Es ist nicht nur Daniel Loebs größte Einzelinvestition, seitdem er 1995 seinen Hedgefonds Third Point gegründet hat. Noch nie hat er sich mit einem größeren Konzern angelegt, um die Rendite für die Aktionäre zu verbessern. Doch nun stellt er sich gegen Nestlé, den weltgrößten Lebensmittelproduzenten.
Third Point hat nach eigenen Angaben vom Sonntag eine Beteiligung an dem Schweizer Konzern gekauft und eine Änderung von dessen Strategie gefordert. Der Anteil von mehr als einem Prozent an Nestlé sei knapp 3,3 Milliarden Schweizer Franken (umgerechnet rund drei Milliarden Euro) wert. Der Fonds ist damit achtgrößter Aktionär des Konzerns.
Third Point verlangt von Nestlé eine Verbesserung der Gewinnmarge, einen Aktienrückkauf und den Verkauf von nicht zum Kerngeschäft zählenden Geschäftsbereichen. Das Unternehmen soll nach dem Willen des Investors seine 23-prozentige Beteiligung an dem französischen Kosmetikkonzern L'Oreal veräußern. Von Nestlé war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Die größten Lebensmittelhersteller der Welt
Platz 10: Smithfield
Der Konzern ist der weltgrößte Schweinefleischproduzent und -lieferant mit Firmensitz in Virginia. 2013 hat die chinesische Staatsfirma Shuanghui das Unternehmen übernommen.
Quelle: Konzernatlas 2017
Platz 9: General Mills
Auf dem neunten Platz der umsatzstärksten Unternehmen liegt der US-Lebensmittelkonzern mit Sitz in Golden Valley, Minnesota. In den USA kennt man das Unternehmen für seine Frühstücksflocken. In Deutschland bekannt ist unter anderem die Eiskremesorte Häagen-Dazs.
Platz 8: Danone
Das französische Unternehmen ist der Rivale des schweizerischen Lebensmittelgiganten Nestlé. Der Lebensmittelproduzent ist in Deutschland durch das Joghurtgetränk Actimel oder durch seine bunten Verpackungen von den Fruchtzwergen bekannt. Der Konzern hat am Ende des Jahres 2016 die EU-Genehmigung für die Übernahme des US-Bio-Rivalen Whitewave erhalten.
Platz 7: Unilever
Der niederländische Lebensmittel- und Kosmetikriese ist in Großbritannien durch den Brotaufstrich Marmite bekannt. In Deutschland finden sich von dem Unternehmen bekannte Marken wie Becel, Bertolli, Langnese, Lipton oder Knorr. 2016 kaufte der Konzern die US-Ökofirma Seventh Generation auf, um der Nachfrage nach ethischen Produkten in der Haushaltssparte nachzukommen.
Platz 6: Kraft Heinz
Auf Platz sechs findet sich das US-amerikanische Unternehmen Kraft Heinz mit Sitz in Pittsburgh, das bei uns besonders durch den Tomaten-Ketchup bekannt ist. Der Konzern ist 2015 aus der Fusion von Kraft Foods und Heinz Company hervorgegangen.
Platz 5: Mondelez
Der Lebensmittelriese mit Sitz in Deerfield, Illinois, ist Hersteller der in zahlreichen Ländern vertriebenen Schokolade mit in goldgelb verpackten Bergen. 2016 gab es in Großbritannien einen Aufschrei wegen der zackigen Süßigkeit. Der Konzern stellt unter anderem auch so bekannte Marken wie Milka und Oreo her.
Platz 4: Mars
Das familiengeführte Unternehmen mit Sitz in Virginia nimmt den vierten Platz in der Weltrangliste der Lebensmittelhersteller ein. Es stellt die bekannten Marken Balisto, Bounty, M&M’s, Milky Way oder den gleichnamigen Schokoriegel Mars her. Der Konzern stellt neben Süßigkeiten auch Tiernahrung her.
Platz 3: Tyson Foods
Das US-amerikanische Unternehmen mit Sitz in Springdale, Arkansas, ist der zweitgrößte Fleischproduzent und -lieferant der Welt. Der Konzern verarbeitet unter anderem Rind-, Schweine- und Hähnchenfleisch und beliefert beispielsweise McDonald´s, Burger King und Kentucky Fried Chicken.
Platz 2: JBS
Das südamerikanische Familienunternehmen JBS ist der weltgrößte Fleischproduzent und -lieferant und liegt damit auf Platz zwei der Top 10. Der Fleischverarbeiter mit Sitz in São Paulo exportiert seine Waren in über 150 Länder.
Platz 1: Nestlé
Der weltgrößte Lebensmittelhersteller ist das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Der Konzern ist durch Marken wie Nescafé, Nespresso, Nestea (mit Coca-Cola), Maggi oder After Eight in Deutschland bekannt. Nestlé hat mit Ende 2016 einen neuen Chef bekommen, mit dem der Nahrungsmittelhersteller raus aus dem weniger rentablen US-Süßwarengeschäft und der Tiefkühlkost und rein in das vielversprechende Gesundheitsgeschäft kommen möchte.
Noch am Donnerstag hatte Nestlé-Chef Mark Schneider bei einem Vortrag bei der globalen Branchenorganisation Consumer Goods Forum in Berlin betont, starke Marken erforderten starke Investments in die Markenpflege – also alles andere als einen Sparkurs.
Schneider, der Anfang des Jahres von Fresenius zu Nestlé wechselte, ist seit annähernd einem Jahrhundert der erste Nestlé-Chef ohne Konzernvergangenheit. Mit der Ankündigung, den Pharmamanager zum neuen Chef zu machen, weckte das Unternehmen die Erwartung, künftig noch stärker in den Bereich zwischen Lebensmitteln und Pharma vorzustoßen. Nestlé forscht schon länger an personalisierten Health-Foods. Zudem ist der Konzern stark etwa bei Krankenhaus-Nahrung. Doch das erfordert starke Investitionen und langen Atem.
Loeb hat etwas anders vor. Ein gutes Opfer für den aktivistischen Investor ist Nestlé aus zwei anderen Gründen: Zum einen hat Nestlé mehrere Jahre hintereinander das selbstgesteckte Wachstumsziel von fünf Prozent verfehlt und es schließlich aufgegeben. Das liegt zwar vor allem an der schwachen Branchenkonjunktur, hat aber viele Aktionäre enttäuscht. Solche Unzufriedenheit könnte ein Resonanzboden für die Attacke sein. An dieses Gefühl knüpft Loebs Diagnose an, Nestlé sei zu unbeweglich, müsse schneller werden und sich der neuen Zeit besser anpassen.
Warum Verbraucher Bio-Lebensmittel kaufen
"Was sind für Sie die Gründe, die Sie dazu veranlassen, Bioprodukte zu kaufen?" wollte das Bundeslandwirtschaftsministerium für das Öko-Barometer 2016 wissen und ließ dazu deutsche Verbraucher über 14 Jahren befragen, die angaben, zumindest "gelegentlich" Bio-Lebensmittel zu kaufen. Die Ergebnisse:
Auf dem ersten Platz: "Artgerechte Tierhaltung". 93 Prozent der Befragten nannten dies als Grund, Bio-Produkte zu kaufen - damit landet ein eher altruistisches Motiv ganz vorne: Dass die Milch im Kaffee von "glücklichen Kühen" kommt, ist den Käufern damit nämlich wichtiger als etwa die Sicherheit, gentechnikfreie Lebensmittel zu erhalten oder - im Falle verarbeiteter Lebensmittel - weniger Zusatzstoffe zu sich zu nehmen.
91 Prozent der Befragten verbinden offenbar den Kauf von "Bio" mit regionaler Herkunft der Produkte. Das kann beim Kauf auf dem Hofladen auf der grünen Wiese stimmen - muss es aber nicht, wenn etwa im Supermarkt eingekauft wird. Der Blick auf die verpflichtende Herkunftsangabe lohnt sich.
"Weniger Zusatz- und Verarbeitungsshilfsstoffe" in Bio-Produkten erwarten 88 Prozent der Menschen, die zumindest gelegentlich zu "Bio" greifen.
Eine möglichst geringe Belastung der gekauften Produkte mit Schadstoffen, etwa Rückstände von Antibiotika in Fleisch oder von Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln auf Obst und Gemüse, erhoffen sich 87 Prozent der Befragten.
"Bio - find ich gut", so könnte man vielleicht Grund Nr. 5 zusammenfassen: Der lautet nämlich "Unterstützung des ökologischen Landbaus" und zeigt: "Bio" wird gekauft, weil es eben "Bio" ist. Es gibt also Verbraucher, die vom Gesamtkonzept "Bio" so überzeugt sind, dass sie eben dieses Konzept mit ihrem Konsumverhalten unterstützen wollen.
84 Prozent der Befragten nannten "gesunde Ernährung zur Stärkung des persönlichen Wohlbefindens" als Grund für den Kauf von Bio-Lebensmitteln. Wenig verwunderlich: Bio-Käufer verbinden mit ökologischer Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion einen geringeren Anteil an Zusatzstoffen in der Verarbeitung sowie allgemein eine geringere Schadstoffbelastung.
Der Verzicht auf Massentierhaltung und die "chemische Keule" bewegt 81 Prozent der Befragten, zum Bio-Siegel zu greifen: Sie nannten in der Umfrage ihren Wunsch, einen "Beitrag zu effektivem Umweltschutz" zu leisten, als Ansporn für ihre Kaufentscheidung.
81 Prozent der Umfrageteilnehmer nannten die "Sicherheit, gentechnikfreie Lebensmittel zu erhalten" als Motiv für ihren Bio-Kauf.
75 Prozent der Befragten ist die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt, die Biodiversität wichtig. Im Bio-Anbau, so hoffen sie, würde die Arten- und Sortenvielfalt etwa alter Nutztierrassen oder von Obst- und Gemüse eher erhalten als in der industriellen Massenproduktion von Lebensmitteln.
71 Prozent nannte einen sehr pragmatischen Grund, Bio-Lebensmittel zu kaufen: Sie waren für die betreffenden Verbraucher schlicht und ergreifend in der Nähe zu finden.
Für 71 Prozent der Bio-Käufer bedeutet "Bio" "lecker". Sie nannten den Geschmack als Kaufkriterium.
Auch Schwangere und Eltern begeistern sich für ökologisch erzeugte Lebensmittel. Dabei setzen auch sie auf die erhoffte Schadstofffreiheit: 66 Prozent nannten als Grund für ihre Bio-Einkäufe, dass sie diese Art der Ernährung während der Schwangerschaft sowie für ihre Kinder bevorzugten.
Gammelfleisch und andere eklige Lebensmittelskandale berühren zumindest im Bewusstsein der Verbraucher Bio-Produkte kaum. 63 Prozent der Befragten nannten "Lebensmittelskandale" als Grund für ihren Einkauf von Bio-Produkten.
"Bio" ist nicht gleich "Fair Trade" - aber die Chancen, im Bio-Supermarkt oder -Regal zusätzlich auf fair gehandelte Produkte zu treffen, schätzen die Umfrageteilnehmer anscheinend relativ hoch ein: 59 Prozent gaben an, Bio-Produkte zu konsumieren, weil diese "gleichzeitig" oder zumindest "oft" fair gehandelt seien.
Grund Nr. 15 für den Bio-Kauf hat mit der Güte der Lebensmittel an sich wenig zu tun. 38 Prozent der Umfrageteilnehmer vertrauen den Verkäufern in Bio-Laden oder -Abteilung anscheinend mehr als denjenigen im regulären Lebensmittel-Einzelhandel. Sie nannten die "Beratung durch Fachpersonal" als Grund für den Bio-Kauf.
Zum anderen gibt es bei Nestlé schnell ordentlich Geld zu holen. Das Unternehmen hält noch immer 23 Prozent an L'Oréal, ohne recht erklären zu können, weshalb das strategisch notwendig ist. Die Beteiligung entstand 1974, als die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt 41 Prozent an ihrem Konzern an Nestlé verkaufte.
Sie fürchtete damals, die Regierung könne den Großkonzern verstaatlichen und sah den Schweizer Konzern als Garant für Unabhängigkeit. Beide Seiten vereinbarten ein Vorkaufsrecht, das 2014 auslief. Danach reduzierte Nestlé bereits seinen Anteil um acht Prozent und holte Gemeinschaftsunternehmen komplett unter das eigene Dach.
Loebs Kalkül ist klar: Wenn er Nestlé mit Hilfe der Stimmen unzufriedener Aktionäre dazu bringt, die 23 Prozent von L'Oréal zu verkaufen, spült das viel Geld in der Kasse. Nach aktuellem Kurs sind die L’Oréal-Aktien, die Nestlé hält, gut 44 Milliarden Euro wert. Ein Gutteil davon dürfte an die Nestlé-Aktionäre ausgeschüttet werden, beispielsweise über einen Aktienrückkauf. Zusätzlich könnten Investitionen neue Wachstumsfantasie wecken.
Und: Im weit verzweigten Nestlé-Reich könnte Loeb sogar noch weitere Verkäufe initiieren, die noch mehr Geld brächten. Das regt offenbar auch die Fantasie der Aktionäre an. Die Nestlé-Titel stiegen am Montagmorgen um bis zu 4,5 Prozent.
Aggressive Investoren im Aufwind
In der Konsumgüterbranche gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie Investoren durch spektakuläre Schritte Geld machen konnten. Kraft etwa hat sein internationales Snackgeschäft als Mondelez („Milka“) abgespalten, der Investor 3G mit Warren Buffet hat Heinz Ketchup gekauft, Procter & Gamble („Gillette“) ein großes Marken-Paket abgestoßen. Der Konsumgüterkonzern Sara Lee mit starken Marken wie Douwe Egberts hat sich sogar komplett in Einzelteile zerlegt. Schon damals dabei: Daniel Loeb.
Investoren wie Loeb, die sich aktiv in die Firmenpolitik einmischen, werden bei ihren Kunden wieder beliebter. Der wichtigste Fonds von Third Point gewann von Januar bis Mai fast zehn Prozent neue Kunden hinzu. Das hat Loeb offenbar ermutigt, nach Kampagnen in den USA und Japan nun auch in Europa aggressiver aufzutreten. Im April erklärte er, in die italienische Bank Unicredit investiert zu haben. Diese sei an der Börse niedrig bewertet, sei erst kürzlich rekapitalisiert worden und habe einen neuen CEO, sagte er zur Begründung.
Sein Fonds hält auch Anteile am Energieversorger Eon, da der Konzern „am Markt missverstanden und preislich attraktiv“ sei. „Wir sehen mehr Gelegenheiten in Europa aufgrund der starken und sich verbessernden Wirtschaftsdaten“, schrieb Third Point am 27. April an Investoren.
Ob er auch bei Nestlé Erfolg hat, ist ungewiss. 2014 bekannte sich der damalige Konzernchef Paul Bulcke explizit zu L'Oréal – obwohl schon damals Investoren auf ein weiteres Runterfahren der Beteiligung gehofft hatten. Bulcke und L’Oréal-Chef Jean-Paul Agon kennen und schätzen sich, sind eine Managergeneration. Und Bulcke ist weiterhin einflussreich bei Nestlé: Er ist inzwischen als Chairman Chefaufseher.
Bei Lebensmittelimporten aus diesen Ländern gibt es häufig Warnungen
Die vorliegenden Zahlen beruhen auf einer Statistik des EU-Schnellwarnsystems für Lebensmittel. Über RASFF (kurz für Food and Feed Safety Alerts) werden Meldungen über Lebensmittel, Futtermittel und Lebensmittelbedarfsgegenstände ausgetauscht, von denen ein Gesundheitsrisiko ausgeht.
Spanien
2014: 169 Warnungen
2015: 158 Warnungen
2016: 177 Warnungen
USA
2014: 164 Warnungen
2015: 87 Warnungen
2016: 178Warnungen
Indien
2014: 199 Warnungen
2015: 276 Warnungen
2016: 200 Warnungen
China
2014: 417 Warnungen
2015: 394 Warnungen
2016: 254 Warnungen
Türkei
2014: 200 Warnungen
2015: 281 Warnungen
2016: 274 Warnungen
Allerdings trifft die Attacke Nestlé zu einem Zeitpunkt, an dem die neue Strategie von Schneider noch nicht komplett kommuniziert ist – und deren Erfolg ungewiss bleiben muss. Dem setzte Investor Loeb eine Vision entgegen, wie Aktionäre schnell zu Cash kommen können.
Da der Konzern komplett im Streubesitz ist, hat er also gute Chancen, ausreichend Aktionäre zu überzeugen. Deshalb ist unwahrscheinlich, dass Nestlé keine eigenen Maßnahmen ergreift, um Aktionäre bei der Stange zu halten. Über dem Genfer Genfer See bei Vevey, dem Sitz von Nestlé, braut sich ein Sturm zusammen.
Mit Material von Reuters und Bloomberg