Kahlschlag bei Tom Tailor Das große Schrumpfen

Interimsvorstandschef Heiko Schäfer streicht das Geschäft des Hamburger Modeunternehmens kräftig zusammen: Er verkleinert das Filialnetz von Tom Tailor, strafft Modelinien und kassiert die Gewinnprognose ein.

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Mit drastischen Sparmaßnahmen und einer Verjüngung der Kollektion stemmt sich das Unternehmen gegen den Kundenschwund. Quelle: picture alliance / Guenther PERO

Düsseldorf Gewinnwarnung, Kostensenkung, Filialschließung - mit solchen Manövern schockt Tom Tailor seit vergangenem Jahr immer wieder die Öffentlichkeit. Im Mai musste der langjährige Vorstandschef des Hamburger Modeunternehmens Dieter Holzer trotz neuer Sparprogramme gehen. Jetzt stellt sich heraus, dass die Kurskorrekturen zu halbherzig waren, mit denen Holzer Tom Tailor wieder auf Erfolgskurs bringen wollte. Finanzvorstand Thomas Dressendörfer spricht Klartext und kündigt „eine deutlich schärfere Kurskorrektur als bisher“ an. Die gingen „deutlich über das Ende 2015 eingeleitete Programm CORE hinaus“, sagte der Finanzvorstand und kritisierte damit indirekt die Politik von Holzer.

Vor allem das Filialnetz wollen Dressendörfer und Interimsvorstand Heiko Schäfer stärker straffen, als bislang schon geplant. So wollen sie die Zahl der Läden um 300 verringern. Bislang betreibt das Unternehmen 468 Tom-Tailor-Filialen , 206 Franchise-Geschäfte der Hamburger Marke für Freizeitkleidung sowie über 1.011 eigene Bonita-Läden. Welche Läden das Sparprogramm genau trifft, ist noch nicht ganz klar. Es steht nur fest, dass alle Läden der Marke Bonita Men sowie bis zu 150 unprofitable Geschäfte von Bonita Women schließen werden. Aber auch große Filialen von Tom Tailor will das neue Management nicht verschonen. So sollen selbst einzelne Flagshipstores schließen, die nicht profitabel genug sind.

Der langjährige Vorstandschef Holzer hatte vor vier Jahren die Kette Bonita gekauft, um das Hamburger Unternehmen weiter auf Wachstumskurs zu halten. Doch damit übernahm er auch viele Probleme, zum Beispiel unprofitable Läden in schwierigen Lagen der Innenstädte. Außerdem hat sich das ursprüngliche Geschäftskonzept überlebt. Viele Jahre funktionierte es, älteren Kunden Mode zu verkaufen, die keinen besonderen Wert auf den letzten modischen Pfiff legten. Doch die sogenannten Best Ager wollen sich inzwischen auch modischer kleiden und kaufen zunehmend bei den spanischen Textilketten Zara oder Mango sowie beim schwedischen Filialisten H&M ein.


Management verhandelt über Stellenabbau

Unter diesem Trend leiden auch viele andere Marken wie Gerry Weber aus Halle/Westfalen oder der Hosenhersteller Brax aus Bielefeld. Sie sind mit ihren Kunden gealtert und müssen sich nun verjüngen. Sonst verlieren sie immer mehr ihrer Stammkunden und gewinnen keine jungen hinzu. Außerdem setzen neue aggressive Discounter wie die irische Kette Primark den Marken in der Mitte des Marktes immer mehr zu.

Das Hamburger Unternehmen muss sich mit den sogenannten vertikal integrierten Filialisten wie Zara und Massimo Dutti auch bei der Schnelligkeit und der Kosteneffizienz messen. Denn die spanischen Konkurrenten bringen die neuesten Trends bei Hosen, Röcke und Blusen wesentlich schneller und kostengünstiger in die Läden als Unternehmen wie Tom Tailor. So kündigte das neue Management einmal mehr neue „operative Maßnahmen zur Kosten- und Prozessoptimierung“ an. Außerdem will Interimschef Schäfer beim Einkauf die Kosten noch stärker senken als bislang geplant. Und er will die Herrenmodelinie von Bonita aufgeben.

Der Kahlschlag bei Tom Tailor hinterlässt Spuren im Ergebnis. Schäfer muss deshalb die Gewinnprognose für das laufende Jahr wegen der neuen Sonderbelastungen von rund 70 Millionen Euro im dritten Quartal einkassieren. Er will sich bislang nicht auf eine neue Prognose festlegen. Die will er erst am 10. November zusammen mit den Zahlen für das dritte Quartal veröffentlichen. So lange bleibt die Unsicherheit über die kurzfristige Zukunft von Tom Tailor bestehen. Die Börse reagierte dennoch erst einmal positiv auf die klaren Ansagen zum radikalen Sparprogramm und legte am Morgen um gut fünf Prozent auf 3,75 Euro zu.

Noch offen ist auch, wie viele der insgesamt 7.000 Stellen (Ende vergangenen Jahres) in der Gruppe von dem Sparkurs betroffen sein werden. Das Management kündigte an, in den kommenden Wochen mit den Betriebsräten „sozialverträgliche Lösungen“ zu erarbeiten.

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