Kitchen Aid, Thermomix und Co. Küchen-Accessoires werden zum Statussymbol

Die Deutschen lieben ihre Küchen. Dafür geben sie gerne auch den Gegenwert eines Kompaktwagens aus. Doch keine noch so gut ausgestattete Küche ist ohne das passende Accessoire vollständig – die Küchenmaschine ist das neue Must-have.

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In diesen Küchen regiert das Design
Der Küchenhersteller Schüller setzt auf wuchtige Holzschränke aus Alt-Eiche und geradlinige Fronten aus mattem Glas in Indigoblau. Quelle: PR
Küchengeräte und Vorräte verschwinden bei Schüller hinter großen Holz-Türen - die Schränke erinnern damit immer mehr an Wohnwände, als an Küchenregale. Quelle: PR
Diese Küche hat Poggenpohl zusammen mit dem Design-Team von Porsche gebaut. Auftrag: Eine Küche für den Mann. Quelle: PR
Kronleuchter, Glas und gläzende Fronten: SieMatic betont bei diesem Vorführmodell aus dem Showroom in New York auf das Zusammenspiel von verschiedenen Materialien. Quelle: Siematic
Die Amerikaner mögen es klassisch: Weiße Fronten, kleine Griffe und Schränke mit Konturen sind dort noch immer sehr beliebt, sagt SieMatic-Marketingexperte Jörg Overlack. Auch dieses Modell ist Bestandteil des Showrooms in New York. Quelle: Siematic
Auch Deutschlands größter Küchenhersteller Nobilia löst die Trennung zwischen Küche und Wohnzimmer auf: Hier befindet sich der Herd fast direkt neben dem Fernseher. Quelle: PR
Auch Fronten in auffallenden Farben bietet Nobilia an. Quelle: PR

Nach langer Überlegung haben meine Eltern eine Entscheidung gefällt: Dieses Modell sollte es sein und kein anderes. Welches Modell, welche Farbe, welches Zubehör stand nach Monaten endlich fest. Doch die Verkäuferin machte der Sache schnell einen Strich durch die Rechnung: „In dieser Farbe ist das erst wieder in zwei Monaten lieferbar.“ Zwei Monate Wartezeit – nicht für ein Auto, sondern eine Küchenmaschine.

Damit sind sie kein Einzelfall. Die lange unterschätzten Rühr- und Mixgeräte haben sich zu einem Trendprodukt entwickelt. Mit den verschiedensten Konzepten vom klassischen Design einer Kitchen Aid von Artisan über die moderne Gestaltung einer Bosch MaxxiMUM bis hin zum Quasi-Alleskönner Thermomix von Vorwerk buhlen die Anbieter um die Aufmerksamkeit der Kunden.

So sind deutsche Küchen

Vom aktuellen Trend zum Kochen wollen viele profitieren, in der Gunst der Verbraucher liegen aber Küchenmaschinen derzeit weit vorne, weiß Werner Scholz vom Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). „Das gestiegene Interesse am Kochen zeigt auch alleine die Tatsache, dass jeden Tag über ein Dutzend Kochshows im deutschen Fernsehen laufen – was man da sieht, will man auch zu Hause nachkochen“.

Dabei geben die Kunden zunehmend mehr Geld für ihre Küchenmaschine aus. Zwar sind selbst bei Bosch Einstiegsmodelle für etwa 100 Euro zu haben, doch das große Geschäft machen die Hersteller mit den teuren Produkten. Der Klassiker Kitchen Aid kostet rund 650 Euro, der besonders in Deutschland beliebte Thermomix bis zu 1000 Euro. Der Cooking Chef aus dem Hause Kenwood schlägt mit bis zu 1200 Euro zu Buche.

Statussymbol Thermomix

Der Thermomix sticht aus der Masse heraus. Nicht nur, dass er neben mixen auch kochen und dampfgaren kann - er ist gar nicht im Laden zu kaufen. Hersteller Vorwerk bringt seine Küchenmaschine wie die Staubsauger nur über einen Direktvertrieb unters Volk. Die ungewöhnliche Strategie scheint sich auszuzahlen. „Alle 38 Sekunden wird irgendwo auf der Welt ein Thermomix verkauft“, sagte Vorwerk-Gesellschafter Walter Muyres.

Diesen Trend zu höherwertigen Produkten belegen auch die Zahlen des ZVEI. „Während der stückmäßige Absatz von Küchenmaschinen 2013 um zehn bis elf Prozent gestiegen ist, hat der Umsatz um 15 Prozent zugelegt“, sagt Scholz. „Hochwertige Materialien, die passenden Farben und das gesamte Design werden wichtiger. Einige Produkte sind klassisch weiß oder silbern, bei anderen gibt es eine breite Auswahl an genau aufeinander abgestimmten Farbtönen.“

Intransparente Preise beim Küchenhändler
Im Möbelhaus gibt es die oft üppig ausgestatten Einbauküchen aus der Ausstellung immer wieder mit hohen Preisnachlässen. Diese Preise gelten aber nur, wenn an der Zusammenstellung der Möbel nichts wesentliches geändert wird. Wer Möbelelemente weglässt, spart meist nichts, wer mehr braucht, muss kräftig zuzahlen.
Ausstellungsstücke lassen sich auch umplanen und anpassen, wenn sie zuhause in der Ausstellungsform nicht passen. Da sich in den Ausstellungen kaum Räume finden, die einen normalen Küchengrundriss haben, dürfte das in der Regel mit Mehrkosten verbunden sein. Gleiches gilt für Küchen aus dem aktuellen Angebot. Diese werden blockweise rabattiert angeboten. „Diese Blöcke sind vom Hersteller in der Regel knapp kalkuliert und zum Teil sogar subventioniert. Es ist eine Mischkalkulation: Zusatzwünsche und Extras, die über den angebotenen Küchenblock hinausgehen, sind im Verhältnis teurer. Erst dadurch rechnen sich die Blöcke für die Hersteller“, erklärt Lucas Heumann, Hauptgeschäftsführer beim Verband der deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK).
Die Probleme mit einer rabattierten Küche aus der Ausstellung fangen bereits damit an, dass die Anschlüsse für Wasser und Strom daheim nicht zur Austellungsküche passen. Die Arbeitsplatte ist dann beispielweise unbrauchbar, weil Spüle und Kochfeld anders platziert werden müssen. Besonders ärgerlich ist das bei teuren Arbeitsplatten aus Stein.
Diese Küche etwa besteht aus enorm vielen Bauteilen, die große Insel vorne besteht aus zwei Schrankreihen hintereinander. Sogar eine Waschmaschine ist hinter einer Schranktür versteckt. Die Arbeitsfläche besteht aus einem seltenen aprikotfarbenen Stein. Laut Händler kostet das Schmuckstück regulär stolze 31.500 Euro. Kaum vorstellbar, dass je ein Kunde so viel dafür gezahlt hätte.
Denn nun soll die Küche nur knapp 10.000 Euro kosten. Der Preisnachlass beträgt gemessen am Katalogpreis fast 70 Prozent. So viel Rabatt bieten einige große Händler und Möbelhäuser laut Prospekt sogar auf neu geplante Markenküchen. Lucas Heumann vom Verband der deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK) geht davon aus, dass einige Händler auf ihre Einkaufspreise besonders viel aufschlagen, um nachher einen solch hohen Rabatt anbieten zu können.
Bei den großen Händlern geschieht die Planung im langwierigen Kundengespräch am Computer. Auf riesigen Flachbildschirmen kann der Kunde dann sehen, wie die Küche später aussieht. Diese relativ einfache, nicht sonderlich groß geplante Alno-Küche etwa sollte im Möbelhaus regulär rund 15.000 Euro kosten. Nach Abzug von 50 Prozent Rabatt und einer Zusatzprämie von 1000 Euro sollte der Preis noch immer 9500 Euro betragen. Offenbar galt der Rabatt nur für die Möbel, die Elektrogeräte und Einbauten wie Spüle und Armatur blieben außen vor.
Wie sich die Preise einer Küche ohne Rabatt zusammensetzen, können Kunden zum Beispiel mit dem Online-Küchenplaner von Ikea testen. Dort gibt es keine Fantasierabatte und jeder Küchenschrank wird mit dem Einzelpreis berechnet. Ähnliche Planungstools bieten auch einige Küchenhersteller oder Händlerportale an. Das ist mühsam, aber aufschlussreich. Die oben abgebildete Ikea-Küche hätte im Test rund 4700 Euro gekostet. Dafür muss aber auch alles selbst aufgebaut werden. Viele Küchenhändler bieten Lieferung, Montage und Anschluss ohne Aufpreis an. Dann ist die Küche allerdings meist etwas teurer.

Den Farbtönen sind auch meine Eltern zum Opfer gefallen. In den trendigen Lackierungen „Himbeereis“ oder „Fuchsia“, einem ausgeprägten Violett, war die Maschine noch verfügbar. Da es aber ein ganz bestimmter Rot-Ton sein musste, mussten sie warten.

Über die Jahre ist die Küche das liebste Statussymbol der Deutschen geworden. Mein Haus, mein Auto, mein Boot sind out, die Kochinsel ist in. In einer vom Küchengeräte-Hersteller Siemens beauftragen Umfrage gaben 57 Prozent der Befragten an, ihnen sei eine tolle Küche wichtiger als andere Güter. Das Auto, einst des Deutschen liebstes Kind, kam nur auf 29 Prozent. Hifi-Geräte und Smartphones folgen auf den Rängen drei und vier.

Kochen hat sich weiterentwickelt, vom notwendigen Übel der Zubereitung hin zum aufwändig zelebrierten Hobby. An diesem Imagewechsel haben auch die Kochshows ihren Anteil. Aber auch bei ihnen lässt sich ein Wandel beobachten: Während noch bis vor einigen Jahren fast ausschließlich Sterneköche ihre prämierten Kreationen präsentierten, steht heute eine einfachere Küche im Vordergrund. Statt einer „Reduktion von Kalbsjus“ oder einer „Emulsion von Sepiatinte“, zeigen die TV-Köche Gerichte, die der Zuschauer auch zu Hause nachkochen kann.

Küchenbranche fährt Rekorde ein

Die gestiegene Bekanntheit der Fernsehköche machen sich auch die Hersteller in ihrer Werbung zunutze. „Es ist ein Trend nach Marken feststellbar“, weiß Fachverbands-Chef Scholz. „Dass zahlreiche Geräte in den Kochshows zu sehen ist, gehört natürlich zur Marketing-Strategie der Hersteller.“

Von dem Koch-Trend profitieren natürlich auch Küchenhersteller wie Nobilia, Alno oder Nolte, aber auch Edel-Ausrüster wie Poggenpohl, Siematic oder Bulthaup. 2013 lag der Umsatz der deutschen Küchenindustrie zum ersten Mal über zehn Milliarden Euro. Eine Küche aus dem Fachhandel kostete im vergangenen Jahr im Schnitt rund 7200 Euro, für die individuell zusammengestellte Luxus-Küche kann aber auch der Gegenwert eines Kompaktwagens fällig werden.

Die größten Küchenmöbel-Hersteller

Und wer so viel Geld für eine neue Küche ausgibt, will in der Regel auch die passenden Küchen-Accessoires auf seiner Arbeitsplatte stehen haben. Wer sich keine neue Küche leisten kann, sieht in den Elektro-Kleingeräten oft eine Möglichkeit, seine Küche für verhältnismäßig wenig Geld aufzuwerten.

Verbandschef Scholz sieht bei den Kleingeräten noch einen weiteren Vorteil: „Jedes Jahr kommen vollkommen neue Produkte auf den Markt, der Verbraucher hat eine große Auswahl.“ Bei den Elektro-Großgeräten im Haushalt ist das anders, hier haben sich feste Produkt-Kategorien gebildet, deren Grenzen kaum noch eingerissen werden.

Wertvolle Elektrogeräte

So unterliegen Einbau-Kühlschränke einem gewissen Industrie-Standard, ebenso die Herde. In der Küche aus dem Discounter oder Fachhandel wird meist eine Lücke von 60 Zentimetern für den Herd eingeplant. Ein Herd kann noch so funktional oder schick designt sein, aber wenn er 63 Zentimeter breit ist, geht er am Markt vorbei.

Auch hier ist ein Trend abzusehen: Der klassische Stadtherd wird immer seltener verkauft, heutzutage werden Kochfeld und Backofen getrennt, damit er nicht mehr auf Knie-, sondern auf Hüfthöhe eingebaut werden kann. Das alles ist nicht gerade billig. „Die Elektrogeräte machen etwa die Hälfte des Wertes einer Küche aus, bei hochpreisigen Küchen sogar bis zu 60 Prozent“, sagt Jürgen Weyrich vom Marktforschungsinstitut GfK.

Einige Unternehmen wie etwa Bosch verkaufen seit Jahren sowohl Groß- als auch Kleingeräte, andere entdecken gerade erst die neuen Geschäftsfelder. So ist Smeg vor allem für seine hochwertigen Herde und seine Kühlschränke im Design der 50er Jahre bekannt. Im September bringen die Italiener aber auch eine Serie von Kleingeräten auf den Markt, die sich in das nostalgische Design der Kühlschränke einfügen. Das Kalkül dahinter: Wer sich für über 1000 Euro einen Designerkühlschrank in die Küche stellt, ist zumindest nicht abgeneigt, sich auch einen Toaster in dem exakt passenden Farbton zu kaufen – und er greift nicht zu den Produkten der Konkurrenz, die von Design und Farbton meist auch auffällig gut passen. Aber Smeg erhofft sich auch den umgekehrten Effekt: Wer einen schicken Wasserkocher kauft, bestellt sich später womöglich noch den passenden Kühlschrank dazu.

Egal, ob gerade frisch am Markt oder wie der Platzhirsch Thermomix seit Jahren etabliert, die Funktionen der Geräte sind vergleichbar, meist auch deren Design. Doch das könnte sich bald ändern, das Thema „Connectivity“ zieht auch in die Küche ein. Geht es nach den Entwicklern, können Sie bald den Backofen von unterwegs vorheizen und vor dem Supermarktregal kurz beim Kühlschrank anfragen, wie viel Milch noch da ist.

Nach den Erwartungen des ZVEI wird sich die Technik nicht auf die Großgeräte beschränken, viele Neuheiten werden auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin (5.-10. September 2014) erstmals gezeigt. „Ich bin selber gespannt, was die Ifa bringen wird. Erste Kleingeräte mit der Möglichkeit der Vernetzung werden kommen, da bin ich mir sicher“, sagt Werner Scholz. „Die Verbraucher sind es gewohnt, ihren Alltag per Smartphone zu organisieren. Warum also nicht auch in der Küche?"

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