Im Ringen um eine Lösung für die angeschlagene Supermarktkette Kaiser's Tengelmann hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein Schlichtungsverfahren ins Gespräch gebracht. „Ich finde, man muss auch noch einmal die Idee erörtern, ob nicht ein Schlichter helfen kann“, sagte Gabriel am Freitag in Berlin. Die Kanzlerin und er seien „sehr erschrocken“ über das drohende Scheitern der Beratungen gewesen.
„Ich habe deshalb heute - auch in Absprache mit der Kanzlerin Angela Merkel - die Beteiligten alle angerufen und gesagt, dass es doch schockierend wäre, wenn es nicht geschafft wird, diese 16.000 Arbeitsplätze zu erhalten. (...) Deswegen haben wir noch einmal eindringlich an alle Beteiligten appelliert, die Verhandlungen nicht abzubrechen, sondern Einigungsversuche zu machen“, sagte Gabriel.
Rewe-Chef Alain Caparros zeigte sich zu einem letzten Anlauf zur Rettung der von der Zerschlagung bedrohten Supermarktkette Kaiser's Tengelmann bereit. Dabei sei, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ein Kandidat für den Schlichterposten, sagte Caparros am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Gabriel reagierte auf den Vorschlag zurückhaltend: "Wer das machen soll, dazu will ich mich nicht äußern. Das müssen dann alle Beteiligten regeln." Er freue sich aber, dass es anscheinend Bewegung gebe. Auch die Gewerkschaft Verdi will Kaiser's Tengelmann nicht verloren geben und spricht weiter mit den zerstrittenen Supermarkt-Ketten.
Die Hängepartie bei Kaiser's Tengelmann
Der Handelskonzern Tengelmann teilt mit, seine Supermärkte an Edeka verkaufen zu wollen. Die verbliebenen rund 450 Kaiser's-Tengelmann-Filialen, die seit Jahren rote Zahlen schreiben, sollen bis Mitte 2015 komplett an den deutschen Marktführer gehen.
Das Bundeskartellamt untersagt Edeka die Übernahme. Die Behörde befürchtet Preiserhöhungen und weniger Wettbewerb.
Tengelmann und Edeka wollen das Veto des Kartellamts nicht hinnehmen. Sie beantragen eine sogenannte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt grünes Licht für die Übernahme - unter harten Auflagen. So muss Edeka den Erhalt von über 15 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Edeka-Konkurrent Rewe legt beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Ministererlaubnis ein, wie auch Markant und Norma.
Das Oberlandesgericht stoppt die Ministererlaubnis vorläufig. Die Ausnahmegenehmigung Gabriels sei rechtswidrig. Er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten.
Gabriel wirft dem Gericht schwere Versäumnisse vor. Das Urteil enthalte falsche Behauptungen.
Edeka geht juristisch gegen den Stopp der Fusion durch das Oberlandesgericht vor. Das Unternehmen reicht eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Der BGH will darüber am 15. November entscheiden.
Auch Gabriel legt Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Darüber soll ebenfalls Mitte November entschieden werden. Kaiser's Tengelmann läuft unterdessen die Zeit davon.
Die Chefs von Tengelmann, Edeka und Rewe sowie Vertreter von Verdi wollen sich zu einem Rettungsgespräch treffen.
Der Aufsichtsrat von Kaiser's Tengelmann soll angesichts hoher Verluste über die Schließung von Filialen und den Abbau Tausender Arbeitsplätze beraten. Damit würde der Deal mit Edeka platzen und die Kette wohl zerschlagen.
Bei einem zweiten Spitzentreffen vereinbaren die Supermarktchefs überraschend, dass die Edeka-Konkurrenten ihre Klage zurückziehen und damit den Weg frei machen für die Übernahme. Sie geben sich Zeit bis zum 17. Oktober.
Die Verhandlungen zwischen den Chefs von Tengelmann, Edeka, Rewe und Verdi sind gescheitert. Die Supermarktkette wird nun zerschlagen. Noch am Abend bereitet Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub die Mitarbeiter auf den Verlust vieler Arbeitsplätze vor.
Am Vortag waren die Spitzengespräche über die Zukunft der Kette von Rewe, Edeka und Tengelmann für gescheitert erklärt worden. Caparros hatte zudem eine erneute Übernahmeofferte für das gesamte Geschäft vorgelegt, Tengelmann wies diese jedoch als "unseriös" zurück. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub hatte angekündigt, in der kommenden Woche erste Interessensbekundungen für Teile der Kette mit insgesamt über 15.000 Beschäftigten einzuholen. Haub hatte vorgerechnet, im Falle einer Zerschlagung stünden rund 8000 Arbeitsplätze auf der Kippe. Eigentlich will Haub Kaiser's Tengelmann an Edeka verkaufen - dies wird aber durch unter anderem von Rewe eingebrachte Klagen gegen Gabriels Ministererlaubnis für die Transaktion vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhindert.
"Wir sind zu einem letzten Versuch einer Einigung bereit", sagte Caparros Reuters nun. An einer solchen Verhandlungsrunde könnten Verhandlungsteams der Handelsriesen teilnehmen. Zudem solle es einen neutralen Vermittler geben: "Es muss ein Mediator dabei sein, der Kompetenz sowie Autorität hat und neutral ist", forderte der Rewe-Chef. "Das könnte zum Beispiel Bundeswirtschaftsminister Gabriel sein." Die Rolle könnte aber auch eine andere Person übernehmen. "Dann könnten wir einen letzten Einigungsversuch unternehmen", sagte der Rewe-Chef. "Ich finde, man muss auch noch einmal die Idee erörtern, ob nicht ein Schlichter helfen kann", sagte Gabriel in Berlin: "Wer das machen soll, dazu will ich mich nicht äußern. Das müssen dann alle Beteiligten regeln."
Schlüsselrolle für Kartellamt
Die Unternehmenschefs hatten nach dem Ende der letzten Spitzenrunde tiefe Differenzen erkennen lassen. Caparros warf Edeka-Chef Markus Mosa und Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub vor, die Gespräche seien an ihnen gescheitert. Bei einem Gipfeltreffen der Supermarkt-Chefs am 6. Oktober seien Grundzüge eines Kompromisses für Kaiser's Tengelmann vereinbart worden, sagte er Reuters.
Dazu zählten Entschädigungen und die Übertragung von Filialen. Rewe habe etwa Zugriff auf Berlin und Nordrhein-Westfalen, Edeka auf die Märkte in Bayern erhalten sollen. Rewe habe aber nicht die nötigen Daten erhalten, um eine "seriöse Bewertung" vornehmen zu können: "Diese sind noch immer nicht eingetroffen." Aber er sei zu einem neuen Gespräch bereit. Caparros will Kaiser's Tengelmann ganz oder in Teilen übernehmen - damit würde er die Kette Edeka abjagen.
Dem Kartellamt käme bei einem Verkauf von Kaiser's Tengelmann als Ganzes an den Edeka-Rivalen oder bei einer Zerschlagung und Übernahme durch Konkurrenten erneut eine Schlüsselrolle zu. Die Bonner Wettbewerbshüter hatten bereits den von Haub seit zwei Jahren angestrebten Verkauf an Branchenprimus Edeka untersagt. Auch wenn Rewe Zugriff bekäme, würden die Kartellwächter die Transaktion prüfen.
Haub schmetterte die neue Rewe-Offerte aber bereits ab. "Das Angebot ist unseriös wie alle bisherigen Angebote von Rewe", sagte eine Tengelmann-Sprecherin. Es lasse sich nicht umsetzen: "Auch Rewe kommt nicht am Kartellamt vorbei." Für Tengelmann brächte eine Transaktion keine rechtliche Sicherheit. Die Rivalen begegnen einander Insidern zufolge mit tiefem Misstrauen. Dies habe auch die gescheiterten Gespräche der Supermarkt-Chefs belastet. Haub geht jedoch angesichts der anhaltenden Verluste bei Kaiser's Tengelmann die Zeit für eine Lösung aus: "Das Ende meiner Geduld ist erreicht", heißt es in einem Schreiben Haubs an Verdi-Chef Frank Bsirske. "Rewe hat den Verhandlungsprozess von Anfang an torpediert."
Aber auch die Gewerkschaft gibt nicht auf: "Verdi wird auch jetzt noch alles daran setzen, eine Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern", erklärte Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. "Es laufen noch Gespräche zwischen uns und den beteiligten Unternehmen", ergänzte eine Verdi-Sprecherin.