Die kriselnde Warenhauskette Kaufhof kommt nicht zur Ruhe. Der Chef des nordamerikanischen Kaufhof-Mutterkonzerns Hudson's Bay Company (HBC), Jerry Storch, warf überraschend das Handtuch. Sein Rücktritt stehe auch im Zusammenhang mit den Problemen des HBC-Europa-Geschäfts um Kaufhof, hieß es am Wochenende in Branchenkreisen. Doch auch HBC selbst leidet unter Verlusten. Storchs überraschender Abgang schaffe Unsicherheit, sagte Joshua Varghese, Vertreter von CI Investments, dem sechstgrößten HBC-Anteilseigner.
HBC versuchte die Wogen zu glätten und den Kaufhof-Beschäftigten vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft Mut zu machen. "Ich glaube auch weiterhin fest an die Zukunft der Warenhäuser", schrieb der vorübergehend auch als Konzernleiter fungierende Verwaltungsratschef Richard Baker in einem Reuters vorliegenden Brief an die Mitarbeiter: "Und selbstverständlich stehen wir auch weiterhin zu unserem Engagement und unserer Wachstumsstrategie in Europa." Und Wolfgang Link, als HBC-Europa-Chef zuständig für Kaufhof, versicherte: "HBC ist und bleibt ein starker Partner an unserer Seite."
Storchs Abgang kommt für den Kaufhof zu Unzeit. Die Kette betreibt in Deutschland 97 Warenhäuser. HBC hatte Galeria Kaufhof zum 1. Oktober 2015 vom Handelsriesen Metro übernommen. Damals versprach HBC Milliarden-Investitionen und ein modernes Zukunftskonzept, das auf eine bessere Verschränkung von Warenhäusern und Online-Shops setzt. Die Immobilien von 41 Warenhäusern verkaufte HBC nach der Übernahme in einer 2,6 Milliarden Euro schweren Transaktion im Oktober 2015 an ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Investor Simon Properties. Doch es läuft ungeachtet der Modernisierung einzelner Warenhäuser nicht rund bei der Kette. Kaufhof kämpft mit Umsatz-Rückgängen und Verlusten. Im Juli wurde bekannt, dass der Kreditversicherer Euler Hermes Garantiezusagen für Lieferungen kürzte. Im August warf dann der für das internationale HBC-Geschäft zuständige Manager Don Watros das Handtuch, HBC-Finanzchef Paul Beesley war zuvor von Bord gegangen. Link ist aktuell für das Europa-Geschäft zuständig, doch steht die Kette auch ohne Deutschland-Chef da.
Das ist die Hudson's Bay Company
Die Hudson´s Bay Company ist Kanadas größtes Kaufhaus und gilt als ältestes Unternehmen Nordamerikas. Die Geschichte von HBC begann 1670, als Charles II von England der Company Eigentum über Land und Bodenschätze in Kanada übertrug. Der damals vollständige Name der Unternehmung: „The Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“.
Rund 200 Jahre kontrollierte HBC vor allem den lukrativen Handel mit Pelzen, dann kaufte Kanada der Gesellschaft die Rechte wieder ab. HBC änderte daraufhin die Ausrichtung, stieg in den Großhandel ein und versorgte Siedler. Auch in der Schifffahrt und im Handel mit Öl und Gas war HBC tätig, bevor sich die Gesellschaft in den 1990er Jahren wieder auf den klassischen Einzelhandel konzentrierte.
Die Hudson’s Bay Company fokussierte sich stets auf Aktivitäten in Kanada und Nordamerika - bis 1970 war ihr Sitz aber London.
Die Historie der HBC ist derart eng mit der Kanadas verknüpft, dass seine Chefs bis heute Gouverneure heißen. Heute hat diesen Posten der US-Amerikaner Richard Baker inne, der das Unternehmen 2008 erwarb. Baker gilt als strategischer und ehrgeiziger Konzernlenker
Schon vor der HBC-Übernahme hatte Baker 2006 amerikanisch Traditionskaufhauskette Lord & Taylor für knapp eine Milliarde Euro gekauft und das Geschäft durch Beleihung der Immobilien finanziert. Auch den vollständigen Kauf der Hudson’s Bay Company im Jahr 2008 finanzierte Baker hauptsächlich durch Schulden. Für rund 2,2 Milliarden Euro kaufte HBC 2013 schließlich die amerikanische Nobelkette Saks Fifth Avenue und deren Ableger OFF 5th. Erneut die entscheidende Geldquelle: beliehene Immobilien. 2015 machte der Konzern klar, in Zukunft auch außerhalb des nordamerikanischen Marktes wachsen zu wollen - durch Zukäufe wie Kaufhof. Neuestes Projekt ist die Einführung der Discount-Luxuskette Saks Off 5th in Deutschland.
Neben der namensgebenden Hudson’s Bay Company gehören zum HBC-Imperium eine ganze Reihe von Handelsunternehmen in Nordamerika. In Kanada ist es die Einrichtungshauskette Home Outfitters. In den USA hat HBC das Luxuskaufhaus Lord & Taylor, die Edelkaufhauskette Saks Fifth Avenue und deren Discount-Designer-Ableger Saks Fifth Avenue OFF 5th übernommen.
Als starkes Rückgrat der Hudson’s Bay Company gelten die Warenhausimmobilien im Besitz des Konzerns. Ihr Wert wird auf etwa 9,6 Milliarden kanadische Dollar geschätzt, rund 6,7 Milliarden Euro. Allein der Saks Fifth Avenue Flagship Store in New York soll mehr als drei Milliarden Euro wert sein.
Mit Saks Fifth Avenue, der Kernmarke Hudson's Bay, der Modekette Lord & Taylor und dem Haushaltswarenhändler Home Outfitters machte HBC zuletzt einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro und rund 420 Millionen Euro Gewinn.
Der erste Laden der amerikanischen Luxux-Kaufhauskette wurde 1924 von Horace Saks zusammen mit einer Geschäftspartner auf der New Yorker 5th Avenue eröffnet. 1992 gründete das Unternehmen sein erstes Outletgeschäft in Pennsylvania. Als 1995 weitere Läden eröffnet werden sollten, wurde das Geschäft in Saks Off 5th umbenannt. 2013 übernahm HBC das Unternehmen. Im Jahr 2016 gab es weltweit 41 Fililalen von Saks Fifth Avenue und 117 von Saks Off 5th.
Verdi sieht viele offene Fragen bei Galeria Kaufhof
Zudem will Galeria Kaufhof bei Löhnen und Gehältern sparen, um das Ruder herumzureißen. Kaufhof wolle in Gesprächen mit der Gewerkschaft Verdi einen neuen Tarifvertrag durchsetzen, der für die Beschäftigten Einschnitte mit sich bringen werde, hatte Arbeitsdirektor Peter Herlitzius Anfang Oktober angekündigt. Dieser sei notwendig, um wettbewerbsfähig zu sein und damit die rund 21.500 Arbeitsplätze zu erhalten.
Verdi reagierte indes reserviert: "Die Beschäftigten von Kaufhof wollen nicht für Managementfehler büßen", erklärte Stefanie Nutzenberger, für den Handel zuständiges Mitglied des Verdi-Bundesvorstands. Es seien zahlreiche Fragen zu klären. Dazu gehöre, ob Kaufhof nach der Übernahme durch HBC möglicherweise überhöhte Mieten zahlen müsse und wie viel Geld an die Eigner abfließe. Wirtschaftsprüfer der Gewerkschaft sollen vor einer Entscheidung die Bücher der Kette durchleuchten, zudem müsse ein "klarer, tragfähiger Zukunftsplan" auf den Tisch.
Nun kommt noch Storchs Rücktritt hinzu. Dieser mache deutlich, dass den HBC-Anteilseignern ein Strategie-Plan vorgelegt werden müsse, sagte Varghese. Dabei steht HBC bereits unter Druck: HBC-Anteilseigner Land and Buildings, geführt vom aktivistischen Investor Jonathan Litt, fordert bereits seit Monaten unter anderem einen Verkauf des Europa-Geschäfts. Ein Interessent steht Insidern zufolge bereit: Der österreichische Eigner des Konkurrenten Karstadt, Rene Benko, hat bereits mehrfach seine Fühler nach dem Kaufhof ausgestreckt.
In der deutschen Belegschaft gebe es Unruhe, hatten Arbeitnehmervertreter berichtet. Baker, der nun Interrims-Chef bei HBC ist, appellierte indes an die Mitarbeiter, sich nun auf das umsatzreiche Geschäft im Dezember zu konzentrieren: "Das bevorstehende wichtige Weihnachtsgeschäft sollte für uns alle nun oberste Priorität haben", schrieb er.