Karnevalsgeschäft Am Aschermittwoch ist nicht alles vorbei

Voll, voller, Kostümläden zur Karnevalszeit: Das Geschäft mit den Jecken lohnt sich. Jetzt machen die Kostümhändler den größten Teil ihres Jahresumsatzes. Aber wovon leben sie eigentlich den Rest des Jahres?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Verkleiden geht immer, nicht nur Karneval: So wollen die Händler das ganze Jahr über Geld verdienen. Quelle: dpa

Es scheint fast so, als ob es etwas umsonst gibt: Unzählige Menschen drängen sich durch den Karnevalsladen in der Düsseldorfer Innenstadt. Aus den Musikboxen dröhnen passend dazu die Höhner mit "Jetzt geht's los": Mit Start des Straßenkarnevals wollen alle noch schnell das perfekte Kostüm kaufen. Der Andrang auf die Karnevalsläden ist in diesen Tagen riesig, teilweise sogar so stark, dass es nicht ohne Security-Leute vor der Tür geht. Oder aber so unübersichtlich, dass die Journalistin, die eigentlich nur das bunte Treiben beobachten möchte, mehrfach als potenzielle Verkäuferin angesprochen wird.

Die vielen Einzelhändler und Hersteller freut der Andrang. Sie machen in der Zeit zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch ein gutes Geschäft. Rund 250 Millionen Euro haben die Kostümhersteller in der vergangenen Karnevalssaison umgesetzt, so die Fachgruppe Karneval im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI), die etwa zwei Drittel des Marktes vertritt.

Von welchen Kostümen die Polizei abrät
Jedi-Ritter Quelle: REUTERS
Pirat Quelle: dapd
Terrorist Quelle: dpa
Indianer Quelle: AP
Räuber Quelle: dpa
Krankenschwester Quelle: dpa
Stewardess Quelle: obs

Von dem boomenden Kostümgeschäft an Karneval profitiert auch Georg Pelzer. Er leitet einen Malerbetrieb in Gangelt, ein 12.000-Seelen-Dorf im Kreis Heinsberg. Zusätzlich zum Malergeschäft verkauft er in seinem Laden Lacke, Farben, Spielsachen und Bücher. Kunden von außerhalb landen selten in dem Geschäft – es sei denn, die heiße Phase des Karnevals steht an. "Ab Dezember räumen wir alles in den Keller und holen die Karnevalskostüme raus", sagt Pelzer.

Die fünfte Jahreszeit lohnt sich für Einzelhändler

Bis Altweiber verkauft der Malerbetrieb dann Karnevalsartikel. Seit vierzig Jahren läuft das schon so. "Früher war es für Maler sehr schwierig in den Wintermonaten Arbeit zu finden. Daher haben sich meine Eltern für den Karnevalladen entschieden." Wirtschaftlich eine kluge Entscheidung. Bis zu 70 Prozent mehr Umsatz mache der Laden mit dem Karnevalsverkauf. Es sei ein Magnet.

Karneval-Fakten

Was für den Malerbetrieb eine gutes saisonales Zusatzgeschäft ist, ist für andere Karnevalsläden Alltag – immer, auch wenn die fünfte Jahreszeit im Kalender wieder verschwunden ist. Um wirtschaftlich überleben zu können, müssen die vielen Karnevalsunternehmen ihr Angebot ständig erweitern und sich neue Marketingstrategien einfallen lassen, wie sie ihre Produkte am besten an Mann und Frau bringen.

Verkleiden geht immer

"Früher war die Zeit ab Aschermittwoch für viele Unternehmen eine Durststrecke", sagt Dieter Tschorn von der Fachgruppe Karneval im DSVI. Nicht selten habe es finanzielle Probleme oder sogar Pleiten gegeben. Das sei heute anders. "Die Menschen wollen sich mittlerweile das ganze Jahr über zu ganz unterschiedlichen Anlässen verkleiden, nicht nur an Karneval oder Halloween", so Tschorn, der mit dafür verantwortlich ist, dass der Halloween-Hype auch nach Deutschland übergeschwappt ist – sehr zur Freude der Einzelhändler.

Von Elfenohren und Zombiewunden bis zum künstlichen Sperma

Ihr Angebot richtet sich längst nicht mehr nur an Karnevalsfans: Mottoparties, Kindergeburtstage, Valentinstag, Junggesellenabschiede, Oktoberfeste, Sportgroßveranstaltungen – alles soll mit Kostümen und Accessoires abgedeckt sein. "Karneval ist unser Kerngeschäft", sagt Björn Lindert, Geschäftsführer des Kölner Traditionsunternehmens Deiters, das zwanzig Filialen in ganz Deutschland hat. Zwei Drittel des Umsatzes mache Deiters in der Karnevalszeit. "Aber das Thema Verkleidungen wird immer mehr zum Ganzjahresgeschäft." So sind vor allem Trachten, wie Lederhosen oder Dirndl für die vielen Oktoberfest-Ableger außerhalb der bayrischen Landesgrenzen, zu einem wichtigen Umsatzbringer für Deiters geworden.

Den Oktoberfest-Trend kann auch Ralf Horbach vom Karnevalshersteller Fries aus Idar-Oberstein bestätigen, der Supermärkte und Einzelhändler mit Kostümen, Perücken und Schmuck beliefert. Allerdings gebe es hier noch Potenzial nach oben. "70 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit Karneval, 20 Prozent mit Halloween und zehn Prozent entfallen auf Anlässe wie Oktoberfest oder Weltmeisterschaft", erläutert Horbach.

In den 1960er Jahren ist das Familienunternehmen, das ursprünglich Werkzeuge und Maschinen für die Schmuckindustrie produzierte hatte, voll auf das Karnevalsgeschäft umgestiegen. Einfach sei das nicht gewesen. "Früher mussten wir nach der Karnevalszeit immer Kurzarbeit im Sommer fahren, weil die Nachfrage zu gering war", erzählt Horbach. Kurzarbeit gibt es heute zwar nicht mehr, dafür hat ein Drittel der Belegschaft nur einen befristeten Vertrag über ein halbes Jahr während der heißen Karnevalsphase.

Ganz ähnlich sieht es bei anderen Unternehmen der Branche aus: Viele stocken ihr Personal mit Aushilfen zwischen Herbst und Aschermittwoch deutlich auf, um dem starken Andrang Herr zu werden. Die ausgelassene Feierstimmung wollen die Anbieter das ganze Jahr über aufrechterhalten, um die Nachfrage zu steigern. "Die Realität ist leider oft schon hart genug. Deshalb kreieren wir immer wieder neue Spaßprodukte und bringen diese in den Handel", sagt Michael Prinz, der seit 1999 das Online-Portal "Karneval Megastore" leitet.

Um nicht der "Saisonalitätsfalle" Karneval zu erliegen, hat Prinz früh angefangen sein Angebot breit aufzustellen. Der Online-Händler wirbt mit dem Slogan "Wir sind deine Party" und tatsächlich findet der Kunde neben dem Kostümangebot allerhand Skurriles auf der Seite: Von Scherzartikeln wie künstliches Sperma, Bärenfleisch aus der Dose oder ein wasserlöslicher Bikini bis hin zu einer eigenen Comic-Reihe. Die Produkte verschickt der Hersteller mit Sitz in Metzingen an Kunden und Händler in ganz Europa.

Hinzu kommt verstärkt das Geschäft mit Lizenzprodukten aus Film und Fernsehen, zum Beispiel "Star Wars"-Fanartikel. Der Online-Versandhändler "Maskworld" macht einen Großteil seiner Einnahmen mit Latex- und Lederprodukten wie Masken, Rüstungen und Tuniken. "Mittelalter- und Fantasyfans sowie Live-Rollenspieler kaufen unsere Produkte. So haben wir uns ein weiteres Standbein zum klassischen Verkleidungsgeschäft geschaffen", sagt Marion Frischkorn von Maskworld.

Wem der ganze Karnevals- und Verkleidungshype auf die Nerven geht, muss jetzt ganz stark sein: Viele Händler denken über Expansion nach. Deiters plant noch in diesem Jahr zehn neue Filialen, der Online-Händler "Karneval Megastore'" liebäugelt mit richtigen Filialen. Anscheinend schaffen es die Geschäfte also mehr als gut, sich aufs Jahr gesehen über Wasser zu halten.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%