Kaffee Wie die Reimanns gegen Starbucks und Nestlé antreten

Für 32 Milliarden Euro hat Deutschlands diskreteste Industriedynastie in den vergangenen Jahren Kaffeemarken gekauft. Manager Peter Harf soll das größte Kaffeeimperium der Welt formen – nicht nur zum Nutzen der Familie.

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Kaffeeimperium der Familie Reimann. Quelle: REUTERS

Dem Haus Oosterdokstraat Nummer 80 am Amsterdamer Hauptbahnhof sieht keiner an, dass sich hier alles um das sinnlichste Getränk der Welt dreht: Kaffee.

Der Eingangsbereich ist farblos. Selbst die Konferenzzone im elften Stock wirkt trotz eines Regals bunter Kaffeepackungen steril. Das puritanische Design hier in der Zentrale des deutsch-niederländischen Koffeinkonglomerats Jacobs Douwe Egberts (JDE) hat seinen Grund: In der Heimat von Jacobs Krönung und Tassimo-Kapseln soll die Mitarbeiter nichts ablenken vom wichtigsten Firmenziel des Kaffeegiganten und seiner Eigentümer, der Reimann-Familie aus Deutschland: das größte Kaffeeimperium der Welt zu werden.

Es ist der nächste Schritt der wohl ungewöhnlichsten deutschen Industriellendynastie: Von der Familie Reimann ist kaum mehr bekannt als die Namen Renate Reimann-Haas, Wolfgang Reimann sowie Stefan und Matthias Reimann-Andersen und dass sie für sich und ihre zehn Kinder vom ehemaligen Boston-Consulting-Berater Peter Harf aus ihrem insolvenzbedrohten Ludwigshafener Chemiezwerg Joh. A. Benckiser eine globale Konsumgütergruppe im Wert von netto 20 Milliarden Euro haben bauen lassen.

Das Reimann-Reich

Dessen 2,6 Milliarden Euro Gewinn im vorigen Jahr stammen aus Anteilen am Putzmittelriesen Reckitt Benckiser (Calgon, Sagrotan), dem US-Kosmetikkonzern Coty (Adidas, Lancaster) sowie an einer Reihe Luxusmarken. Alles in allem sind es mindestens 200 Labels aus allen Bereichen des Alltags, die laut der Geschäftsberichte der Familien-Vermögensverwaltung JAB Holding Company aus den Jahren 2013 bis 2015 jährlich eine zweistellige Rendite abwerfen.

Vom Konsumgüter-Riesen zum Kaffee-Herrscher

Diesem ersten Aufstieg zu einem der größten Konsumgüterkonglomerate der Welt wollen die Reimanns jetzt einen zweiten folgen lassen: den zu einem Herrscher der Kaffeewelt. Wieder soll ihr Stratege Harf den Plan stemmen – und wieder bewegen sie dafür Milliarden. So stark wie vor 30 Jahren der Schweizer Nahrungsmittelgigant Nestlé, der mit seinen Nespresso-Kapseln, die den Bohnengenuss auf höchstem Niveau zu einer Sache für jedermann machten, soll Harf für die Reimanns nun das Kaffeegeschäft aufrollen. Dafür hat die JAB seit 2012 für 32 Milliarden Euro rund ein Dutzend Beteiligungen gekauft. Hinter dem Kaufrausch steht ein Dreistufenplan:

  • Die zersplitterte Kaffeebranche industrialisieren und aus mittelständischen Betrieben eine weltweit führende Gruppe formen, die dank eines neuen Konzepts Marktführer Nestlé nicht angreift.
  • Mit neuen Methoden bei Management und Markensteuerung das Geschäft rentabler denn je machen.
  • Nicht nur für besseren, sondern auch für umweltfreundlicheren Kaffee sorgen, mit fairen Preisen auch für die Bauern.


Zwar kritisiert der auf Übernahmen spezialisierte US-Professor Erik Gordon die bisherigen Zukäufe für diesen Plan: „Das ist viel Geld für recht schwache Spieler.“ Zwar verweisen Analysten auf starke Wettbewerber wie Brauseriese Coca-Cola, die derzeit ebenfalls ins Kaffeegeschäft drängen. Doch Peter Harf, seit mehr als 30 Jahren oberster Reimann-Vermögensverwalter sagt: „Der Markt wächst stark und ist so zersplittert, dass er förmlich nach einem ruft, der ihn mal ordnet.“ Und das, keine Frage, will er sein. Auch wenn der Ausgang seines vielleicht größten Abenteuers derzeit offen ist.

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