Korruptionsvorwürfe Die dubiosen Tricks bei Media Markt

Europas größter Elektronikhändler gilt als Erfolgskonzern, der mit schriller Werbung und frischen Ideen eine ganze Branche umkrempelte. Doch Interna und geheime Deals zeigen, wie die Vertriebsmaschine ihre Marktmacht ausspielt und Lieferanten auspresst. Grabenkämpfe und Wachstumsdruck schufen ein System, das offenbar anfällig ist für Korruption und unlautere Geschäfte – auch zulasten der Kunden.

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Die Tricks von Media Markt
Illustration Media Markt Quelle: Illustration: Torsten Wolber
Illustration Regalplatz für hochauflösende Fernsehgeräte Media Markt Quelle: Illustration: Torsten Wolber
Illustration Werbelogos von Top-Elektronikmarken an den Wänden Media Markt Quelle: Illustration: Torsten Wolber
Illustration Internet-Ecke Media Markt Quelle: Illustration: Torsten Wolber
Illustration Promotioninsel für Mobilfunk Media Markt Quelle: Illustration: Torsten Wolber
Illustration Lockangebote Media Markt Quelle: Illustration: Torsten Wolber
Illustration Trittspuren auf dem Fußboden Media Markt Quelle: Illustration: Torsten Wolber

Der Duft von Popcorn zog durchs Zelt, Clowns und eine Combo auf Hydraulikstelzen staksten durch die Manege. Ein Pantomime wartete mit einer Sprachjonglage zum Thema Klarheit auf. Auch die Werte Loyalität, Demut und Optimismus versuchte das Management des Elektronikhändlers Media Markt seinen Beschäftigen einzubläuen und schleuste im Frühjahr 2010 Tausende Mitarbeiter durch den „Circus der Werte“ im Roncalli-Zelt. Auf einer eigens eingerichteten „Werteplattform“ im Internet wurde der Tugendkanon anschließend aufbereitet, schließlich sollte die Vorstellung nur der „Beginn einer wertvollen Reise“ sein.

Zwei Jahre später entpuppt sich die vermeintliche Moraloffensive als das, was sie am Anfang war: eine bunte Zirkusshow. Media Markt wird von der größten Schmiergeldaffäre in seiner Geschichte erschüttert. Die Staatsanwaltschaft Augusburg hat den früheren Deutschland-Chef Michael Rook am Mittwoch wegen Bestechlichkeit angeklagt. Zusammen mit einem Regionalmanager der
Elektrohandelskette soll er fünf Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben. Dafür hätten sie Firmen Aufträge über 65 Millionen Euro zugeschanzt, obwohl deren Konkurrenz bessere Angebote vorgelegt habe, so die Staatsanwaltschaft.

Mit einem freundlichen

Fragwürdige Geschäfte bei Media-Markt

Bei den Recherchen zu dem Fall stieß die WirtschaftsWoche auf weitere fragwürdige Geschäfte in der Media-Markt-Manege – von einem über Jahre bestehenden Geheimvertrag mit dem Mobilfunkanbieter Debitel bis zur nahezu kompletten Vermarktung einzelner Filialen als Werbefläche. Markenartikelhersteller stöhnen seit Jahren über den steten Konditionendruck und das Preisgefeilsche mit dem Handelshaus. Dahinter steckt System: Nur wenigen Händlern gelingt es, ihre Marktmacht so gewinnbringend auszuspielen, dass ihre Lieferanten nicht nur Werbe- und Expansionskosten bezuschussen, sondern auch einen Teil der Personalaufwendungen übernehmen. Der Einsatz sogenannter Promotion-Kräfte macht es möglich. Kunden, die Fachberatung erwarten, sollten wissen, dass sie mitunter auf industriegesponserte Markenagitatoren treffen. Objektivität kann in den Hintergrund treten, Schnäppchenangebote können sich als hochpreisig entpuppen. Gut beraten ist, wer die Maschinerie hinter dem Schein durchschaut.

Der Wandel des Handelsrevoluzzers

Fast wirkt die Ingolstädter Holding, zu der auch die Schwestermarke Saturn gehört, wie ein zu groß geratener Familienbetrieb. Ein milliardenschwerer Konzern, der den Gesetzen eines Mittelständlers folgt, mal lokal, mal zentral agiert und sich so auf mehreren Ebenen anfällig für unlautere Geschäfte gemacht hat. Wandelt sich der einst gefeierte Handelsrevoluzzer zum chronisch filzgefährdeten Imperium?

Ein Sprecher verweist derlei Thesen ins Reich der Fantasie. Media Markt betreibe schließlich einen „hohen Aufwand“, um „kriminellen Aktivitäten von Mitarbeitern bestmöglich vorzubeugen“. Compliance? Passt schon! Die Marktmacht? Überschaubar. Und die Beziehung zur Industrie? „Stets kooperativ und partnerschaftlich.“

Im Eingang des Media Marktes in der Hohe Straße in Köln trifft die Kundschaft auf hochgerüstete Unterhaltungselektronik. Digitalkameras, verschraubt auf hüfthohen Stativen, fixieren den Kunden und übertragen das Bild auf Deckenmonitore. Von sechs Dutzend Philips-Fernsehern flimmern Sprünge des Videospiel-Helden Super Mario. Es blinkt, es flackert – High Tech wird zum Erlebnis stilisiert.

Bis zu 100.000 Artikel von Elektrozahnbürste bis Autonavi bieten die Filialen an – 389 Saturn- und Media Märkte gibt es in Deutschland. Zuletzt setzten sie mehr als neun Milliarden Euro um – mehr als die wichtigsten Wettbewerber Euronics und Expert zusammen. MediaSaturn, wie die Holding heißt, ist eine gewaltige Vertriebsmaschine, auf die trotz Internet-Boom kein Hersteller verzichten kann.

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