Kaffee Kaffeekonsum in der Nische - Spezialröstereien sehen sich im Aufwind

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Kaffee aus nachhaltigem Anbau kann auch etwas kosten

Reiten die Spezialröster bloß aus wirtschaftlichen Gründen auf der aktuellen Fairtrade-Welle mit? „Man kann den Unternehmern natürlich nicht in ihre Köpfe hineingucken“, sagt Experte Schäfer. „Aber Unternehmer haben nun mal die Aufgabe, Bedarfe in der Gesellschaft aufzunehmen und dementsprechend Produkte anzubieten.“ Angesprochen werde ganz bewusst eine kaufkräftige Kundschaft, nicht die breite Masse. Kaffeehaus-Inhaber Hagen sagt, seinen Kunden sei bewusst, dass guter Kaffee aus nachhaltigem Anbau auch etwas kosten könne. Es gehe eben nicht um „billig, billig, billig“ wie beim Discounter.

Das Kaffeehaus Hagen zählt mit 60 Mitarbeitern zu den Etablierten in der Nischenbranche. Die Kölner Kaffeemanufaktur hingegen steckt noch in den Anfängen. Chef Georg Hempsch hat seinen Vier-Mann-Betrieb erst vor einem halben Jahr aufgemacht, der 41-Jährige hatte zuvor lange bei einem großen italienischen Pasta-Fabrikanten gearbeitet.

Kaffee verdreht unseren Tagesrhythmus
Allein der Duft eines frischgebrühten Kaffees am Morgen versetzt den Körper automatisch in den Wach-Zustand. Die muntermachende Wirkung des Koffeins beruht darauf, dass es an speziellen Rezeptoren der Nervenzellen andockt. Dadurch ist der Zugang für den hemmenden Botenstoff Adenosin blockiert, der normalerweise für Beruhigung und Dämpfung sorgen würde. Das berichten Forscher im Fachmagazin "Science Translational Medicine". Quelle: scinexx.de Quelle: dpa
Die Frage: Kann Kaffee wirklich den individuellen Tag-Nacht-Rhythmus verändern? Das wollten Tina Burke und ihre Kolleginnen von der University of Colorado in Boulder wissen. Dazu haben sie fünf Probanden in ein Schlaflabor geschickt. Die Teilnehmer hatten zuvor zwei Wochen lang auf Koffein verzichtet und einen möglichst regelmäßigen Tagesablauf eingehalten. Quelle: dpa
Der Versuch: Drei Stunden vor ihrer üblichen Schlafzeit sollten die Teilnehmer vier Kapseln zu sich nehmen, von denen einige nur aus Reismehl bestanden. Die übrigen Kapsel enthielten so viel Koffein, was der Menge einer Tasse Kaffee entspricht. Anschließend wurden verschiedene Versuchsdurchgänge gestartet: Einerseits sollten die Probanden den Rest der Zeit bis zum Schlafengehen still im schummrigem Dämmerlicht verbringen, andererseits waren sie sehr hellem Licht ausgesetzt. Alle 30 bis 60 Minuten entnahm ein Assistent eine Speichelprobe, aus der später der Gehalt des Schlafhormons Melatonins ermittelt wurde. Quelle: dpa
Das Ergebnis: Die Versuchsteilnehmer, die im Dämmerlicht Koffein zu sich genommen hatten, blieben im Durchschnitt 40 Minuten länger wach als die Placebo-Empfänger unter gleichen Lichtverhältnissen. Am nächsten Morgen wachten diese Teilnehmer auch entsprechend später auf. Ihr geregelter Tag-Nacht-Rhythmus hatte sich also verschoben ... Quelle: dpa
Die Schlussfolgerungen: ... Dieser Effekt könnte auf die Wirkung des Koffeins schließen lassen – doch die Speichelproben bewiesen etwas anderes: Bei der Koffeingruppe stieg auch der Melatoninspiegel deutlich später an als bei der Placebogruppe. Es gibt einen anderen Zusammenhang: Die Teilnehmer bei den Durchgängen mit hellem Licht gingen ebenfalls später ins Bett und schliefen dementsprechend länger. Aber auch dort bemerkten die Forscher einen Unterschied zwischen der Placebo- und der Koffeingruppe. Denn ohne Koffein verschob sich der Rhythmus um 85 Minuten, mit dagegen um 105 Minuten. Quelle: dpa
Die Wirkung: Koffein bewirkt also mehr als reine Stimulation – da sind sich die US-Forscher einig. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es unerwartet tief in die Regulation unseres biologischen Rhythmus eingreift. Denn die innere Uhr regelt nicht nur, wann der Mensch müde wird und schlafen möchte, sondern hat auch Einfluss auf den Stoffwechsel. Quelle: dpa
Die Behandlungsmöglichkeiten: Mit dem Wissen um den verzögernden Effekt des Koffeins ist es leichter, Schlafstörungen sowie einen unregelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus gezielter zu behandeln, so die Forscher. Außerdem wird somit klar, warum die Menschen, die spät zu Bett gehen, meist sehr viel Kaffee trinken: Denn das Koffein führt möglicherweise dazu, den ohnehin schon nach hinten verschobenen Tagesrhythmus noch weiter zu verschieben. Quelle: dpa

Das Marktpotenzial für regional geröstete Kaffeebohnen sei groß, sagt Hempsch und vergleicht das mit dem Bio-Boom vergangener Jahrzehnte. „Regionalität und Heimatgefühl werden in der globalisierten Welt immer wichtiger“, sagt Hempsch. „Wir sind ein Kölner Betrieb, der auf Köln setzt - dass uns in Düsseldorf niemand kauft, ist eh klar.“

Günstig ist die Kaffeeherstellung hier nicht, ein halbes Pfund kostet etwa sieben Euro. In einer ähnlichen Preisklasse liegt die Rösterei Cross Coffee in Bremen. Oliver Kriegsch gründete das Geschäft 2013, er machte sein Hobby damit zum Beruf. Sowohl der Hanseat Kriegsch als auch der Rheinländer Hempsch sind noch in den roten Zahlen. Zum Leben reiche es bsiher nicht, aber es gehe aufwärts, sagen sie.

Beide sprechen mit großer Begeisterung vom Geschäft. Wie Wein entfalte Kaffee unzählige Aromen, erklärt Kriegsch und beschreibt dann einen Schluck Kaffee wie folgt: „Der hat wenig Körper, eine leichte Säure. Er hat etwas von Orangenschalen und Milchschokolade.“ Hempsch sagt: „Jeder Kaffee besitzt einen eigenen Charakter.“

Regional, fair, umweltfreundlich - Verbraucher setzten verstärkt auf bewusstes Genießen, sagt Trendforscher Andreas Steinle. „Es ist eine Form der urbanen Avantgarde, sich abzugrenzen.“ Also Kaffee lokaler Röstereien statt Coffee-to-go, Handfilter statt Kapsel oder Pad.

Aus Sicht des Stuttgarter Fachmanns Schäfer wollen sich die Kunden kleiner Röstereien von Konsumgewohnheiten der Masse abheben: „Das Wachstum dieser großen Ketten ist ausgereizt, zumal sie sich untereinander inzwischen starke Konkurrenz machen.“ Die Perspektiven für die Spezial-Kaffeeröstereien seien hingegen sehr positiv. Ein Starbucks-Sprecher wollte sich auf Anfrage nicht zur Herausforderung durch die Spezialröstereien äußern.

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