Jörg Funder "Die Schlecker-Sanierung ist eine Herkulesaufgabe"

Welche Probleme müssen der Insolvenzverwalter und das Management bei der Schlecker-Sanierung zuerst angehen? WirtschaftsWoche Online sprach mit Jörg Funder, Experte für Unternehmensführung im Handel.

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Jörg Funder Quelle: Pressebild

Herr Funder, Schlecker hat Insolvenz angemeldet. Woran ist der Konzern gescheitert?

Bei fast allen wirtschaftlich relevanten Kriterien haperte es zuletzt. Die Performance war schlecht. So hatte Schlecker sowohl beim Durchschnittsbon als auch bei der Kundenfrequenz das Nachsehen gegenüber Wettbewerbern wie dm und Rossmann. Die Kunden gaben auch weniger aus. Schlecker-Kunden kaufen gerade mal für durchschnittlich sieben Euro bei der Kette ein, rund zwei Euro weniger als Kunden von dm und Rossmann.

Schlecker: For You, vorbei
Neuer Schlecker-Claim For You. Vor Ort. Quelle: dpa
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Kein Wunder, viele Läden waren auch alles andere als attraktiv für die Kunden.

Sowohl dm als auch Rossmann haben in den letzten Jahren konsequent die Strategie verfolgt, bessere Standorte mit hoher Kundenfrequenz und höherwertige Formate zu entwickeln, währenddessen hat Schlecker lange am Hart-Discount Konzept an geringwertigeren Standorten und in Vororten festgehalten. Mit durchschnittlich rund 200 Quadratmetern waren Flächen zu klein um komplexe Warenbilder zu zeigen und Sortimentskompetenz zu demonstrieren. Nur knapp 4.000 Artikel führte eine durchschnittliche Schlecker Filiale und damit zu wenige um sich im Wettbewerb wirklich positionieren zu können. Zum Vergleich: dm führt rund 12.000 Artikel.

Wie haben sich die Skandale und das schlechte Image von Schlecker ausgewirkt?

Die Einschätzungen von Kunden über Einkaufsfreude, Sortimentskompetenz und Service sind bei Schlecker unterdurchschnittlich. Die Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowski und dm sind dagegen die klaren Zufriedenheitsführer der Branche. Der Name Schlecker ist zwar überall bekannt, der Konzern war aber nicht in der Lage seine Markenbekanntheit in eine loyale Kundschaft zu überführen. In einer repräsentativen Umfrage von 1.000 Drogeriemarktkunden kannten einhundert Prozent der Befragten Schlecker. Nur schlappe neun Prozent sind vom Leistungsversprechen Schleckers aber so überzeugt, dass sie auch kontinuierlich dort einkaufen.

Der Konzern hatte in den vergangenen Monaten ein neues Ladenkonzept gestartet. Die Läden sollten freundlicher und heller werden. War das der richtige Weg?

Der Fokus auf ein neues, zukunftsträchtiges Filialkonzept ist im Grunde richtig, ob die gewählte Art der Neuausrichtung aber die richtige war, würde ich jedoch in Frage stellen. Einen grundlegenden Wandel sehe ich nicht, das konkrete Werteversprechen und wie sich dies in Sortiment, Preis, Filialstandort und –Gestaltung übersetzt bleibt unklar.

Wer als Investor in Frage kommt

Schlecker strebt nun eine Planinsolvenz an, um den Konzern zu sanieren. Welche Überlebenschancen hat  Schlecker dabei?

Prinzipiell muss man Schlecker erst einmal Respekt zollen, das Instrument der Planinsolvenz zu nutzen. Das Instrument der Planinsolvenz räumt Schlecker spezielle Sanierungsmöglichkeiten ein. So können Verträge unabhängig von ihrer Laufzeit binnen drei Monaten gekündigt werden, Stellenstreichungen sind einfacher möglich. Die Sanierung von Schlecker ist jedoch eine Herkulesaufgabe. Ob Schlecker angesichts der Herausforderungen und des Wettbewerbs in der Branche langfristig wettbewerbsfähig werden kann und zudem zukünftigen Investoren eine angemessene Verzinsung ihres Kapitals versprochen werden kann, wird sehr schwer sein. Eines scheint jedoch festzustehen: wenn, dann haben wir einen komplett neuen Schlecker, in neuen Strukturen und mit wesentlich weniger Filialen.

Welche Probleme müssen der Insolvenzverwalter und das Management nun zuerst angehen?

Ich denke die Anstrengungen des Managements laufen zuerst darauf die Gläubiger und Richter für den Sanierungsplan und für die Zustimmung zur Sanierung in Eigenverwaltung zu gewinnen. Gelingt ihnen dies, hat der Insolvenzverwalter eine eher untergeordnete Rolle. Er ist nur Sachwalter, der die Einhaltung der Regularien des Insolvenzplanverfahrens überprüft.

Und anschließend?

Als erstes gilt es die Zahlungsfähigkeit des Konzerns wiederherzustellen. Typischerweise werden Management und Sachwalter eine Optimierung des Betriebskapitals (Working Capital) vornehmen, um den Finanzmittelzufluss zu erhöhen. Desweiteren müssen die Umsätze abgesichert werden. Entsprechende Verkaufsförderungsmaßnahmen und Kommunikationskampagnen um das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit herzustellen müssen umgesetzt werden.

Kurzfristig würden auch Sortimente zu überarbeiten sein, um hier erste Schwerpunkte zu setzen und Ertragspotentiale aus dem Einkauf zu heben. Typisch sind hier auch Forderungen nach Sanierungsbeiträgen von Lieferantenseite. Eher mittelfristig bis langfristig muss auch ein zukunftsfähiges Format gefunden werden. Die enorme Herausforderung besteht hierbei nicht nur darin, sich gegen starke, erfolgreiche Wettbewerber zu behaupten, sondern im immensen Finanzbedarf und der fehlenden Managementkapazität zur Umstellung des Filialnetzes.

Den Finanzbedarf könnten wohl nur externe Investoren decken. Wer kommt dafür infrage? 

Ich bin davon überzeugt, dass Schlecker beim Ausmaß der anstehenden Restrukturierungsmaßnahmen wenn überhaupt im Dunstkreis erfahrener Distressed Investoren und Private Equity Unternehmen fündig wird. Vorteilhaft an dieser Investorenspezies ist, dass sie viel Restrukturierungskompetenz mitbringen.

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