Als Peter Harf vor rund fünf Jahren ins Kaffeegeschäft einstieg, wurde er von vielen ein wenig belächelt. Sicher, der heute 70-Jährige hatte als oberster Vermögensverwalter der deutschstämmigen Milliardärsdynastie Reimann damals bereits mehrfach sein Gespür für gute Deals bewiesen. Fast aus dem Nichts hatte der ehemalige Berater der Boston Consulting Group in 30 Jahren ein damals mindestens 15 Milliarden Euro schweres Konsumgüterreich geschaffen. Kern sind gut 200 Topmarken von Putzmitteln wie Sagrotan bis zu den schönen Dinge des Lebens wie Prominenten Parfüms á la Calvin Klein oder Jimmy-Choo-Edel-Schuhe.
Das überzeugte nicht alle. „Den ebenso komplexen wie zersplitterten Markt Kaffee zu einen, das erschien uns angesichts der hohen Kosten riskant bis unmöglich“, so der Chef eines großen europäischen Kaffeeriesen.
Doch spätestens heute hat Harf wieder gezeigt, dass es für ihn als Jahrgangsbester an der Universität zu Köln kein „unmöglich“ gibt, sondern nur ein schwierig – und das übersetzt der Absolvent der Harvard Business School in den USA nun mal mit „besonders reizvoll“.
Gerade hat die von Harf geleitete JAB Holding Company wieder mal im Kaffeegeschäfts zugekauft. Stimmen die Wettbewerbshüter zu, wird die Jacobs Douwe Egberts genannte Beteiligung vom brasilianischen Marktführer Cacique das Geschäft mit Kaffeekapseln und allem anderen anregenden abseits des Instantkaffees übernehmen. Damit wird die Gruppe, die hier in Europa die Marken Jacobs, Senseo oder Tassimo im Angebot hat, nun auch im größten Exportland des weltweit beliebtesten Genussmittels einer der Marktführer – sowie wie sie es bereits in mehr als 100 anderen Ländern in allen Erdteilen geschafft hat.
Das bringt Harf und seine beiden Partner Bart Becht und Olivier Goudet, denen die Reimanns zusammen rund acht Prozent der gut 30 Milliarden Euro wertvollen JAB überließen, ihrem wichtigsten Ziel näher: Einen – und wenn möglich den – Weltmarktführer beim Kaffee zu schaffen – so wie ihnen das bereits mit ihrer Beteiligung Coty im Parfümmarkt gelungen ist.
Das Reimann-Reich
Eigentümer: Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann, Stefan Reimann-Andersen, Matthias Reimann-Andersen (zu 92 Prozent), Senior Partner Peter Harf, Bart Becht, Olivier Goudet (zu acht Prozent)
Sitz: Luxemburg
Zweck: Sammelt Erträge und schüttet an Anteilseigner aus
Kapital: 18,9 Milliarden Euro
Überschuss: 2,6 Milliarden Euro
Eigentümer: JAB Holding Company (zu 100 Prozent)
Sitz: Luxemburg (JAB Investments), Niederlande (JAB Holdings)
Zweck: Bündelung der Beteiligungen
Hält den Kaffeekonzern Jacobs Douwe Egberts
Sitz: Niederlande
Marken: Jacobs, Senseo, Tassimo, Douwe Egberts, Keurig
Wert: 9,7 Milliarden Euro
Verlust: 253 Millionen Euro
Anteil der Reimanns: 64,7 Prozent
Sitz: USA
Marken: Peet's, Caribou, Einstein Noah, Stumptown, Intelligentsia
Wert: 1,8 Milliarden Euro
Verlust: 92 Millionen Euro
Anteil der Reimanns: 71,7 Prozent
Sitz: Niederlande
Marken: Espresso House, Baresso
Wert: 0,2 Milliarden Euro
Gewinn: 0 Millionen Euro
Anteil der Reimanns: 52 Prozent
Sitz: Großbritannien
Marken: Sagrotan, Vanish
Wert: 6,3 Milliarden Euro
Gewinn: 117 Millionen Euro
Anteil der Reimanns: 10,5 Prozent
Sitz: USA
Marken: Adidas, Calvin Klein, Davidoff, Rimmel
Wert: 6,3 Milliarden Euro
Gewinn: 237 Millionen Euro
Anteil der Reimanns: 79,7 Prozent
Sitz: Schweiz
Marken: Bally, Jimmy Choo und Belstaff
Wert: 0,1 Milliarden Euro
Verlust: 189 Millionen Euro
Anteil der Reimanns: 100 Prozent
Hinter dem Kaufrausch steht ein Dreistufenplan: Die zersplitterte und zum großen Teil fast mittelständisch organsierte Kaffeebranche industrialisieren und aus mittelständischen Betrieben eine weltweit führende Gruppe formen, die dank eines neuen Konzepts den Gewinn steigert. Und das Ganze mit so vielen kleinen lokalen Marken, dass JAB dem Marktführer Nestlé mit seinem weltweit fast einheitlichen Angebot an Kapseln nicht ins Gehege zu kommt. Das vermeidet Preiskämpfe, die nur auf den Gewinn drücken.
Dafür ging JAB ein hohes Risiko ein. Für ihr Kaffeereich hat die in Amsterdam ansässige Holding seit 2012 für bald 40 Milliarden Dollar mehr als ein Dutzend Beteiligungen gekauft.
Doch die Rückendeckung ihrer Investoren haben Harf und seine Kollegen nicht nur gewonnen, sondern auch ausgebaut. Das gilt nicht nur für das Vertrauen der Familie, sondern auch das der anderen Geldgeber von Promis wie der Investorenlegende Warren Buffett und dem kolumbianisch-amerikanischen Milliardär Alejandro Santo Domingo bis zu den namenlosen Geldgebern, die JAB im vergangenen März gut fünf Milliarden Dollar in Form von Anleihen gepumpt haben.
Denn am Dienstag bescheinigte die führende amerikanische Ratingagentur Moody's JAB gute Arbeit und bewertete die Anleihe nun eine Stufe höher mit Ba2. „Sie haben die Profitabiltät gesteigert und den Cash-Flow verbessert“, schreibt Brian Weddington, Senior Credit Officer von Moody's, in einer aktuellen Studie. „Dazu hat die Gruppe in großem Stil das im Betrieb gebundene Kapital reduziert und Schulden abgebaut.“
Damit dürfte die Einkaufstour der JAB noch lange nicht zu Ende sein. Denn noch gibt es einige weiße Flecken im Reimann-Reich. Neben China ist das etwa Deutschland. „Unser Spielplatz ist zwar die Welt“, sagt Harf. „Aber wir werden auch in Deutschland mit neuen Angeboten experimentieren und suchen derzeit ein Konzept, das funktioniert. Haben wir das, investieren wir massiv in Deutschland.“