Spitzenmanager aus dem deutschen Einzelhandel ringen weiter um einen Kompromiss zur Rettung der über 15.000 Arbeitsplätze bei der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann. Die Unternehmenschefs seien am Nachmittag in Mülheim an der Ruhr zusammengetreten, der Ausgang der Verhandlungen sei völlig offen, sagten mehrere Insider am Montag.
Es gebe noch keine Annäherung bei der Umsetzung des von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder vermittelten Schlichterspruchs, hatte es vor dem Treffen geheißen.
Hauptstreitpunkt zwischen Rewe und Edeka, die Kaiser's Tengelmann unter sich aufteilen wollen, sei weiter die Verteilung der Märkte in Berlin. "Es ist fraglich, ob da ein Kompromiss gefunden werden kann", sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. "Wir sind zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommen wird", sagte dagegen ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums.
Die offenen Fragen zur Schlichtung im Fall Kaiser's Tengelmann
Zumindest wieder ein Stück Hoffnung. Die Verhandlungen zwischen Tengelmann, Edeka und Rewe schienen zuletzt völlig festgefahren. Und um die Haupt-Streithähne, Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub und Rewe-Chef Alain Caparros zu einem Einlenken zu bewegen, braucht es wohl jemanden mit der Verhandlungserfahrung und der persönlichen Ausstrahlung des früheren Bundeskanzlers. Jetzt gebe es eine echte Chance auf eine Einigung, meint Verdi-Chef Frank Bsirske. Ein Manko ist allerdings, dass Schröder mit dem Thema Einzelhandel nicht wirklich vertraut ist. Doch bekommt er Rückendeckung vom langjährigen Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Bert Rürup.
Nachdem Norma und Markant ihre Klagen gegen die Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser's Tengelmann zurückziehen wollen, geht es vor allem noch darum einen Kompromiss mit Rewe zu finden. Denn solange Rewe an seiner Klage gegen die Ministererlaubnis für den Zusammenschluss von Edeka und Kaiser's Tengelmann festhält, ändert sich an der rechtlichen Situation nichts. Die Eilentscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, mit der die Ministererlaubnis für den Zusammenschluss vorläufig gestoppt wurde, bleibt in Kraft.
Dem Handelskonzern geht es um die Sicherung seiner Marktposition. Der Rivale Edeka ist schon heute mit Abstand Deutschlands größter Lebensmittelhändler - und Rewe will nicht weiteren Boden verlieren. Genau das aber würde bei einer Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch den Marktführer geschehen. Dabei geht es nicht nur ums Image, sondern auch um Einkaufskonditionen und Wettbewerbsfähigkeit. Denn je größer ein Händler ist, desto günstigere Einkaufspreise kann er für sich bei den Herstellern durchsetzen.
Erste Ideen dazu gab es schon beim Spitzengespräch der Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe unter Vermittlung der Gewerkschaft Verdi vor einigen Wochen. Damals stand die Idee im Raum, Rewe könnte die Kaiser's-Tengelmann-Filialen im Großraum Berlin und in Nordrhein-Westfalen übernehmen, Edeka dagegen Geschäfte in München und Oberbayern, wie Rewe-Chef Alain Caparros kürzlich verriet.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind die rechtlichen Hürden, eine solche Aufteilung umzusetzen, beträchtlich. So sieht die Ministererlaubnis eine Weitergabe der Filialen eigentlich nur in Einzelfällen vor. Zum anderen hätte bei der Übernahme zahlreicher Filialen durch Rewe auch das Bundeskartellamt wieder ein Wort mitzureden. Diese Risiken erschweren eine Einigung.
Doch. Theoretisch könnte sich Rewe auch mit einer Millionenzahlung abfinden lassen. Doch hat Caparros eine solche Einigung bislang abgelehnt. „Wir brauchen kein Geld. Wir kämpfen darum, eine kritische Größe zu behalten“, sagte er neulich.
Fehlendes Vertrauen. Mit Haub und Caparros treffen zwei starke Persönlichkeiten aufeinander, deren Verhältnis von Misstrauen geprägt ist. Haub wirft dem Rewe-Chef „Zerstörungswut“ vor und macht keinen Hehl daraus, dass er die bisherigen Angebote des Managers zur Rettung von Kaiser's Tengelmann für schlichtweg „unseriös“ hält. Caparros wirft Haub seinerseits vor, „sich als Sonnenkönig aufzuführen“ und die Suche nach einer Lösung für dessen eigenes Unternehmen seit Jahren zu torpedieren.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte Ende Oktober einen erfolgreichen Abschluss der Schlichtung verkündet. Doch zentrale Details sind Insidern zufolge weiter umstritten. Dazu gehören neben der Verteilung der Filialen in Berlin - Rewe will Zugriff auf Märkte in der Hauptstadt - auch Kaufpreise und die Verteilung von Lasten zwischen Edeka und Rewe.
Eigentlich wollte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub die verlustreiche Kette als Ganzes an den Branchenprimus Edeka verkaufen. Das stieß aber beim Bundeskartellamt und bei Edeka-Konkurrenten auf Widerstand. Da Haub die Kette mit noch rund 400 Filialen nicht behalten will, war Mitte Oktober die Zerschlagung eingeleitet worden.
Nach Appellen unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Rettung hatte die Schlichtung unter Schröder begonnen. Insidern zufolge soll Rewe als Ergebnis in Berlin Kaiser's-Tengelmann-Filialen mit einem Umsatzvolumen von rund 300 Millionen Euro erhalten - welche dieses genau sein sollen, ist aber unklar.
Läden in Bayern sollen an Edeka gehen. Im Gegenzug soll Rewe seine Klage gegen die Ministererlaubnis bis zum 11. November zurückziehen.