WirtschaftsWoche: Herr Van den Bossche, am 1. Oktober übernimmt der kanadische Handelskonzern Hudson’s Bay Company (HBC) das Kommando bei Kaufhof. Welche Einschnitte kommen auf das Unternehmen zu?
Es geht hier doch nicht um Einschnitte oder gar den Abbau von Arbeitsplätzen. Natürlich sind mit einem Eigentümerwechsel immer derartige Fragen verbunden. Aber das ist nicht der Plan, mit dem die Kanadier hier antreten. Im Gegenteil: Wir werden eher wachsen.
Das müssen Sie als Kaufhof-Chef ja jetzt sagen…
Zur Person
Olivier Van den Bossche, 39, leitet seit einem Jahr das operative Warenhausgeschäft von Galeria Kaufhof. Zuvor war er Chef der belgischen Kaufhof-Tochter Galeria Inno.
…es stimmt aber auch. Warum sollte ein Investor 2,8 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um das erworbene Unternehmen anschließend kaputt zu sparen? Die Kanadier sind auf Expansionskurs und sehen Kaufhof als Brückenkopf für ihr Europageschäft. Das heißt, HBC will investieren und gemeinsam mit uns das Geschäft ankurbeln.
Was haben Sie konkret vor?
Es gibt eine klare Strategie, mit der wir Galeria Kaufhof auf Wachstumskurs bringen wollen. Zum einen werden wir das Thema E-Commerce anpacken. Zudem wollen wir Vertriebslinien von HBC auch in Deutschland testen. Vor allem aber müssen wir das Kerngeschäft in unseren Warenhäusern nach vorne bringen – das hat oberste Priorität.
Wo werden Sie in den Warenhäusern ansetzen?
Für alle Warenhäuser ist das Erdgeschoss entscheidend, um Kunden in das Geschäft zu holen. Daher werden wir auch hier beginnen und in verschiedenen Filialen Sortimentsbereiche wie Schuhe, Kosmetik, Uhren, Schmuck und Handtaschen ausbauen. Parallel werden wir neue Marken in unsere Häuser holen. Wir haben jetzt als Teil von HBC Zugang zu ganz anderen internationalen Marken und spüren bei den Herstellern auch schon großes Interesse an einer verstärkten Zusammenarbeit mit uns.
Derlei Markenexperimente hatte auch schon der frühere Karstadt-Chef Andrew Jennings gewagt – und ist gescheitert. Statt neue Käufer in die Geschäfte zu locken, ergriffen Stammkunden entnervt die Flucht.
Seien Sie sicher, bei uns wird es anders laufen. Wir richten die Sortimente weiterhin Haus für Haus sehr lokal auf unsere Kunden aus. Bei den neuen Kooperationen setzen wir auf große Markenhersteller, nicht auf unbekannte Nischenanbieter. Nehmen sie Tommy Hilfiger, Calvin Klein, Longchamp, Bobby Brown – das sind prominente Labels, die die meisten unserer Kunden gut kennen. Es geht nicht darum, Galeria Kaufhof auf Luxus zu trimmen und auch nicht darum, nur noch hippe Trendmarken anzubieten. Galeria Kaufhof wird Galeria Kaufhof bleiben. Im Übrigen geht der Austausch in beide Richtungen: Die Kanadier haben großes Interesse daran, einige unserer Eigenmarken - etwa das Modelabel Manguun - auch in Kanada zu verkaufen.
Die zweite wichtige Baustelle ist der Online-Handel. Bisher liegt der Online-Anteil an Kaufhofs Gesamtumsatz lediglich bei zwei Prozent. Reicht das aus?
Das ist eindeutig zu wenig. Wir wollen die Verbindung von stationärem Geschäft und Onlineangeboten massiv ausbauen. In den nächsten Jahren ist bei Galeria Kaufhof ein Online-Anteil von zehn Prozent am Gesamtumsatz drin. HBC hat in den USA und in Kanada bewiesen, dass es möglich ist, solche Werte zu erreichen, ohne das stationäre Geschäft zu kannibalisieren. Das ist auch unser Ziel.
"Im Grunde zahlen wir künftig die Mieten an uns selbst"
Ihr Wettbewerber Karstadt geht in die andere Richtung und will im Netz nur noch Produkte anbieten, die sich auch profitabel verkaufen lassen.
Klar spielt Profitabilität auch für uns eine zentrale Rolle. Wir glauben aber, dass uns eher eine Ausweitung des Sortiments dabei helfen kann. Einige E-Commerce-Experten gehen davon aus, dass sich schwarze Zahlen im Online-Handel erst ab einer Umsatzgröße von rund 250 Millionen Dollar erreichen lassen, weil dann zum Beispiel die Logistik und die IT-Systeme entsprechend ausgelastet werden können. Genau dahin wollen wir kommen.
Das ist die Hudson's Bay Company
Die Hudson´s Bay Company ist Kanadas größtes Kaufhaus und gilt als ältestes Unternehmen Nordamerikas. Die Geschichte von HBC begann 1670, als Charles II von England der Company Eigentum über Land und Bodenschätze in Kanada übertrug. Der damals vollständige Name der Unternehmung: „The Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“.
Rund 200 Jahre kontrollierte HBC vor allem den lukrativen Handel mit Pelzen, dann kaufte Kanada der Gesellschaft die Rechte wieder ab. HBC änderte daraufhin die Ausrichtung, stieg in den Großhandel ein und versorgte Siedler. Auch in der Schifffahrt und im Handel mit Öl und Gas war HBC tätig, bevor sich die Gesellschaft in den 1990er Jahren wieder auf den klassischen Einzelhandel konzentrierte.
Die Hudson’s Bay Company fokussierte sich stets auf Aktivitäten in Kanada und Nordamerika - bis 1970 war ihr Sitz aber London.
Die Historie der HBC ist derart eng mit der Kanadas verknüpft, dass seine Chefs bis heute Gouverneure heißen. Heute hat diesen Posten der US-Amerikaner Richard Baker inne, der das Unternehmen 2008 erwarb. Baker gilt als strategischer und ehrgeiziger Konzernlenker
Schon vor der HBC-Übernahme hatte Baker 2006 amerikanisch Traditionskaufhauskette Lord & Taylor für knapp eine Milliarde Euro gekauft und das Geschäft durch Beleihung der Immobilien finanziert. Auch den vollständigen Kauf der Hudson’s Bay Company im Jahr 2008 finanzierte Baker hauptsächlich durch Schulden. Für rund 2,2 Milliarden Euro kaufte HBC 2013 schließlich die amerikanische Nobelkette Saks Fifth Avenue und deren Ableger OFF 5th. Erneut die entscheidende Geldquelle: beliehene Immobilien. 2015 machte der Konzern klar, in Zukunft auch außerhalb des nordamerikanischen Marktes wachsen zu wollen - durch Zukäufe wie Kaufhof. Neuestes Projekt ist die Einführung der Discount-Luxuskette Saks Off 5th in Deutschland.
Neben der namensgebenden Hudson’s Bay Company gehören zum HBC-Imperium eine ganze Reihe von Handelsunternehmen in Nordamerika. In Kanada ist es die Einrichtungshauskette Home Outfitters. In den USA hat HBC das Luxuskaufhaus Lord & Taylor, die Edelkaufhauskette Saks Fifth Avenue und deren Discount-Designer-Ableger Saks Fifth Avenue OFF 5th übernommen.
Als starkes Rückgrat der Hudson’s Bay Company gelten die Warenhausimmobilien im Besitz des Konzerns. Ihr Wert wird auf etwa 9,6 Milliarden kanadische Dollar geschätzt, rund 6,7 Milliarden Euro. Allein der Saks Fifth Avenue Flagship Store in New York soll mehr als drei Milliarden Euro wert sein.
Mit Saks Fifth Avenue, der Kernmarke Hudson's Bay, der Modekette Lord & Taylor und dem Haushaltswarenhändler Home Outfitters machte HBC zuletzt einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro und rund 420 Millionen Euro Gewinn.
Der erste Laden der amerikanischen Luxux-Kaufhauskette wurde 1924 von Horace Saks zusammen mit einer Geschäftspartner auf der New Yorker 5th Avenue eröffnet. 1992 gründete das Unternehmen sein erstes Outletgeschäft in Pennsylvania. Als 1995 weitere Läden eröffnet werden sollten, wurde das Geschäft in Saks Off 5th umbenannt. 2013 übernahm HBC das Unternehmen. Im Jahr 2016 gab es weltweit 41 Fililalen von Saks Fifth Avenue und 117 von Saks Off 5th.
2016 will HBC mit der Luxuskette Saks Fifth Avenue in Kanada starten. Wann ist Deutschland dran?
Saks Fifth Avenue ist sicherlich eine Markenikone im internationalen Handel. In Deutschland gibt es eine Handvoll Standorte, die sich für den Luxusanspruch von Saks Fifth Avenue eignen. Noch spannender ist für uns zunächst die Outlet-Marke Saks Off 5th, die wir bei Galeria Kaufhof gerne testen möchten. Wir können das amerikanische Konzept nicht eins zu eins übertragen, sondern werden es passgenau auf den deutschen Markt zuschneiden. Das braucht ein wenig Zeit. Wenn das Konzept dann in Deutschland aber funktioniert, könnten wir damit vielleicht auch in anderen europäischen Ländern starten.
Wo wollen Sie den Platz für ein solches Outlet-Konzept in Ihren Filialen hernehmen? Müssen Sie andere Sortimentsbereiche aufgeben?
Den Platz für das Mode-Outlet haben wir. Zum Beispiel nutzen wir in einzelnen Häusern bisher nur 60 Prozent der Flächen für den Verkauf, den Rest aber für Büros und Lagerhaltung. Das wollen wir ändern. Mitten in der Innenstadt brauchen wir keine Lager- und Büroflächen in dem Ausmaß wie bisher. In einigen Filialen haben wir zudem sehr viel Platz für Büros reserviert. Ich fände es angemessener, wenn insbesondere die Abteilungsleiter in der Nähe der Kunden, der Ware und des Personals sind und nicht so weit entfernt vom operativen Geschäft.
Die Warenhauskrise von A bis Z
„Alles unter einem Dach“: Das war einst der Anspruch, mit dem die großen Einkaufspaläste von Karstadt, Kaufhof, Hertie und Horten antraten. Doch die Vielfalt ist in den vergangenen Jahrzehnten Stück für Stück verloren gegangen. Heute findet der Verbraucher in den Konsumtempeln in vielen Fällen nur noch Mode und Kosmetik, und daneben vielleicht noch eine Haushaltswaren- und eine Lebensmittelabteilung. Ein Grund dafür ist der harte Wettbewerb.
Das Leben schwer machen den Warenhäusern nicht zuletzt Billiganbieter wie H&M oder Primark, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit rasch wechselnden Kollektionen zu Schnäppchenpreisen ein immer größeres Stück des Textilmarktes gesichert haben. Die Folge: Vor allem bei Kauflustigen jungen Kundinnen sind die Warenhäuser heute oft zweite Wahl. Doch auch Einkaufszentren machen den großen Kaufhausketten Konkurrenz. Wie die klassischen Warenhäuser bieten sie Vielfalt unter einem Dach. Nur eben mehr davon.
Seit einigen Jahren nagt außerdem der Siegeszug des E-Commerce an den Umsätzen der Kaufhausketten. Mehr als jeder siebte Euro der in Deutschland für Textilien ausgegeben wird, landet inzwischen in den Kassen von Online-Händlern wie Amazon oder Zalando. Die Umsätze fehlen den Warenhäusern. Denn Kaufhof und Karstadt spielen hier bislang eine untergeordnete Rolle.
Schon seit Jahrzehnten versucht die Warenhausbranche die Krise durch Fusionen in den Griff zu kriegen. So kam es 1994 zu einer ersten großen Marktbereinigung. Karstadt übernahm den Konkurrenten Hertie, Kaufhof schluckte Horten. Und nur wenige Jahre später machte dann die Idee einer Fusion von Kaufhof und Karstadt die Runde. Doch alle Anläufe zur Schaffung einer solchen Deutschen Warenhaus AG sind letztlich gescheitert. Der österreichische Karstadt-Eigner René Benko musste beim Angebot seiner Signa-Gruppe für Kaufhof eine Schlappe einstecken. Der deutsche Handelsriese Metro verkauft Kaufhof für rund 2,8 Milliarden Euro an den kanadischen Handelskonzern Hudson's Bay.
Die Zahl der Warenhäuser sinkt seit Jahren. Unter dem Namen Karstadt firmierten 2004 deutschlandweit noch über 220 Waren- und Sporthäuser. Seitdem hat sich diese Zahl fast halbiert. Dem Konkurrenten Kaufhof erging es zwar deutlich besser. Doch auch er konnte sich dem Abwärtstrend der Branche nicht völlig entziehen. Die Umsätze von Kaufhof sanken seit 2004 von 3,8 auf 3,1 Milliarden Euro.
Auch Managementfehler spielten eine Rolle beim Niedergang der deutschen Warenhäuser. So erwies sich der Versuch des vorletzten Karstadt-Chefs Andrew Jennings, der Warenhauskette im Hauruckverfahren mit einer Flut neuer Modemarken ein trendigeres Image zu verschaffen, als Irrweg. Stammkunden wurden vergrault, doch gelang es kaum neue Käufergruppen in die Geschäfte zu locken. Auch Jennings Vorgänger hatten oft keine glückliche Hand.
Eine Fusion von Karstadt und Kaufhof hätte dem Warenhaus im harten Wettbewerb so etwas wie einen Neuanfang ermöglichen können. Nun dürfte die kanadische Handelskette Hudson's Bay als künftiger neuer Kaufhof-Eigner neue Akzente setzen.
Bei einem Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt hätten über kurz oder lang wohl vor allem die Mitarbeiter Opfer bringen müssen. Handelsexperte Thomas Roeb betonte kürzlich mit Blick auf Karstadt: „Ohne einen Zusammenschluss könnte es noch viel schlimmer kommen.“ Alleine werde es Karstadt schwer fallen, wieder auf die Beine zu kommen.
Wie die Zukunft der Warenhäuser aussehen wird, ist letztlich ungewiss. Der Direktor des Handelsinstituts der Hochschule Worms, Jörg Funder, sagte kürzlich in einem Interview nach seiner Einschätzung gebe es auf Dauer nur Platz für 50 bis 70 klassische Warenhäuser in Deutschland.
Zuletzt wurde darüber spekuliert, dass die Lebensmittelabteilungen geschlossen oder drastisch reduziert werden.
Es gibt keine generelle Entscheidung gegen Lebensmittel in unseren Filialen. Klar ist, dass wir insbesondere in den größeren Filialen an den Abteilungen mit ihren Feinkost-Produkten und Delikatessen festhalten werden. Stellen Sie sich ein Flaggschiffhaus wie unsere Filiale am Berliner Alexanderplatz ohne Lebensmittel und Weinabteilung vor: das ist undenkbar. Aber brauchen wir in den Häusern das gleiche Angebot wie beim Supermarkt in der Nachbarschaft? Sicherlich nicht. Das gilt auch für die mittleren und kleineren Filialen. Entscheidend ist, was die Kunden wünschen und wie der Wettbewerb vor Ort aussieht. Und natürlich müssen wir die Produktivität im Blick haben und dann entscheiden.
Die Mieten, die Kaufhof zahlen muss, werden unter dem neuen Eigentümer deutlich steigen. Wie wollen Sie rund 48 Millionen Euro mehr im Jahr stemmen?
Die Zahl kann ich nicht kommentieren. Die Kanadier haben bereits angekündigt, dass es eine Trennung von Immobilien und operativem Geschäft geben wird. Für einen Teil der Immobilien hat HBC daher ein Joint Venture mit der Immobiliengesellschaft Simon Property gegründet. Dadurch werden die Immobilien deutlich aufgewertet, was letztlich Mittel für Investitionen freisetzt. HBC behält jedoch mit deutlicher Mehrheit immer die Kontrolle.
Das mag zwar derzeit stimmen, aber es gibt doch bereits Börsenpläne für die Immobiliensparte. Wie lange wird HBC-Großaktionär Richard Baker die Immobilien überhaupt behalten?
Ich bin für das operative Geschäft von Kaufhof zuständig und kann mich dazu nicht im Detail äußern. Nur so viel: Richard Baker ist ein echter Warenhausfan. Es macht richtig Spaß, mit ihm Filialen zu besuchen und die Möglichkeiten für ein Haus auszuloten. Daher bin ich sicher, dass die von uns gezahlten Mieten zum großen Teil wieder in das operative Geschäft investiert werden. Im Grunde zahlen wir künftig die Mieten an uns selbst und profitieren von der Aufwertung unserer Häuser.