auf verschiedene Lieferanten. „Der Discounter kann damit Lieferanten austauschen und sorgt damit für Wettbewerb unter den Herstellern.“
Die Gewerkschaft Verdi wirft Aldi Nord und Aldi Süd vor, systematisch Mehrarbeit von Mitarbeitern nicht zu bezahlen. „Aldi bezahlt die Mitarbeiter zwar grundsätzlich nach den Flächentarifverträgen. Wir stellen aber fest, dass bestimmte Zeiten wie Überstunden nicht angerechnet werden“, sagt der Verdi-Fachgruppenleiter Einzelhandel, Ulrich Dalibor. Das summiere sich zu riesigen Beträgen, die die Unternehmen ihre Mitarbeitern vorenthalten würden. „Deshalb ist die Einhaltung von Tarifverträgen in Anführungszeichen zu setzen.“
Aldi Nord beschäftigt nach eigenen Angaben rund 28.000 Mitarbeiter in Deutschland, bei Aldi Süd wird in Kreisen der Gewerkschaft Verdi von etwa 25.000 Mitarbeitern in Deutschland ausgegangen.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter sieht Aldi mit dessen Fokus auf niedrige Preise zudem als einen Wegbereiter der Billigmentalität. „Aldi nutzt Chancen, die die Molkereiwirtschaft und Milchviehhalter mit einem Überangebot an Milch bieten, wirtschaftlich bis zur letzten Nuance aus“, schildert Sprecher des Bundes, Hans Foldenauer.
Aldi Süd weist den Vorwurf, dass Mehrarbeit systematisch nicht bezahlt würde, zurück. „Eine über die offizielle Arbeitszeit hinausgehende, nicht vergütete Mehrarbeit wird weder erwartet noch geduldet. Dies wird durch den jeweiligen Vorgesetzten kontrolliert“, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens. In einigen Fällen könne es selbstverständlich vorkommen, dass es zu Mehrarbeit, also Arbeitsstunden, die über die im Vertrag festgehaltene Arbeitszeit hinausgehen, komme. „Derartige Mehrarbeit wird immer entweder vergütet oder durch Freizeitausgleich abgegolten“, betonte sie.
Das Schwesterunternehmen Aldi Nord weist die Kritik ebenfalls zurück. Es werde eine Mehrarbeitsvergütung bezahlt - unabhängig davon, ob die Mitarbeiter tatsächlich Mehrarbeit geleistet hätten oder nicht. Dazu gebe es Vereinbarungen mit der Mitarbeitervertretung.
Muss auch Aldi irgendwann einen Internetshop eröffnen?
Dieter und Nils Brandes: „Muss nicht. Blumen haben sie schon. Sie werden sich aber sicherlich damit beschäftigen und das eventuell testen. Für Lebensmittel ist das allerdings ein zweifelhafter Weg. Besonders für einen Discounter, der niedrigste Kosten und niedrigste Verkaufspreise braucht. Und zu selten noch wird heute die Problematik der Zustellung an die Haustür beachtet.“
Das Lidl-Imperium in Zahlen
11.000 Standorte betreiben Lidl und Kaufland europaweit, 300.000 Mitarbeiter beschäftigt die Schwarz-Gruppe.
67,9 Milliarden Euro wird Lidl 2016 erlösen, eine Milliarde mehr als Aldi.
Die Schwarz-Gruppe könnte nach einer Prognose von PlanetRetail den Metro-Konzern schon 2013 als größten deutschen Handelskonzern ablösen. Lidl allein dürfte spätestens 2016 Aldi als weltweiten Discount-König entthronen.
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Verwässern Markenartikel wie Coca-Cola das Aldi-Discountprinzip?
Dieter und Nils Brandes: „Ja, aus unserer Sicht ein starker Verstoß gegen das erfolgreiche Aldi-Prinzip. Aldi wird Lidl immer ähnlicher. Zum Discountkonzept gehört, möglichst viele Eigenmarken zu verkaufen. Wenn man die gleiche oder bessere Qualität anbieten kann, streicht man die Industriemarke und bietet einen wesentlich niedrigeren Preis. Das sind oft bis zu 40 Prozent weniger.“