Karstadt Mönchengladbach kauft sich eine Filiale

Karstadt-Chef Stephan Fanderl hat gute Nachrichten: Die Filiale in Mönchengladbach-Rheydt, die eigentlich geschlossen werden sollte, bleibt erhalten. Allerdings nur weil die Stadt Millionen investiert.

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Die Kartstadt-Filiale im Mönchengladbacher Stadtteil Rheydt in Möchengladbach: Der angeschlagene Karstadt-Konzern wird seine Filiale in Mönchengladbach nun doch nicht schließen. Quelle: dpa

Gute Nachrichten aus dem Hause Karstadt haben zurzeit eher Seltenheitswert. Doch am Freitag konnte Karstadt-Chef Stephan Fanderl zumindest den rund 100 Beschäftigten des Warenhauses in Mönchengladbach-Rheydt Erfreuliches präsentieren. Die Filiale, die eigentlich Mitte nächsten Jahres geschlossen werden sollte, bleibt langfristig erhalten und mit ihr die meisten Arbeitsplätze vor Ort.

Möglich wurde das Kunststück vor allem durch das Engagement der Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach (EWMG), die das Karstadt-Haus vom bisherigen Eigentümer Highstreet für einen mittleren Millionenbetrag kauft - und für eine siebenstellige Summe so umbaut, dass Karstadt bereit ist, einen neuen 10-jährigen Mietvertrag zu unterschreiben. Das Motiv der Stadt: Sie will den wichtigen Kundenmagneten halten, um eine Verödung der Geschäftsstraßen von Rheydt zu verhindern.

Die größten Baustellen von Karstadt
Der neue Karstadt-Eigentümer René Benko übernimmt ein Unternehmen in der Krise. Die Karstadt-Warenhäuser schreiben rote Zahlen und kämpfen mit sinkenden Umsätzen. Ein Teil der Probleme ist auf den Strukturwandel im deutschen Einzelhandel zurückzuführen. Andere Schwierigkeiten sind hausgemacht. Welche Herausforderungen erwarten den Immobilieninvestor. Quelle: dpa
Übermächtige KonkurrenzDie Warenhäuser in Deutschland haben in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt massiv an Marktanteilen verloren. Denn Konkurrenten wie H&M, Zara und zuletzt Primark haben sich mit preiswerten, schnell wechselnden Kollektionen einen immer größeren Teil des Einkaufsbudgets der Verbraucher gesichert. Außerdem geht der Siegeszug der Einkaufszentren zulasten der Warenhäuser. „Alles unter einem Dach“ gibt es dort in der Regel in weitaus größerer Auswahl als in den Warenhäusern. Quelle: dpa
Schwaches Online-GeschäftDer Online-Handel ist zurzeit der mit Abstand größte Wachstumsträger im Einzelhandel. Doch auch hier kann Karstadt bislang mit der Konkurrenz nicht mithalten. Im Gegenteil: Während die meisten Online-Anbieter im vergangenen Weihnachtsgeschäft zweistellige Zuwachsraten verzeichneten, schrumpften die Verkäufe des Essener Unternehmens über das Internet. Quelle: dpa
Unklare MarkenpositionierungDer bis Ende 2013 amtierende Karstadt-Chef Andrew Jennings versuchte Karstadt mit der Brechstange ein jugendlicheres Image zu verpassen. Er wollte den Konzern stärker auf Mode ausrichten, setzte auf neue trendige Marken und gab ganze Sortimentsbereiche wie etwa Elektronik auf. Das verschreckte die ältere Stammkundschaft. Doch neue Zielgruppen wurden dennoch nicht im erhofften Umfang erreicht. Quelle: dpa
Verunsicherte MitarbeiterDie Unsicherheit der vergangenen Jahre und der schleichende Personalabbau in den Filialen ist an den Karstadt-Mitarbeitern nicht spurlos vorübergegangen. Die Gewerkschaft Verdi kritisiert vor allem den bisherigen Eigentümer Nicolas Berggruen: „Die Beschäftigten sind von diesem angeblich sozialen Investor Berggruen bitter getäuscht worden“, sagt Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Wenn Benko die Karstadt-Mitarbeiter auf einem harten Sanierungskurs mitnehmen will, muss er das Vertrauen der Beschäftigten zurückgewinnen. Quelle: dpa
Großer InvestitionsstauDie meisten Handelsexperten sind sich einig, dass bei Karstadt in den letzten Jahren viel zu wenig investiert wurde. Heinemann schätzt den Investitionsstau sogar auf mindestens 1,5 Milliarden Euro. Soviel Geld wäre nach seiner Auffassung nötig, um das Unternehmen zukunftsfähig auszurichten - im stationären, wie im Internethandel. Quelle: ZB

Den anderen Schließungsfilialen machte Fanderl allerdings wenig Hoffnung auf ein ähnliches Happy-End. Mönchengladbach habe insgesamt eine positive Entwicklung bei Kaufkraft, Einwohnerzahl und Beschäftigungsverhältnissen, bei den anderen Schließungsstandorten sei die Situation erheblich schwieriger. Die Schließungsbeschlüsse dort blieben in Kraft. Karstadt will im Zuge der Sanierung 2016 die Filialen in Recklinghausen, Bottrop, Dessau und Neumünster aufgeben.

Insgesamt zog der Karstadt-Chef eine positive Zwischenbilanz der Aufräumarbeiten bei der angeschlagenen Warenhauskette. Karstadt sei in dem auf drei Jahre angelegten Sanierungsprozess schon unerwartet weit gekommen. “Es sieht so aus, dass wir im ersten Jahr 50 Prozent der Wegstrecke schaffen, wenn nicht mehr“, sagte Fanderl.

Ende vergangenen Jahres hätten noch etwa 25 Prozent der Filialen Geld verloren. Doch es gehe aufwärts. „Die nachhaltig verlustträchtigen Häuser reduzieren sich enorm“, sagte der Manager. „Man sieht in den Büchern, dass es besser wird.“ Mit schwarzen Zahlen rechnet der Manager in diesem Jahr aber noch nicht.

In Mönchengladbach bleibt Karstadt nun erst einmal für weitere zehn Jahre Mieter in dem Haus in Rheydt - mit der Option den Vertrag schrittweise auf 30 Jahre zu verlängern. “Diese Investition zum Erhalt der Karstadt-Filiale war keine leichte Entscheidung“, betonte der Mönchengladbacher Oberbürgermeister Hans-Wilhelm Reiners. Doch wollte die Stadt der Gefahr einer Verödung der Rheydter Innenstadt vorbeugen.

Der EWMG-Chef Ulrich Schückhaus sagte, die von Karstadt präsentierten Zahlen zur Geschäftsentwicklung gäben dem Unternehmen die Zuversicht, mit dem Warenhauskonzern für die Zukunft planen zu können.

Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein, findet die Risikobereitschaft der Stadt richtig. Der Fall Hertie habe gezeigt, wie verheerend es für Innenstädte sein könne, wenn Warenhäuser jahrelang leer stehen. Mönchengladbach habe den Mut gehabt, „etwas zu tun und nicht den Kopf in den Sand zu stecken“.

Kritischer sieht den Schritt der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er meint: „Die Stadt geht auf jeden Fall ein hohes Risiko ein. Denn ob der verkleinerte Karstadt noch ausreichend kritische Masse hat, um auf Dauer zu bestehen, ist ungewiss.“

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