Körber-Gruppe Der Herr der Zigarettenmaschinen

Beim weltgrößten Hersteller von Zigarettenmaschinen fallen die grundlegenden Entscheidungen in einem Gremium mit diffus verteilten Rollen. Doch der Erfolg gibt dem Körber-Modell recht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Castingshow der anderen Art - Die Körber-Stiftung fördert die Musikerziehung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und will ihnen die Klassik nahebringen Quelle: Körber-Stiftung

Das Zimmer wirkt, als käme Kurt Körber gleich zurück. Auf seinem Schreibtisch liegt noch sein Füller, daneben ein Buch. Nichts hat sich geändert in seinem Wohnhaus am Pfingstberg in Hamburg-Bergedorf, seit der Unternehmensgründer im August 1992 gestorben ist, im Alter von 82 Jahren. Auf dem Sims steht ein altes Kofferradio, an der Wand hinter dem Schreibtisch hängt ein Blumengemälde, daneben zwei beschirmte Wandleuchten, wie sie in den Fünfzigerjahren modern waren.

„Es ist schon eine besondere Atmosphäre“, schwärmt Richard Bauer, der seit Oktober 2009 das Unternehmen leitet, das Kurt Körber in Hamburg aufgebaut hat: die Körber-Gruppe, den weltweit wichtigsten Konstrukteur und Erbauer von Maschinen für die Zigarettenproduktion. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen rund 9.200 Mitarbeiter, setzte 2011 etwa 1,9 Milliarden Euro um und entwickelt nicht nur Maschinen für die Tabakindustrie, sondern auch Werkzeugmaschinen sowie Anlagen für die Papierhersteller und die Pharmabranche. „Wenn wichtige Kunden kommen, gehen wir zum gemeinsamen Abendessen in Kurt Körbers Wohnhaus“, erzählt Bauer. In den Räumen dort, schwört der Betriebswirt, sei noch der Geist des Gründers spürbar – ein besonderer Geist, der die Gruppe bis heute prägt.

Deutschlands größte Stiftungsunternehmen
Bertelsmann Quelle: dpa
ThyssenKrupp Quelle: dapd
Bosch Quelle: dpa
Fresenius Quelle: dpa
ZF-Friedrichshafen Quelle: dpa
Carl-Zeiss Quelle: dpa
Schott Quelle: dpa

Körbers Verpflichtung

Schon wenige Jahre nach der Gründung seines Unternehmens 1946 war Kurt Körber überzeugt: „Wer die Freiräume und kreativen Kräfte der sozialen Marktwirtschaft nutzt, hat auch die Verpflichtung, zu ihrem Erhalt und ihrer Fortentwicklung beizutragen, und sollte auf freiwilliger Basis Teile seines Vermögens der Gesellschaft wieder zuführen.“ Darum rief er 1959 die Körber-Stiftung ins Leben, die sich in Bildung und Wissenschaft, in Politik und Gesellschaft engagieren soll. Seit dem Tod des kinderlosen Gründers 1992 ist sie die alleinige Gesellschafterin der Körber-Unternehmensgruppe. Ein profitorientierter Konzern in der Hand einer gemeinnützigen Stiftung?

Verschworene Gemeinschaft

„Das ist kein Widerspruch, nur ein unglaublich schmaler Grad“, sagt Stiftungschef Christian Wriedt. „Das Unternehmen braucht Geld zum Investieren, und die Stiftung braucht Geld zum Wachsen.“ Rund 14 Millionen Euro gibt sie jährlich für gemeinnützige Arbeiten aus. „Wir sind eine operative Stiftung“, sagt Wriedt. Im Gegensatz zu zu einer reinen Förderstiftung betreibt sie eigene Projekte. „Wir können den Geldhahn nicht auf- und zudrehen wie eine Förderstiftung, die notfalls weniger Förderanträge genehmigt.“

Rund 200 Menschen arbeiten für die Stiftung, darunter 94 Hauptamtliche. „Und es gibt Verpflichtungen bei Kooperationen, die wir eingegangen sind“, sagt Wriedt. „Wenn wir ein Haushaltsvolumen von 14 bis 17 Millionen Euro im Jahr verarbeiten, brauchen wir etwa 22 Millionen Euro an Einkünften, da ich als Stiftung ja ein Drittel in die Rücklagen stellen darf.“

Einnahmequellen der Stiftung

Richard Bauer, seit Oktober 2009 Unternehmensleiter der Körber AG. Quelle: PR Körber

Einen Teil ihrer Einnahmen bezieht die Stiftung aus ihren Immobilienbeteiligungen. Das meiste steuert jedoch das Unternehmen bei – als Dividende. Neun Millionen Euro überwies die Körber-Gruppe für 2010 an die Stiftung. Bei einem Überschuss von 114 Millionen Euro nach Zinsen und Steuern sind das gerade mal acht Prozent.

„Wir schütten nur einen sehr geringen Anteil an die Stiftung aus“, sagt Unternehmenschef Bauer, „der größte Teil verbleibt im Unternehmen, um die Expansion nach vorne zu treiben.“ Stiftungs- und Unternehmensgründer Körber hat keine Quote vorgegeben. Das letzte Wort hat hier das Kuratorium, das wichtigste Gremium der Stiftung. Es überwacht deren Vermögensverwaltung und übt alle Stimmrechte bei der Körber-Gruppe aus – anders als etwa die Bosch-Stiftung, die keine Stimmrechte am Bosch-Konzern besitzt.

Club alter Bekannter

Ähnlich wie dort ist aber auch bei Körber die Verantwortung in Firma und Stiftung diffus verteilt. Unternehmen und Stiftung schicken je drei Vertreter ins Kuratorium – allesamt alte Bekannte: Eberhard Reuther, Ex-Vorstands- und -Aufsichtsratschef; Werner Redeker, Ex-Vorstandschef und seit April 2010 Chef des Aufsichtsrats; sowie Bauer, amtierender Unternehmenschef; ferner Wriedt, Stiftungschef, Aufsichtsrat und einst Kurt Körbers Vermögensverwalter; Klaus Wehmeier, Stiftungsvize und Aufsichtsrat; sowie Thomas Straubhaar, Stiftungsrat und Ex-Aufsichtsrat.

Anstifter und Förderer

„Formal fehlt ein Stück Kontrolle“, räumt ein Beteiligter ein, sieht darin aber kein Problem: „Wir agieren alle wie Eigentümer und diskutieren, bis sich alle einig sind.“ Dabei regelt das Kuratorium die Höhe der Dividende und spricht über die Strategie des Unternehmens – bevor sie im Aufsichtsrat diskutiert wird.

Wer nun wen dominiert, lässt sich kaum ausmachen. Oder hat es etwas zu bedeuten, dass Stiftungschef Wriedt in Hamburgs repräsentativer Hafencity residiert, mit Blick auf die Elbe, Schiffe und Elbphilharmonie, während Unternehmenschef Bauer nahe dem Hauptbahnhof in einer wenig attraktiven Nebenstraße arbeitet und seine Gäste in einem fensterlosen Konferenzraum empfängt?

Dennoch möchte Bauer die Stiftung als Eigner nicht missen. „Wir sind langfristig orientiert, sind nicht getrieben von Quartal zu Quartal oder von Jahr zu Jahr“, sagt er. „Und wir sind nicht gezwungen, Dinge zu tun, die bei den Aktionären gut ankommen, aber wirtschaftlich Nonsens sind.“

Strenge Unternehmensgrundsätze

Von der Papiersparte des Unternehmens will Bauer sich zukünftig trennen, da er keine langfristige Zukunft mehr für sie sieht - Trotz wachsender Zahlen Quelle: AP

Gewerkschafterin und Aufsichtsrätin Meike Lüdemann entdeckt auch Vorteile für die Beschäftigten. „Körber legt viel Wert auf Weiterbildung, mehr als andere“, sagt die IG-Metallerin. Zudem bezahlt das Unternehmen den Mitarbeitern der Tabaksparte, der Keimzelle der Firmengruppe, die Prämien für eine Lebensversicherung und beteiligt sie am Unternehmenserfolg. Dadurch erhielten die Begünstigten in den vergangenen Jahren jeweils rund ein Monatsgehalt zusätzlich.

Auf einen Schmusekurs lässt sich Bauer aber nicht ein. Schon in den Unternehmensgrundsätzen, die jeder neue Mitarbeiter erhält, steht klar: „Können defizitäre Konzernteile nicht nachhaltig profitabel werden, müssen sie verkauft oder geschlossen werden.“

So möchte sich Bauer etwa von der Papiersparte trennen, sie wachse zwar wieder, aber für Körber sehe er da „langfristig keine Zukunft mehr“. Im Gegenzug will Bauer die Pharmasparte ausbauen. Das Unternehmen soll nicht nur Verpackungsmaschinen für die Medikamentenhersteller entwickeln, sondern selbst Pillen verpacken und ausliefern. „Das ist unser erstes Endkundengeschäft“, freut sich der Unternehmenschef. 40 Millionen Euro investiert er in das Projekt.

Unabhängigkeit über alles

Derzeit prüft Bauer weitere Bereiche, in die sich ein Einstieg lohnen könnte. Immerhin verdiente Körber in den vergangenen Jahren so gut, dass mehr als 700 Millionen Euro in den Gewinnrücklagen stecken, die auch für Akquisitionen genutzt werden sollen. „Wir streben eine Umsatzrendite von langfristig über acht Prozent an“, sagt Bauer. In den nächsten drei, vier Jahren will er sogar „über zehn Prozent“ erreichen. 2010 waren es 8,8 Prozent. „Ohne Sondereinflüsse hätten wir zehn Prozent gehabt, haben unser Ziel also erfüllt.“

„Unser oberstes Gut ist die finanzielle Unabhängigkeit, finanzielle Unabhängigkeit von Banken, Beratern und sonstigen Institutionen“, sagt Bauer. „Das hat uns Kurt Körber ins Stammbuch geschrieben.“ Und daran soll sich so wenig ändern wie am Wohnzimmer Kurt Körbers am Pfingstberg in Hamburg-Bergedorf.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%